Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung weiter zu verbessern. Einige unserer wesentlichen Vorschläge haben wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen als konkrete Gesetzesvorhaben vereinbart. Jetzt setzen wir diese Vorhaben Schritt für Schritt um.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist ein wichtiges Anliegen, über das wir hier heute beraten. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung weiter zu verbessern. Darum haben wir bereits im Herbst 2011 einen umfassenden Antrag mit konkreten Vorschlägen unter einer ähnlichen Überschrift auf den Weg gebracht: „UN-Konvention jetzt umsetzen Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen. Einige wesentliche Vorschläge daraus haben wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen als konkrete Gesetzesvorhaben vereinbart. Jetzt setzen wir diese Vorhaben Schritt für Schritt um. So ist ein modernes Bundesteilhabegesetz in Vorbereitung. Ein Referentenentwurf für das Präventionsgesetz liegt dem Parlament bereits vor. Weitere zentrale Punkte des heute vorgelegten Antrags werden in einem zweiten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das bereits in der parlamentarischen Beratung ist, tatsächlich direkt angegangen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig unzulänglich, größtenteils!)

Insofern freuen wir uns durchaus darüber, dass Sie uns als Grünenfraktion in diesem Vorhaben mit Ihrem heutigen Antrag unterstützen, den Sie am Ende der letzten Legislaturperiode fast wortgleich schon einmal gestellt haben. In den Artikeln 25 und 26 der UN-Behindertenrechtskonvention werden volle Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung in unserem Gesundheitssystem gefordert. Sie fordern einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Leistungen sowie angepasste Beratungs-, Hilfs- und Betreuungsstrukturen. Das ist tatsächlich noch immer eine große Herausforderung und Aufgabe vor allem für alle handelnden Akteure im Gesundheitswesen und eben nicht nur, Frau Wöllert, für die Politik , für Ärzte und Krankenhäuser, für Leistungserbringer, aber eben auch für die Kranken- und Pflegekassen. Da haben Sie als Grüne mit Ihrem Antrag durchaus den Finger in die richtige Wunde gelegt. Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung brauchen Ärzte und Therapeuten verschiedener Fachdisziplinen, die erfahren sind im Umgang mit deren speziellen Bedarfen und den jeweils individuellen Anforderungen auch in der Kommunikation. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein solches Angebot der koordinierten und integrierten Versorgung mit den etablierten sozialpädiatrischen Zentren. Komplexe Bedarfslagen enden jedoch nicht mit der Volljährigkeit, sondern erfordern weiterhin ein spezialisiertes Versorgungsangebot. Aus dieser Erkenntnis heraus werden wir im Versorgungsstärkungsgesetz die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass auch erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerer Mehrfachbehinderung zukünftig in sogenannten medizinischen Behandlungszentren ein auf sie abgestimmtes Versorgungsangebot erhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Entsprechend qualifizierte multiprofessionelle Teams können in solchen medizinischen Behandlungszentren individuell auf jeden einzelnen Menschen in seiner speziellen Situation eingehen. Gleichzeitig sollen die Fachkräfte dort aber auch eine Lotsenfunktion übernehmen, damit Menschen mit geistiger Behinderung wo immer möglich die in der Region vorhandenen fach- ärztlichen und psychotherapeutischen Regelangebote adäquat nutzen können. Auch das Entlassmanagement in Krankenhäusern und damit der Übergang in die ambulante Versorgung wird mit dem Versorgungsstärkungsgesetz verbessert. Ich möchte dazu ein kurzes ermutigendes Beispiel aus der Praxis aus Stuttgart erzählen. Dort ist eine Kooperation zwischen Krankenhäusern und Fachleuten der Behindertenhilfe auf den Weg gebracht worden. So haben das Diakonieklinikum Stuttgart und das Behindertenzentrum Stuttgart aktuell eine Vereinbarung zur besseren Versorgung von Menschen mit Behinderung miteinander geschlossen. Zukünftig wird es am dortigen Klinikum einen Beauftragten für die Belange der Patienten mit Behinderung sowie einen regelmäßigen Austausch der Mitarbeiter beider Einrichtungen und vor allem auch Fortbildungen für Ärzte und Pflegekräfte geben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Diese beiden Partner leisten diesen Mehraufwand zunächst auf eigene Kosten, weil sie zeigen wollen, wie es gehen kann. Ich finde, das ist ein gutes Vorbild, das uns Denkanstöße für strukturelle Lösungen liefern kann. Bisher noch nicht im Versorgungsstärkungsgesetz, aber doch in unserem Bewusstsein verankert, ist die Notwendigkeit der besseren Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V. So ist zwar heute bereits geregelt, dass Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder an sonst einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohngruppen, in Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf Behandlungspflege als Leistung der Krankenkasse erhalten. Außen vor aber sind jene Menschen mit Behinderung, die ihren Lebensmittelpunkt in einer stationären Einrichtung haben. Hier wird die Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege von den Krankenkassen in der Regel abgelehnt und auf die Leistungen der Eingliederungshilfe verwiesen, die ja auch Pflege umfasst. Aber medizinische Behandlungspflege ist keine Leistung der Eingliederungshilfe und wird deshalb auch nicht durch die Vergütungen der Eingliederungshilfe finanziert. Hier braucht es, wie Sie zu Recht in Ihrem Antrag angesprochen haben, dringend eine gesetzliche Klarstellung. Mit diesen Schnittstellenproblemen werden wir uns weiter beschäftigen und einen Lösungsvorschlag erarbeiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zuversichtlich bin ich zudem, dass wir weitere Schritte zur Umsetzung der Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention im Rahmen der zweiten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes gehen können. Denn mit der Einführung des teilhabeorientierten Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden die Barrieren zwischen den Sozialgesetzbüchern zumindest ein Stückchen kleiner. Damit werden die Chancen größer, unser Hilfesystem durchlässiger zu machen. Ich denke, es wird vielleicht auch ein wenig der Boden gelockert, auf dem das noch zarte Pflänzchen eines modernen Teilhabegesetzes in möglichst naher Zukunft seinen Wurzelgrund finden kann. Insofern danke für den Antrag. Wir hoffen auf Ihre konstruktiv-kritische Begleitung der anstehenden Gesetze und auf Ihre Zustimmung zu diesen Maßnahmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)