Die SPD ist jetzt fast ein Jahr zurück in der Regierung - und doch profitiert die Partei davon nicht. Wie kommen Sie aus dem Umfragetief heraus?
Oppermann: Die SPD macht sehr gute Arbeit in der Regierung. Wir setzen um, was wir gefordert und versprochen haben. Durch kontinuierliches und erfolgreiches Regieren gewinnen wir jetzt das Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern zurück. Damit kommen wir dann auch wieder über 30 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl.
Der letzte Koalitionsgipfel war geprägt von Harmonie. So bleibt die SPD auf Dauer im Schatten von Kanzlerin und Union, oder?
Es geht nicht um Harmonie, sondern um konstruktive Zusammenarbeit und gute Ergebnisse. Die SPD will den Erfolg dieser Koalition.
Die Aufträge der Industrie gehen zurück, die Konsumfreude wird schwächer, Wirtschaftsexperten warnen - ist die Aufschwungparty jetzt vorüber?
Natürlich belasten die internationalen Krisen auch unsere Wirtschaft. Die Sanktionen gegen Russland greifen. Das spüren auch unsere Unternehmen. In vielen Schwellenländern hat sich das Wachstum verlangsamt. Auch das belastet unsere Exportwirtschaft. Wir dürfen aber nicht die Situation schlechter reden als sie ist. Die Institute erwarten für Deutschland in diesem Jahr immer noch ein Wachstum von mehr als einem Prozent.
Wäre es jetzt nicht - wie vom Internationalen Währungsfonds gefordert - Zeit für ein Konjunkturprogramm?
Was wir jetzt brauchen, sind Anreize und Impulse für mehr private Investitionen. Aber auch die öffentliche Hand muss ihre Hausaufgaben machen. Wir müssen mit der Modernisierung der Infrastruktur vorankommen. Deutschland hat zu lange von der Substanz gelebt. Im Übrigen hilft es der Wirtschaft, wenn wir sie von überflüssiger Bürokratie entlasten.
Jetzt aber mal bitte konkret: Welche Maßnahmen für mehr Wachstum wird Schwarz-Rot noch in diesem Jahr auf den Weg bringen?
Wir haben bereits für größere Binnennachfrage gesorgt, etwa durch den Mindestlohn, der ab 2015 Milliarden an zusätzlicher Kaufkraft generiert. Außerdem wird es im nächsten Jahr eine Absenkung des Rentenbeitrags geben. 0,3 Prozentpunkte sind möglich und würden Arbeitnehmer und Unternehmen spürbar entlasten. Ende November wissen wir mehr. Die Überschüsse in der gesetzlichen Rentenversicherung steigen weiter an. Das zeigt, wie robust unser Arbeitsmarkt immer noch ist.
Thema Außenpolitik: Hinter den Kulissen laufen offenbar die Vorbereitungen für zwei neue Bundeswehr-Einsätze - im Nordirak und in der Ukraine. Kann Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dabei auf Unterstützung der SPD setzen?
Die Bundeswehr muss sich zunächst auf die laufenden Einsätze und die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen konzentrieren. Weder die Ausbildungsmission im Irak noch die OSZE-Beobachtungsmission mit Drohnen in der Ukraine sind in einem entscheidungsfähigen Stadium. Wir werden das dann diskutieren, wenn es abgestimmte Vorschläge gibt.
Immer neue Hiobsbotschaften von der Bundeswehr: Bekommt von der Leyen die Probleme noch in den Griff?
Frau von der Leyen hat sich einen Überblick über den katastrophalen Zustand bei der Ausrüstung bei der Bundeswehr verschafft. Nach zehn Monaten im Amt können ihr diese gravierenden Mängel nicht angelastet werden. Sie wird jetzt die Probleme schnellstmöglich abstellen und die Bundeswehr fit für die Zukunft machen.
Muss sich Deutschland darauf einstellen, mehr Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufzunehmen?
Die Bilder aus der Region erfüllen mich mit großer Sorge. Im Winter droht eine humanitäre Katastrophe. Wir müssen uns auf mehr Flüchtlinge in Europa und Deutschland einstellen. Ich erwarte, dass sich Europas Mitgliedstaaten schnell auf eine Verteilung der Flüchtlinge nach Quoten verständigen. Es kann nicht sein, dass sich einigen Länder hier entziehen und die anderen dafür mehr leisten müssen.
Fordern Sie ein Eingreifen der Türkei mit Bodentruppen?
Ich bin froh, dass die internationale Gemeinschaft eine militärische und politische Allianz gegen die ISIS-Terroristen zustande gebracht hat. Allerdings wünsche ich mir, dass sich die türkische Regierung in die Bemühungen gegen ISIS einreiht. Ich finde die abwartende Haltung der Türkei beschämend.
Kurden gegen Islamisten, Muslime gegen Jesiden - wie lange kann der Staat noch hinnehmen, dass der Krieg jetzt auch auf Deutschlands Straßen und Plätzen ausgetragen wird?
Wir wollen keine Stellvertreterkriege in deutschen Städten. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen der letzten Tage können nicht geduldet werden. Gegen dschihadistische Umtriebe bei uns müssen wir mit aller Härte des Rechtsstaats vorgehen. Es darf nicht sein, dass junge Menschen hier aufgestachelt werden, im Ausland eine Ausbildung an Waffen erhalten und dann als Terroristen zurückkehren.