Dies sollte jedoch kein Grund sein, bei den Anstrengungen rund um die Elektromobilität nachzulassen – im Gegenteil. Sie ermöglicht Umweltfreundlichkeit neuer Qualität, vorausgesetzt man greift auf grünen Strom zurück. Elektromobilität lässt Lärm und Abgase verschwinden. In der Verschränkung von Automobil und Energie liegen zudem neue Potenziale für die dezentrale Energiespeicherung. Es geht aber auch um die Frage, ob sich der Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb um Innovationen behaupten wird: Wie kann Deutschland zu dem Leitmarkt für Elektromobilität werden?
In Asien und Amerika wirken die Ziele konkreter und trotzdem nicht weniger ehrgeizig: Innenstädte abgasfrei, öffentliche Wagenparks komplett elektromobil. Mit Milliardenbeträgen wird die Grundlagenforschung angetrieben, die öffentliche Hand zum Kauf animiert, der Kunde mit Prämien geködert. Und in Europa? Die meisten Elektroautos fahren nicht im Land von Carl Benz und Gottlieb Daimler, sondern auf einem Gebiet fern der automobilen Produktionsstätten: in Norwegen. Hier rollen rund 11.000 Stromer über die Straßen, bei insgesamt 2,4 Millionen Pkw. In Deutschland sind es gerade einmal 8.000 E-Mobile bei mehr als 43 Millionen Fahrzeugen. Zu den Gründen für die norwegische Elektrisierung gehören enorme Anreize für den Kunden, wie Mehrwertsteuererlass, Befreiung von Zollgebühren und das kostenfreie Parken im ganzen Land.
16 elektrifizierte Fahrzeugmodelle
An Modellen mangelt es der Elektromobilität inzwischen kaum mehr. Laut VDA wollen allein die deutschen Autobauer bis 2014 16 elektrifizierte Fahrzeugmodelle auf den Markt bringen. Dabei scheint die Industrie auf einem guten Weg zu sein. Bei der IAA in Frankfurt ist für jeden Nutzer etwas dabei: vom Elektrosmart für den Großstadtsingle, e-Golf und Opel Ampera für die Kleinfamilie bis zum BMW i8 für den Sportwagenfahrer. Wie aber können mehr Elektrofahrzeuge von den Ausstellungsflächen auf die Straße gebracht werden? Drei große Hürden gilt es nach wie vor zu überwinden: die höheren Kosten für den Konsumenten im Vergleich zu den konventionell betriebenen Fahrzeugen, die noch unzureichende Ladeinfrastruktur und die CO2-Bilanz, die erst dann positiv ausfällt, wenn Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird.
Die hohen Preise für Elektrofahrzeuge dürften das größte Hemmnis sein. In einem Land, in dem rund 50 Prozent des Pkw-Absatzes an gewerbliche Halter erfolgt, sollte vor allem bei den Fuhrparks von kleinen und mittleren Betrieben angesetzt werden. Es ist mir unerklärlich, warum der Bundeswirtschaftsminister keine Initiative gestartet hat, den mittelständischen Betrieben besonders verbrauchsarme Fahrzeuge schmackhaft zu machen. Ein entsprechendes Förderprogramm der bundeseigenen KfW-Bank ist kaum bekannt. Allein daran, dass sich die Förderung von besonders energieeffizienten Fahrzeugen unter dem Titel "KfW-Umweltprogramm" versteckt, wird das nicht liegen. Dass es insgesamt einer stärkeren Förderung bedarf, zeigt auch der letzte Bericht der „Nationalen Plattform Elektromobilität“. Zu den Kernpunkten eines Maßnahmenprogramms gehört die Forderung nach „zinsgünstigen Krediten der KfW“. Die Idee: Ein privater Käufer finanziert ein Elektrofahrzeug für bis zu 30.000 Euro zu einem Kreditzins von 2,5 Prozent. Die gute Nachricht für den Staat lautet: Die KfW könnte eine solche Kreditverbilligung aus eigener Kraft stemmen, Geld aus dem Bundeshaushalt wäre nicht vonnöten.
Befreiung von Parkgebühren für Elektrofahrzeuge
Um Elektroautos zu fördern, müssen aber endlich auch Alltags-Anreize für die Verbraucher gesetzt werden. Auf den Elektromobilitätsgipfeln der Bundesregierung wurde diese Möglichkeit immer wieder diskutiert – konkrete Ergebnisse: Fehlanzeige. Der Bundesrat will dies nun ändern. An diesem Freitag bringt Hamburg dazu Vorschläge ein, zum Beispiel die Befreiung von Parkgebühren für Elektrofahrzeuge im gesamten Stadtgebiet. Daneben geht es um die rechtliche Absicherung von Parkplätzen an Ladesäulen, die Elektroautos vorbehalten sind. Das ist hoffentlich auch ein Beitrag zum Ausbau der Ladeinfrastruktur, denn bislang beißt sich die Katze hier in den Schwanz: Ohne E-Tankstellen verkaufen sich die Stromer schlechter, und ohne eine wachsende Zahl von Elektromobilen rechnet sich auch das Geschäft mit den Ladestationen nicht. Der Ausstieg von Siemens aus dem Ladesäulenbereich ist dafür ein besorgniserregender Beleg.
Bliebe das Defizit, dass Elektromobilität als Teil der Energiewende kaum mehr eine Rolle spielt. Gerade die frühzeitigen Nutzer der Elektromobilität – die „Early Adopters“ –, die auch bereit sind, etwas mehr für ein Neufahrzeug auszugeben, achten auf die Ökobilanz. Es wird darauf ankommen, die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen und den Aufbau von erneuerbaren Energien besser zu synchronisieren. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass konventionelle Antriebe ihre Berechtigung haben werden, so lange wir Strom aus fossilen Energieträgern beziehen. Die Entwicklung von energieeffizienteren Antrieben sollten dabei nicht nur den Automobilkonzernen überlassen werden. Spricht man mit Ingenieuren von kleinen und mittleren Betrieben, hört man unisono: Die Förderprogramme, namentlich die hochdotierten Schaufensterprojekte, seien nahezu ausschließlich auf die Großen der Automobilbranche ausgerichtet. Die ebenso Kreativen in den mittelständischen Unternehmen gehen regelmäßig leer aus. So bleiben wertvolle Impulse auf der Strecke.
Während die noch amtierende Bundesregierung Schaufensterpolitik betreibt und über Zahlen fabuliert, verharren wichtige Instrumente ungenutzt. Dabei liegen die Lösungen sozusagen auf der Straße.