Deutschland importiert rund 95 Prozent seines Gases. Vor Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine kam über die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Gases aus Russland (2021 im Mittel ca. 55 Prozent). Russland hat seine Lieferungen nach Deutschland und Europa in den letzten Monaten immer weiter eingeschränkt; aktuell erhält Deutschland kein Pipelinegas mehr aus Russland.
Bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn hat die Ampel-Koalition Schritte eingeleitet, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern und die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Gasimporte aus Russland wurden weitgehend kompensiert durch: Mehr Erdgaslieferungen aus Norwegen und den Niederlanden, zusätzliche Importe über Flüssiggas-Terminals (LNG) über Nordwest-Europa und eine verringerte Nachfrage nach Gas.
Die Bundesregierung ist außerdem im Austausch mit verschiedenen Ländern außerhalb Europas, um die Gasimporte weiter zu diversifizieren und neue Gas- und perspektivisch Wasserstoffpartnerschaften zu schließen.
Im Sommer wurde mit einem großen Gesetzespaket der massive Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglicht: Vor allem durch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wurden viele Hürden abgebaut. Auf lange Sicht geht es nämlich vor allem darum, unabhängig zu werden vom Import von Öl, Kohle und Gas und die erneuerbaren Energien auszubauen.
Die wichtigsten Maßnahmen:
1. Gasspeicher füllen
Deutschland hat 23 Gasspeicher mit einem Speichervolumen von 24 Milliarden Kubikmeter. Zu Beginn des Jahres war der Speicherstand in den Gasspeichern noch niedrig. Mit dem „Gasspeichergesetz“ hat die Bundesregierung dann sichergestellt, dass die deutschen Gasspeicher zu Beginn des Winters gefüllt sind.
Sie waren bereits Mitte Oktober zu 95 Prozent gefüllt, obwohl der Stichtag dafür erst der 1. November war. „Die gut gefüllten Speicher werden uns im Winter helfen“, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller.
Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit einen Puffer für den Gasmarkt.
2. Flüssiggas-Terminals bauen
Bislang erfolgt der überwiegende Anteil des Erdgas- Imports nach Deutschland über Pipelines. Doch Gas kann auch mit Schiffen nach Europa und Deutschland gebracht werden. Sie transportieren Gas in flüssiger Form, also als LNG (Liquified Natural Gas). In LNG- Terminals wird dieses Flüssiggas aus den Schiffen erst abgepumpt und dann erhitzt, sodass es wieder gasförmig wird. Danach kann es wieder in das Gasnetz eingespeist werden.
Da Deutschland zu Beginn des Krieges über keine eigenen LNG-Terminals verfügte, hat die Bundesregierung den schnellen Einsatz gleich mehrerer Terminals auf den Weg gebracht, über schnelle Verfahren zur Zulassung, der Errichtung und des Betriebs von schwimmenden Flüssiggasterminals, sowie für den Bau der erforderlichen Anbindungsleitungen zum Gasversorgungsnetz.
Vier schwimmende LNG-Terminals wurden bereits vom Bundeswirtschaftsministerium angemietet für den Einsatz in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade und Lubmin, die Errichtung dreier weiterer Terminals ist geplant. Zudem beabsichtigt der Bund, ein weiteres Flüssiggasterminal zu chartern, welches ab Ende 2023 in Wilhelmshaven betrieben werden soll. Außerdem ist die Errichtung eines schwimmenden LNG-Terminals in Lubmin durch ein privates Konsortium geplant.
Insgesamt entstehen so schrittweise bis Ende 2023 über 30 Milliarden Kubikmeter Importkapazität für Flüssiggas.
3. Erneuerbare Energien schneller ausbauen
Im Juli 2022 wurde die größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten beschlossen, die den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien vorgibt. Es soll deutlich mehr Solarenergie auf Dächern und Freiflächen geben und es sollen schneller neue Flächen für Windkraft erschlossen werden. Alle erneuerbaren Energien liegen nun im „überragenden öffentlichen Interesse“. Das beschleunigt die Genehmigungsverfahren enorm. Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch auf mindestens 80 Prozent steigen.
Um das neue Ausbauziel für Wind- und Solarenergie 2030 zu erreichen, werden die Ausschreibungsmengen für die Zeit bis 2028/29 erhöht. Zur Erreichung der EEG-Ausbauziele müssen zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Dies wird mit dem Wind-an-Land-Gesetz bis 2032 umgesetzt werden.
Außerdem ermöglichen Änderungen am Energiesicherungsgesetz die erhöhte Nutzung von erneuerbaren Energien. Dazu zählen unter anderem eine Ausweitung von Bioenergienutzung und mehr Auslastung von Windenergieanlagen durch verminderte Nachtabschaltungen.
4. Vorübergehend mehr Kohlekraftwerke einsetzen
Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden in Deutschland 13 Prozent des Stroms aus Erdgas erzeugt. 31,5 Prozent des Stroms wurde aus Kohle gewonnen (Zahlen aus dem 1. Quartal 2022).
Die Bundesregierung hat beschlossen, dort wo notwendig Gaskraftwerke durch Kohlekraftwerke zu ersetzen. Das erste zusätzliche Steinkohlekraftwerk liefert bereits Strom. Weitere werden folgen. Zudem soll die Verlängerung des Betriebs von Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen, die eigentlich stillgelegt werden sollten, bis 2024 gesetzgeberisch umgesetzt werden. Am Kohleausstieg bis 2030 wird festgehalten. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollen neue Gaskraftwerke gebaut werden, die Wasserstoff verbrennen können.
5. Atomkraftwerke laufen länger als geplant
Deutschland hat noch drei Atomkraftwerke (AKW), die Strom erzeugen: Isar 2 (Bayern), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen). Sie produzieren bislang etwa sechs Prozent der in Deutschland verbrauchten Strommenge.
Es war vorgesehen, dass diese Atomkraftwerke nach dem 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Zur Absicherung für den Winter 2022/2023 soll nun ein befristeter Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April 2023 ermöglicht werden. Damit werden zusätzliche Erzeugungskapazitäten im deutschen Stromnetz gehalten. Das ist ein positiver Beitrag zur Leistungsbilanz und Netzsicherheit.
6. Existenz der Versorgungsunternehmen sichern
Weil sie kein Gas mehr aus Russland beziehen können, müssen Versorgungsunternehmen kurzfristig Gas aus anderen Quellen und zu aktuellen Spotmarktpreisen beziehen, die teils sehr hoch sind. Die Unternehmen können diese Preise aber nicht unmittelbar weitergeben, weil sie vertraglich an günstige Verkaufspreise gebunden sind. Deshalb entstehen durch die Kosten für diese Ersatzbeschaffungen hohe Verluste bei den Versorgungsunternehmen, die diese nicht dauerhaft tragen können.
Am 21. September 2022 hat die Bundesregierung entschieden, 99 Prozent der Anteile an dem Unternehmen Uniper, Deutschlands größtem Gasimporteur, zu übernehmen. Damit wird eine klare Eigentümerstruktur geschaffen, um so Uniper und damit die Energieversorgung für Unternehmen, Stadtwerke und Verbraucher:innen zu sichern.
7. Erdölversorgung und den Standort Schwedt sichern
Auf der Grundlage des Energiesicherungsgesetzes hat die Bundesregierung die Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH (RNRM) unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Diese Unternehmen betreiben mehrere Raffinerien und führen jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung war, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr war. Zentrale kritische Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, waren nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit – weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern, RDG und RNRM, selbst.
Damit übernimmt die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg). Mit der Treuhandverwaltung wird der drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit begegnet und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt und die Zukunft des Standorts Schwedt gelegt.
8. Gas sparen
Alle EU-Mitgliedstaaten werden zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 ihre Gasnachfrage um mindestens 15 Prozent reduzieren (im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre). Das Ziel gilt zunächst freiwillig, kann bei weitreichenden Versorgungsengpässen aber verpflichtend gemacht werden.
Um seinem großen Anteil an energieintensiven Industrien Rechnung zu tragen, strebt Deutschland eine Einsparung von 20 Prozent an.
Außerdem soll ein Energieeffizienzgesetz auf den Weg gebracht werden, das konkrete Einsparziele vorsieht.