Frage: Heute will die CSU im bayerischen Kabinett beraten, ob sie gegen Merkels Flüchtlingspolitik klagt. Gefährdet eine Klage die Große Koalition?

Oppermann: Eine Klage wäre für Frau Merkel der casus belli. Ich frage mich, wie die Kanzlerin dann noch unbeschädigt weiterregieren könnte, ohne ihre CSU-Minister zu entlassen.

Und dann?

Oppermann: Dann muss die Union entscheiden, was sie will. Die Koalition besteht aus drei Parteien. CDU und SPD hätten auch alleine eine stabile Mehrheit.

Sind die Scharfmacher in der CSU mitverantwortlich für die Übergriffe auf Flüchtlinge in Clausnitz?

Oppermann: Nein, dafür tragen sie keine Verantwortung. In Clausnitz hat sich Deutschland von seiner hässlichsten Seite gezeigt. Jeder anständige Deutsche muss sich dafür schämen. Aber die CSU trägt Mitverantwortung dafür, dass Politik ohnmächtig erscheint. Wenn CSU-Chef Seehofer seiner eigenen Bundesregierung, eine "Herrschaft des Unrechts" vorwirft, destabilisiert er nicht nur die Kanzlerin. Seehofer untergräbt die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie.

Seehofer wirft Merkel vor, darauf zu bauen, dass das ganze Jahr Winter ist. Das sei "keine Politik". Ist das der neue Umgangston in der Großen Koalition?

Oppermann: Seehofer hat sich entschieden, einen Machtkampf gegen Merkel auf offener Bühne auszutragen. Das muss endlich aufhören.

Allerdings rückt nicht nur die CSU, sondern auch die Wahlkämpfer der CDU langsam von der Kanzlerin ab. Wie lange hält die SPD noch zu Merkel?

Oppermann: Es schwächt die deutsche Position, wenn Frau Klöckner und andere der Kanzlerin in den Rücken fallen. Ich finde gut, dass der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, die richtigen Worte dazu gefunden hat. Solange in der Flüchtlingskrise die Chance auf  eine europäische Lösung besteht, werden wir diesen Weg gehen …

... das heißt: Merkel hat noch zwei Wochen Schonfrist – bis zum Gipfel mit der Türkei?

Oppermann: Dieser Gipfel muss eine klare Perspektive bringen. Dafür muss Merkel kämpfen. Nationale Sonderwege sind keine gute Alternative.

Die SPD verzeichnet katastrophale Umfrageergebnisse in den Ländern, die im März wählen. Werden die Landtagswahlen von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zu Schicksalswahlen für die Sozialdemokraten?

Oppermann: Nein, die SPD wird noch zulegen. Die SPD hat in allen drei Ländern eine tolle Regierungsmannschaft. Aber diese Wahlen sind schicksalhaft für unser Land. Wenn die AfD mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage einzieht, wird sich Deutschland verändern.

Wie?

Oppermann: Die AfD spaltet dieses Land. Sie hetzt Menschen gegeneinander auf. Solche Töne haben wir zuletzt am Ende der Weimarer Republik gehört.

Sie vergleichen die AfD mit der NSDAP?

Oppermann: Nein. Aber uns Demokraten muss es erschüttern, wenn von diesen Leuten eine Pogromstimmung herbeigeredet wird. Wohin das führt, haben wir in Clausnitz gesehen. Unser Land braucht Zusammenhalt statt Ausgrenzung.

Wie holt man diese Menschen zurück? Überfordert Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik die Wähler?

Oppermann: Wir brauchen sichtbare Erfolge. Die Flüchtlingszahlen müssen deutlich runter. Und wir müssen klarmachen: Nichts wird besser durch die AfD. Es gibt nicht die eine Stellschraube, an der man drehen kann, um die Krise zu lösen. Aber wir können es schaffen, wenn wir alle an einem Strang ziehen.