Inzwischen scheint aber klar, dass die Spur nach Bayern führt. Hektisch verteidigt sich der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und musste doch einräumen, dass die Polizei des Landes das Spähprogramm 2009 bei Ermittlungsverfahren genutzt hat. Er weist alle Schuld von sich. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagt: „Der bayerische Innenminister trägt die Verantwortung für die Verletzung von Grundrechten der Bürger und eine offene Missachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es ist unanständig, wenn er nun versucht, der FDP oder dem Chaos Computer Club die Schuld in die Schuhe zu schieben.“ Oppermann konstatiert, dass der Chaos Computer Club „staatstragender und grundrechtsschützender als die Staatspartei CSU mit ihrem Staatstrojaner“ sei. Schließlich sei es das Verdienst des Clubs, dass der Grundrechtsverstoß an die Öffentlichkeit gelangt ist. Oppermann: „Erlaubt ist nicht, was funktioniert, sondern was den gesetzlichen Regeln und Vorgaben des Verfassungsgerichts entspricht.“ Die SPD-Bundestagsfraktion wird im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu dem Thema beantragen. Denn, so Oppermann, auch Bundesinnenminister Friedrich (CSU) müsse „den Sachverhalt umfassend aufklären.“

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz fordert personelle Konsequenzen, sollte Bayern mit den so genannten Staatstrojanern gegen geltendes Recht verstoßen haben: „Darüber hinaus müssen die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts eingehalten werden, und schließlich muss die Software missbrauchssicher sein.“ Wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, „dann hat Bayern ein großes Problem an der Backe", sagt Wiefelspütz. Er hat beantragt, über das Thema am kommenden Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages zu beraten.

„Sollten sich die Behauptungen des Chaos Computer Clubs zu Existenz, Fähigkeiten und Einsatz des Bundestrojaners bewahrheiten, dann geschieht der Einsatz dieser Software nicht im Einklang mit bestehenden Gesetzen und eindeutigen verfassungsrechtlichen Vorgaben", sagt Burkhard Lischka, rechtspolitischer Specher der Fraktion zu den Vorgängen.

Die Dimension der damit verbundenen Grundrechtseingriffe sei noch gar nicht abschätzbar. Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der Fraktion, ergänzt: „Stellt sich zudem heraus, dass die Spionagesoftware schlecht geschützt ist, kann sie von anderen Hackern genutzt werden. Die Konsequenzen wären unkalkulierbar und müssen jetzt rasch und umfassend aufgearbeitet werden.“

Aufklärung vor den Ausschüssen

Die SPD-Fraktion fordert darum die Bundesregierung auf, die zuständigen Ausschüsse des Bundestages unverzüglich und lückenlos darüber zu informieren, ob und wenn ja, von wem der Bundestrojaner zu welchem Zweck eingesetzt wurde, wer die finanziellen Ressourcen hierfür zur Verfügung gestellt hat und wer die politische Verantwortung für den Einsatz trägt. Sollte das nicht geschehen, ist auch die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht ausgeschlossen.

Statt zügig Licht ins technische Dunkel zu bringen, streitet die Regierungskoalition erst einmal wieder: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte am Dienstag einen besseren Schutz der Privatsphäre. Dagegen warf der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), der Ministerin vor, sie schicke die Ermittler scheinheilig in eine rechtliche Grauzone. Konflikte statt Kontrolle.

Klare Vorgaben durch das Gesetz

„Wir werden bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses lückenlose Aufklärung fordern“, verspricht Christine Lambrecht, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, und ergänzt: „Wir wollen auch wissen, was mit den gegebenenfalls rechtswidrig erhobenen Daten passiert ist und für welche Zwecke sie verwendet wurden.“

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung im Jahre 2008 wurden klare Vorgaben gesetzt. Die Abrufung aller Kommunikationsvorgänge sollte eben nicht möglich, sondern auf die laufende Kommunikation begrenzt sein. Zudem müssen technische Vorkehrungen getroffen werden, diese Begrenzung zu sichern. Wurde nun Spionagesoftware wirklich eingesetzt, die über die Überwachung von laufender Kommunikation hinaus ging, wäre das ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und klar verfassungswidrig. Die Bundesregierung ist dringend aufgefordert, die Einhaltung der Gesetze zu gewährleisten.