Lars spricht im Deutschen Bundestag am 19. Oktober in der aktuellen Stunde zum Bundestrojaner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Uhl, ich habe gerade kurz überlegt, ob ich auf Ihren Redebeitrag eingehe.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Warum nicht?)

Ich glaube, ich lasse es lieber. Er wird an anderer Stelle ausreichend kommentiert werden. Ich will Ihnen aber versichern: Es wird ein Innenpolitiker der SPD reden, es
wird ein Rechtspolitiker der SPD reden, die Fraktionsspitze hat geredet, und jetzt redet ein Netzpolitiker.

(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Sieht man so aus, wenn man Netzpolitiker ist?)

Ich hätte mir übrigens gewünscht, auch die Union hätte heute einen Netzpolitiker reden lassen. Ich sage Ihnen: Dann hätten Sie in Ihrer Fraktion viel lernen können.

(Beifall bei der SPD)

 

 

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Sehr geehrte Damen und Herren, vor über einer Woche hat der Chaos Computer Club seine Erkenntnisse über den Bundestrojaner veröffentlicht. Er hat aufgezeigt, dass offensichtlich von staatlichen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung in Computer eingegriffen wurde und dass die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 gesetzt hat, dabei deutlich überschritten wurden.

(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Quatsch! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Woher wissen
Sie das? Das ist doch einfach unwahr! Sie hätten mal im Innenausschuss den BKA-Präsidenten Ziercke hören müssen!)

– Den Rechtsstaat brüllt man nicht herbei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Beifall bei der SPD)

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat wird durch eine solche Aktion angekratzt. Anstatt in den zuständigen Ausschüssen, in der Fragestunde und auch hier in der Aktuellen Stunde schnell, unverzüglich und umfangreich Aufklärung zu leisten, laviert diese Regierung; sie versteckt sich hinter fadenscheinigen Erklärungen und widerspricht sich dabei am laufenden Band. Ich sage Ihnen: Diese Regierung trägt dazu bei, dass der öffentliche Vertrauensverlust in staatliches Handeln unvermindert weitergeht.

(Beifall bei der SPD – Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Durch Ihre Rede hier in der Aktuellen
Stunde!)

Der Bundesinnenminister – Anmerkung: der Verfassungsminister – gab in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein bemerkenswertes Interview, in dem er, auf die Veröffentlichung des Chaos Computer Clubs angesprochen, sagte – ich zitiere –:

Der CCC hat nichts aufgeklärt, sondern dem Chaos in seinem Namen alle Ehre gemacht.

Ich hätte mir gewünscht, der Minister wäre jetzt hier. Ich will Ihnen eines sagen: Wenn man die Verantwortung für die Trojaner weit von sich weist, wenn man zunächst von einer unklaren Rechtslage spricht und diese dann doch als gegeben ansieht und wenn man dann sogar die Nachladefunktion, die eine Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen darstellt, gutheißt, dann ist es einzig und allein die schwarz-gelbe Regierung, die den Titel „Chaos Club“ mit Leben füllt – und niemand anderes.

(Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Sie wissen gar nicht, wovon Sie
reden!)

Ich will für meine Fraktion eines ganz deutlich sagen: Es ist dem Chaos Computer Club zu danken, dass wir diese Debatte heute hier öffentlich führen können. Hier wurden Kontrolle und Aufklärung geleistet, die ich mir von staatlichen Stellen gewünscht hätte. Deswegen ist Dank und keine Beschimpfung angebracht.

(Beifall bei der SPD – Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Komisches Rechtsverständnis! –
Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Peinlich!)

Das Internet bietet die riesige Chance, staatliches Handeln transparenter zu machen und die Bürgerinnen und Bürger viel stärker in politische Prozesse einzubinden. Ich bin mir sicher, dass das Vertrauen der Menschen in den Staat gerade durch das Instrument des Internets gestärkt werden kann. Wir wissen aber auch, dass das Internet Herausforderungen und Risiken mit sich bringt. Wir müssen die Herausforderungen sorgfältig diskutieren und immer eine Abwägung zwischen den individuellen Freiheitsrechten und den berechtigten und notwendigen Sicherheitsinteressen treffen. In einer Sache müssten wir uns aber doch einig sein: Wenn wir in die Persönlichkeitsrechte die Bürgerinnen und Bürger eingreifen, dann muss technisch, rechtlich und auch politisch die Kontrolle sichergestellt sein. Was wir hier mit der schwarz-gelben Regierung erleben, ist die Offenbarung eines Kontrollverlustes in technischer, rechtlicher und politischer Hinsicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –
Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Kann es sein, dass Sie keine Ahnung haben?)

Ich zitiere aus einer Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema Onlinedurchsuchung.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das hat doch mit dem Thema nichts zu tun! Den Unterschied zwischen Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ muss man schon kennen! Das ist ja eine Offenbarung! – Beatrix Philipp [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Wir haben den Bundesinnenminister gefragt: Wer berät sachverständig die Sicherheitsbehörden und das Bundesinnenministerium bei der Konfiguration von Onlinedurchsuchungen? Die Antwort des Innenministeriums besteht aus einem Satz:

Die Sicherheitsbehörden und das Bundesministerium des Innern verfügen grundsätzlich über genügend Sachverstand.

Was wir erleben und heute hören, ist doch, dass kein ausreichender Sachverstand vorhanden ist. Es wird über die Zuverlässigkeit diskutiert, und heute hören wir, dass
der Quellcode nicht bekannt war, dass man also Instrumente eingesetzt hat, von denen nicht bekannt war, was sie können. Ich sage Ihnen: Hier wird staatliches Vertrauen gefährdet. Sie haben die Katze im Sack gekauft. Sie wussten nicht, was Sie tun. Ich erwarte von einer Regierung, dass sie hier jederzeit öffentlich Verantwortung übernehmen und darüber aufklären kann, was sie tut. Der Staatssekretär hat vorhin in der Fragestunde auf die Frage, ob man die Vergangenheit von DigiTask kenne, geantwortet: Das DigiTask von heute ist nicht mehr das von früher. Ich sage Ihnen: Hierdurch geht weiter Vertrauen in staatliches Handeln verloren.

(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Er hat aber recht!)

Ich wünsche mir, dass wir die neuesten Erkenntnisse nutzen, um noch einmal über die Verhältnismäßigkeit solcher Instrumente zu diskutieren. Ich kann den Kollegen von der Union nur empfehlen, die Aussagen von Peter Altmaier – mittlerweile ist er da – in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom letzten Freitag zu lesen. Ich glaube, hier kann man viel lernen. Ich wünschte mir, in dieser Diskussion würde seitens der Union weniger Uhl und mehr Altmaier herrschen. Ich glaube, dann kämen wir zu einer vernünftigen Debatte, die wir dringend brauchen.

Danke für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: In jeder Fraktion gibt es einen Piraten!)