Herr Oppermann, der Bundestag hat die Verlängerung des Griechenland-Hilfsprogramms gebilligt. Viele Abgeordneten murren aber, in der Union gab es sogar 29 Nein-Stimmen. Ist das ein Problem?

Es fehlt das Vertrauen in die neue griechische Regierung, das erklärt den Unmut. Die Regierung hat in den letzten Wochen erst lernen müssen, dass die Bedingungen für die Finanzhilfen eingehalten werden müssen. Jetzt muss sie sehr schnell neues Vertrauen schaffen - nur dann können ihre Reformvorschläge in ein neues Programm eingewoben werden.

Aber schafft Athen Vertrauen, wenn es immer wieder über einen Schuldenschnitt spekuliert?

Nein, das ist absolut nicht hilfreich. Ein Schuldenschnitt steht nicht auf der Tagesordnung, er wäre vor allem für unsere europäischen Partner indiskutabel: Der Verzicht auf Kreditrückzahlungen würde die Schuldensituation in Ländern wie Italien oder Frankreich über Nacht drastisch verschlechtern. Das können wir nicht hinnehmen.

Die Hinweise mehren sich, dass Griechenland schon im Sommer ein drittes Milliarden-Hilfspaket benötigt. Muss die Politik in Berlin damit nicht ehrlicher umgehen?

Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe für die Griechen, damit das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt und der in weiten Teilen gescheiterte Staat eine rechtsstaatliche Basis erhält. Niemand in der griechischen Regierung darf darauf hoffen, mit unserer Hilfe neue Sozialleistungen für ihre Bürger finanzieren zu können. Das werden wir nicht tun, solche Leistungen müssen selbst erwirtschaftet werden. Aber wir müssen dabei helfen, das Land mit einer Modernisierung des Staates und mit Investitionen nach vorn zu bringen.

Die Erfolge sind bisher eher mäßig.

Insgesamt fehlt es an einer professionellen, von Korruption freien Verwaltung, die entsprechende EU-Projekte umsetzen könnte. Es versickert immer noch zu viel Geld in Bürokratie und Vetternwirtschaft.
Immerhin scheint die Regierung einen ernsthaften Versuch zu unternehmen, an Privilegien heranzugehen.

Die Kritik an den Sparauflagen für Griechenland wächst ja. Gerade an Deutschland richtet sich die Forderung, mehr für Wachstum in Europa zu tun.

Wir tun ja schon einiges: Die Koalitionsspitzen werden in der nächsten Woche den Rahmen für ein 10-Milliarden-Investitionsprogramm bis 2018 festzurren: Wir wollen die Infrastruktur modernisieren, deshalb geht das Geld primär in den Verkehrsbereich, in den Breitbandausbau, in den Städtebau, die energetische Gebäudesanierung und ähnliches. Wir werden weitere Haushaltsüberschüsse vorrangig in Investitionen stecken. Und die starken Tarifabschlüsse bei uns werden die Konjunktur beleben. Von einer guten Konjunktur in Deutschland  profitieren auch Frankreich, Italien oder Spanien.

Sie wollen in den nächsten Tagen auch die SPD-Fraktions-Pläne für ein Einwanderungsgesetz vorlegen. Was steht drin, was soll es bringen?

Wir werden in den nächsten zehn Jahren zwischen 6 und 7 Millionen Erwerbstätige verlieren. Wenn wir die Fachkräfte nicht ersetzen, gerät unser Wohlstand in Gefahr, die sozialen Sicherungssysteme wären bald nicht mehr finanzierbar. Deshalb müssen wir den Arbeitsmarkt nach innen öffnen und, mit einem Einwanderungsgesetz, nach außen: Die Einwanderung von Arbeitskräften aus Drittstaaten nach einem flexiblen, nachfrageorientierten Punktesystem wie in Kanada zu steuern, ist ein guter Ansatz.  Wir können uns nicht darauf verlassen, dass weiterhin so viele Fachkräfte aus der EU zu uns kommen, wie in den letzten beiden Jahren.

Und was heißt Öffnung nach innen?

Es gibt immer noch Unbehagen gegenüber Einwanderung, da brauchen wir ein anderes Selbstverständnis. Einwanderung wird nur dann akzeptiert, wenn sie nicht zu sozialen Konflikten in Deutschland führt. Deshalb müssen wir vorrangig die Potenziale im Inland ausschöpfen -  mehr Frauen in Vollzeitjobs bringen und die rund 1,5 Millionen jungen Leute zwischen 25 und 35 Jahren, die heute keine Berufsausbildung haben, nachqualifizieren. Diese Leute müssen gefördert und gefordert werden, sie brauchen eine zweite und dritte Chance.

Aktuell hat Deutschland mit einem steigenden Zustrom von Flüchtlingen zu tun: Viele Kommunen sind überfordert, verlangen mehr Hilfen vom Bund. Bekommen sie die?

Kurzfristig hilft der Bund mit einer Milliarde Euro für 2015 und 2016. Langfristig brauchen wir eine andere Lösungen: Es ist nicht die Aufgabe der Kommunen, die Folgen ungelöster internationaler Konflikte zu bewältigen. Einfluss auf auf das Fluchtgeschehen hat – wenn überhaupt - nur der Bund. Das ist eher eine nationale als eine kommunale Aufgabe. Die Kommunen müssen deshalb zwar auch in Zukunft die Unterbringung organisieren, aber finanzieren muss das der Bund. Ich hoffe, dass wir bei der in diesem Jahr anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen dafür eine Lösung finden.

Der Innenminister schlägt vor, Asylzentren in Nordafrika aufzubauen. Eine gute Idee?

Das führt leicht zu Missverständnissen.
Besser ist es, mit einem Einwanderungsgesetz Chancen zu eröffnen: Wenn junge Leute, die eine gute Ausbildung und Sprachkenntnisse schon im Herkunftsland erworben haben, legal zu uns kommen können, werden sie nicht mehr sich selbst und ihre gesamten Ersparnissen den Schlepperbanden anvertrauen.

Sie haben sich diese Woche mit Bürgermeistern großer Kommunen unter anderem aus NRW getroffen. Die klagen über Finanznot, wollen in Aussicht gestellte Gelder des Bundes früher erhalten als von der Koalition geplant. Was sagen  Sie denen?

Mit der Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter hat der Bund die Kommunen schon um 5 Milliarden Euro entlastet. Weitere 5 Milliarden Euro kommen spätestens 2018. Wir wollen in Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister erreichen, dass dieses Geld teilweise  früher fließt -  2,5 Milliarden Euro sollten die Kommunen  schon 2017 erhalten.

Beim Koalitionsgipfel war es der größte Erfolg, längst beschlossene Gesetzespläne zur Mietpreisbremse erneut zu bestätigen. Vieles aber wurde vertagt, auch die Mindestlohn-Klärung. Kann die SPD zusehen, wie die Union das Gesetz zerpflückt?

Niemand wird dieses Gesetz zerpflücken. Der Mindestlohn darf nicht nur auf dem Papier stehen, er muss auch tatsächlich gezahlt werden. Mit der SPD wird es keinen Mindestlohn-Light geben.

Die CSU blockiert den Stromnetzausbau und jetzt auch noch die energiesparende Gebäudesanierung. Was ist da los in der Koalition?

Wir haben vereinbart, dass wir diese Probleme bis Juni lösen und ich hoffe auf die Einsicht der CSU. Wenn die CSU keine Stromleitungen nach Bayern will, trennt sie den Freistaat von einer preisgünstigen und sicheren Versorgung ab - die Bürger müssten dort mehr für Strom bezahlen als im übrigen Deutschland. Bayern kann sich gar nicht leisten, von der Energiewende abgeschnitten zu werden. Und bei der Gebäudesanierung hatten wir einen breiten Konsens. Es ist ärgerlich, dass der nicht umgesetzt werden kann.

Worauf müssen sich Hausbesitzer da einstellen?

Wir müssen jetzt alternative Modelle entwickeln, das kostet aber Zeit. Die Bürger werden länger warten müssen. Dabei brauchen wir dringend Investitionen etwa in Heizungen, Fenster, Dachisolierungen - das ist unser wichtigster Beitrag für den Klimaschutz. Ich hoffe, dass wir schnell zu einer neuen Lösung mit der CSU kommen.

Sind Sie eigentlich von dem Projekt der Pkw-Maut überzeugt?

Die Maut ist ein höchst ungeliebtes Projekt, das gilt mit Ausnahme der CSU für alle Parteien im Bundestag. Aber sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart, dieser Vertrag wird umgesetzt, deshalb wird die Maut kommen.

Die Union will sie schon Ende März beschließen lassen. Machen Sie mit?

Die Maut ist gerade unter Bürokratiegesichtspunkten ein sehr schwieriges Gesetz - deshalb wird sich der Bundestag Zeit nehmen müssen für die Beratung. Es ist aber gewährleistet, dass die Maut noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann.

Die Edathy-Affäre bleibt in den Schlagzeilen. Auch in der Union werden Zweifel laut, dass Ihre Schilderung der Informationsabläufe  stimmt. Wie gehen Sie damit um, müssen Sie Ihre Darstellung korrigieren?

Ich werde mich vor dem Untersuchungsausschuss äußern und bis dahin keine Stellungnahme abgeben.