Herr Steinmeier, welches Handy benutzen Sie?
Ein Modell der Firma mit dem angebissenen Obst.
Der US-Geheimdienst NSA hat das Handy von Kanzlerin Angela Merkel und anderer Spitzenpolitiker abgehört. Standen Sie auch auf der Lauschliste?
Ach, Fraktionsvorsitzende sind da nicht wichtig genug… (lacht). Aber es geht auch nicht um mich, sondern um die Frage, ob große Teile der politischen Führung unseres Landes von Freunden systematisch abgehört worden sind.
Die Enthüllungen von Edward Snowden sprechen jedenfalls dafür. Der Grünen-Politiker Ströbele will ihn als Zeugen nach Deutschland holen. Halten Sie das für richtig?
Sicher kann Herr Snowden zur Aufklärung beitragen. In welcher Form das geschieht, muss das Parlamentarische Kontrollgremium klären.
Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde seit 2002 ausgespäht, nachdem er eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg abgelehnt hatte. Sie waren damals Kanzleramtschef. Hatten Sie eine Ahnung davon, dass Ihr Kanzler ausspioniert wurde?
Nein. Wir waren unmittelbar nach den Anschlägen am 11. September 2001 in New York zwar extrem vorsichtig, weil wir befürchten mussten, dass sich ähnlich terroristische Attentate auch in Europa ereignen könnten und niemand die Gefahr islamistischer Terrornetzwerke einschätzen konnte. Aber wir haben uns zu schützen versucht vor möglichen Gegnern und Angreifern selbstverständlich nicht vor Freunden und Bündnispartnern.
Nach meiner Erinnerung waren die Amerikaner im Streit um den Irak-Krieg ungewöhnlich gut unterrichtet über die Haltungen der SPD und der Bundesregierung und über die Gründe für unsere Ablehnung. Aber das kann auch auf der Analysearbeit gut vernetzter Botschaftsmitarbeiter beruhen und muss nicht zwingend Ergebnis technisch gestützter Ausspähungen gewesen sein.
Wurden Sie von den deutschen Diensten gewarnt?
Nicht im Zusammenhang mit dem Irakkrieg, aber nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center und dem Wissen darum, dass Anschläge auf Deutschland verabredet worden sind -. Damals wurden Politiker, die für die Sicherheit Deutschlands verantwortlich waren, mit Krypto-Handy ausgestattet. Ich habe das auch benutzt, allerding nur in der Phase höchster Gefahrenstufe, weil die Handhabung sehr umständlich war. Danach habe ich das Krypto-Handy wieder weggelegt und versuchtgrößere Gespräche über Festnetz oder persönlich zu führen. Am Handy mit ungeschützten Verbindungen habe ich zumindest versucht, mich zu disziplinieren.
Gibt es in Zeiten von Smartphones und Internet überhaupt noch sichere Kommunikation oder ist das eine Illusion aus der analogen Welt?
Mit der Ausweitung der Handy-Kommunikation ist kompletter Schutz nahezu unmöglich geworden. Doch Sicherheit ist nicht nur eine technologische Kategorie. Kryptierte Gespräche sind sicherer als andere, aber auch sie können belauscht werden. Deshalb müssen wir zurückfinden zu einem Verständnis, das früher zwischen Staaten galt: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist rechtlich und politisch erlaubt, geschweige denn politisch klug. Ich glaube das müssen auch unsere amerikanischen Freunde einsehen.
Sind die USA nach der Spähaffäre noch unsere Freunde?
Wenn über Jahre hinweg höchste Regierungsstellen bis hin zum Kanzler abgehört worden sind, ist dies ein schwer wiegender Vertrauensbruch. Eine Rechtfertigung dafür gibt es nicht. Der Vertrauensbruch wäre um so schlimmer, wenn die politische Führung in Washington davon gewusst haben und die dabei gewonnenen Erkenntnisse genutzt haben sollte. Ich hoffe daher sehr, dass dies nicht der Fall war.
Innenminister Friedrich bezeichnet das Ausspähen der Kanzlerin als Straftat und will der Spionage verdächtige US-Diplomaten ausweisen. Wie realistisch ist das?
Die USA sind ein enger Verbündeter. Deswegen sollte jede Maßnahme, die das Verhältnis noch weiter belasten könnte, gut überlegt sein. Doch sollte sich herausstellen, dass einzelne Personen unter diplomatischem Schutz zur Ausspionierung geheimster Regierungskommunikation betätigt haben, sind rechtliche Schritte unvermeidbar.
Deutschland ist der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Ist das eine gute Nachricht?
Die Nachricht besorgt viele und ist für uns Anlass, mit der Union über Rüstungsexporte zu verhandeln. Die SPD verlangt mehr Transparenz und frühzeitige Information des Parlaments. Wir brauchen künftig ein Parlamentsgremium, das über die deutschen Rüstungsexporte von der Bundesregierung zeitnah zu den Entscheidungen unterrichtet wird. Je mehr Öffentlichkeit und Kontrolle es bei Waffenlieferungen gibt, desto zurückhaltender werden diese genehmigt.
In welche Länder dürfen keine Waffen mehr geliefert werden?
Es geht nicht um ein einzelnes Land; entscheidend ist die Frage, ob der Zielort eines Waffenexports in einem Spannungsgebiet liegt. Und die Beantwortung dieser Frage verändert sich doch mit den Veränderungen in der Welt. Gerade mit Blick auf die gewachsenen außenpolitischen Spannungen in Teilen der arabischen Welt, Nordafrika und der Nachbarschaft Israels bin ich für eine Überprüfung deutschen Exportpraxis und die Rückkehr zu einer verbindlichen Orientierung an den Richtlinien für den Rüstungsexport.
Nach Angaben der EU-Kommission ist unter bestimmten Voraussetzungen eine PKW-Maut für Ausländer mit europäischem Recht vereinbar. Kommt jetzt die Autobahngebühr?
Ich finde es unverantwortlich, dass ein EU-Kommissar seine Einzelmeinung mitten in die Koalitionsverhandlungen platzen lässt und fast erwartungsgemäß der Kommissionspräsident gleich am nächsten Tag widerspricht. Die SPD lehnt weiterhin jede Straßennutzungsgebühr ab, die private Autofahrer zusätzlich belastet. Und die CSU hat bisher kein Konzept vorgelegt, wie sie das glaubwürdig ausschließen kann.Ganz abgesehen davon, dass die Einnahmen, der nur von Ausländern entrichteten Autobahnmaut mit Blick auf den notwendigen Kontroll- und Managementaufwand systematisch überschätzt werden.
SPD und Union machen derzeit vor allem durch neue Ausgaben von sich reden. Statt den Rentenbeitrag zu senken, wollen sie das Geld für neue Wohltaten für die Rentner ausgeben...
Es geht nicht um Wohltaten, sondern um die Beseitigung von Ungerechtigkeiten. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Menschen Hungerlöhne bekommen und ergänzende Stütze vom Staat beantragen müssen oder wenn sie trotz jahrzehntelanger Arbeit bei der Rente nicht über die Grundsicherung hinaus kommen. Deshalb brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn, der übrigens erst einmal zu weniger Ausgaben und mehr Einnahmen bei den Sozialleistungen führt. Und wir müssen in der Rentenversicherung sicherstellen, dass sich Arbeit gerade für die langfristig Versicherten lohnt. Die Akzeptanz für ein Altersvorsorgesystem zu erhalten, das ist eine große Aufgabe. Und das verlangt Nachjustierung wo sich Ungerechtigkeiten zu Lasten einzelner Gruppen entwickeln. Dafür bekommt man keinen Beifall, aber es ist notwendig, wenn man das große Ganze erhalten will.
42,16 Millionen Menschen haben einen Job in Deutschland, mehr als jemals zuvor. Dennoch planen Sie zahlreiche Eingriffe in den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft – vom Mindestlohn über Frauenquote bis hin zu Beschränkung der Leih- und Zeitarbeit. Setzen Sie das Jobwunder aufs Spiel?
Absurde Frage! Ohne die SPD gäbe es kein Jobwunder in Deutschland. Es waren die Regierungsentscheidungen der SPD, die dazu geführt haben, dass die Arbeitslosigkeit drastisch zurückgegangen ist. Aber deshalb schauen wir nicht weg, wenn es im Einzelfall zu Missbrauch dieser Weichenstellungen kommt, etwa wenn ganze Stammbelegschaften durch billigere Leiharbeit ersetzt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass es keine weitere Verdrängung von Arbeitnehmern in niedrig bezahlte Werkverträge gibt.
Gibt es die Kanzlerwahl noch vor Weihnachten?
Noch sind wir mittendrin und wir sind in wichtigen Fragen noch weit auseinander. Aber: Es ist zu schaffen. Aber dann muss jeder Tag genutzt werden. Alle Beteiligten müssen das wissen. Es ist keine Zeit für Spielchen. Wir dürfen die Verhandlungen über die schwierigen Punkte nicht alle ans Ende stellen.
Es gibt Spekulationen, dass die Große Koalition die Zahl der Ministerien erhöhen könnte...
Die Notwendigkeit leuchtet mir noch nicht ein.
Sie werden immer wieder als Außenminister gehandelt. Juckt es Sie, wieder ins Regierungsflugzeug zu steigen und mitzumischen?
Netter Versuch! Gehandelt werden zur Zeit viele Personen für ganz unterschiedliche Aufgaben. Ich habe eine!
Was sollen Sie denn nach dem Willen Ihrer Frau künftig machen?
(lacht) … den Keller aufräumen.