Die Mär von „Mehr Netto vom Brutto”, die die FDP den Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkampf versprach, wird ein weiteres Mal als Nettolüge entblößt. Denn die Gesundheitspolitik von Schwarz-Gelb kommt die gesetzlich Versicherten teuer zu stehen.

Seit dem Amtsantritt von Philipp Rösler sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um sechs Milliarden Euro bei unveränderten Leistungen gestiegen. Anstatt untätig zuzusehen wie sich die Klientel aus Ärzten, Apothekern und Parmakonzernen munter am GKV-Topf bedienen, hätten Schwarz-Gelb und ihr Gesundheitsminister bereits Ende 2009 die Kostenbremse ziehen können. Viel zu spät und nur auf Druck von Opposition, Gewerkschaften und Medien hat sich Rösler den Ausgaben zugewandt und halbherzige Sparvorschläge für den Arzneimittelbereich vorgelegt.

Rösler wollte eine einkommensunabhängige Kopfpauschale mit automatischem, steuerfinanziertem Sozialausgleich. Die Gesundheitskosten sollten von den Lohnkosten abgekoppelt und der Arbeitgeberanteil eingefroren werden. Der Gesundheitsminister schwafelte von einem sich selbst regulierendem System. Eine Regierungskommission, bestehend aus dem halben Kabinett, sollte dieses neue Gesundheitssystem entwickeln. Ergebnisse gab es keine. Offenbar bestand der Auftrag dieser Kommission darin, unattraktive Beschlüsse vor der NRW-Wahl zu verhindern. Mit Hilfe einer zweiten Koalitionsverhandlungsgruppe wurde auch noch die Zeit bis zur Bundespräsidentenwahl tatenlos vergeudet. Bei all diesen Verzögerungen wurde ein steigendes Defizit der GKV verbunden mit Zusatzbeiträgen und drohenden Kasseninsolvenzen bewusst in Kauf genommen.

Von Röslers Plänen ist nichts übrig geblieben. Minister und Koalition verkaufen jetzt die Erhöhung des Beitragssatzes von 14,9 Prozent auf 15,5 Prozent als Gesundheitsreform. Davon zahlen die Arbeitnehmer/innen künftig 8,2 Prozent und die Arbeitgeber 7,3 Prozent. Für diese Operation hätte eine schlichte Verordnung durch die Bundesregierung ausgereicht, die kurzfristig hätte umgesetzt werden können. Der Arbeitgeberanteil wird dauerhaft eingefroren. Der einst auf Druck der SPD eingeführte Ein-Prozent-Deckel bei den Zusatzbeiträgen entfällt. Die Kassen dürfen jetzt Kopfpauschalen in beliebiger Höhe erheben und die Koalition verbietet sogar eine gerechte prozentuale Erhebung.

Aber das ist noch nicht alles. Das Bundesversicherungsamt (BVA) soll jedes Jahr anhand des Kassendefizits eine durchschnittliche Kopfpauschale berechnen. Übersteigt diese vom BVA festgelegte Kopfpauschale zwei Prozent des individuellen sozialversicherungspflichtigen Einkommens, wird sie angeblich sozial ausgeglichen. Erhebt eine Kasse eine höhere Kopfpauschale, als die vom BVA berechnete, muss der/die Versicherte auch noch diesen Mehrbetrag alleine und ohne jeden Ausgleich bezahlen. Umsetzen sollen den Röslerschen Pseudo-Sozialausgleich Arbeitgeber und Rentenversicherung. Sie sollen nach Prüfung von jedem Einzelfall gegebenenfalls abgesenkte Arbeitnehmerbeiträge Richtung Gesundheitsfonds weiterleiten. Wie diese Prozedur z. B. bei ArbeitnehmerInnen mit schwankenden Einkommen, RentnerInnen mit verschiedenen Alterseinkünften oder Selbständigen funktionieren soll, bleibt im Nebel. Die reduzierten Arbeitnehmerbeiträge sollen über Steuermittel, die dem Fonds zufließen, ausgeglichen werden. Dafür seien laut Minister Rösler, man staune, keine Steuererhöhungen erforderlich. Auf jeden Fall wird durch dieses höchst komplizierte, fehler- und missbrauchsanfällige Verfahren ein aberwitziger Verwaltungsaufwand erzeugt. Die Folgen sind: Mehr Bürokratie und weniger Mittel für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Rede der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Elke Ferner in der Aktuellen Stunde zu den steigenden Beiträgen

 

Das heißt zusammengefasst: alle künftigen Steigerungen der Gesundheitskosten bleiben allein bei den Versicherten hängen. Insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sowie Rentnerinnen und Rentner zahlen die Zeche von Herrn Rösler. Die Abwicklung des sogenannten  Sozialausgleichs wird Arbeitgebern und Rentenversicherung aufs Auge gedrückt. Wieviel Steuergeld für diesen Pseudo-Sozialausgleich nötig ist und vor allem woher diese Mittel kommen sollen, das alles bleibt offen.

Mit diesem Vorhaben ist Minister Rösler vom Sicherheitsrisiko zum ernsten Störfall für das deutsche Sozialsystem geworden. Um Schaden abzuwenden, sollte er wenigstens eins seiner Versprechen umsetzen, seinen Rücktritt.

Rede von Carola Reimann in der Aktuellen Stunde zu den steigenden Beiträgen