Breite gesellschaftliche Akzeptanz für eine Neuregelung kann nur erreicht werden, wenn beides berücksichtigt wird: das Ziel der Förderung der Organspende und das Recht auf freie Entscheidung und Selbstbestimmung. Carola Reimann ist davon überzeugt, dass der vorliegende Gruppenantrag zur Entscheidungslösung beiden Anforderungen gerecht wird.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema Organspende und die Reform des Transplantationsgesetzes beschäftigen uns hier im Hause in den verschiedenen Gremien schon seit vielen Jahren. Für mich persönlich zählt die Organspende zu den Themen, die mich seit Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit begleiten, sowohl als Mitglied des Gesundheitsausschusses als auch in der Zeit der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“. Umso mehr freut es mich, dass es jetzt gelungen ist, einen Gesetzentwurf in erster Lesung zu beraten, der von einer breiten Mehrheit der Mitglieder aller Fraktionen getragen werden kann. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein starkes und positives Signal für die Förderung der Organspende in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Vertretern aller Fraktionen bedanken, die bei den nicht immer einfachen Gesprächen dieses wichtige gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verloren haben. Ich bin davon überzeugt, dass diese fraktionsübergreifende Einigung auch ein gutes Zeichen für die Politik insgesamt hier im Hause ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 

 

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Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen: Etwa 12 000 Menschen in Deutschland müssen auf ein passendes Organ warten. Viel zu viele sterben, weil ihnen kein Spenderorgan übertragen werden kann.

In den letzten Wochen und Monaten habe ich viele Zuschriften von Betroffenen erhalten und hatte auch die Gelegenheit, einige von ihnen persönlich zu sprechen. Da geht es nicht allein um Fakten und Zahlen, sondern um bewegende persönliche Schicksale, um Menschen, die schon seit vielen Jahren auf ein Organ warten, darunter auch Kinder. Für Betroffene wie Angehörige ist das eine extreme Belastung, die den Alltag und das Familienleben bestimmt. Sie alle verfolgen die gegenwärtige Debatte sicher sehr aufmerksam, und natürlich erwarten sie von uns, dass wir handeln und unseren Beitrag zur Förderung der Organspende leisten.

Uns erreichen aber auch andere Zuschriften. Es schreiben uns Menschen, die die Sorgen und die Not der Betroffenen verstehen, aber fürchten, dass ihre freie Entscheidung bei einer so sensiblen Frage in Gefahr ist. Dies sind Menschen, für die die Frage, ob sie Organe spenden, den intimsten Bereich ihrer menschlichen Selbstbestimmung berührt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

breite gesellschaftliche Akzeptanz für eine Neuregelung erreichen wir nur, wenn wir beides berücksichtigen: das Ziel der Förderung der Organspende und das Recht auf freie Entscheidung und Selbstbestimmung. Ich bin überzeugt, dass der hier vorliegende Gruppenantrag zur Entscheidungslösung beiden Anforderungen gerecht wird. Ich freue mich, dass so viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, unseren Vorschlag unterstützen.

Wir wissen, dass die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land der Organspende positiv gegenübersteht. Allerdings klafft - auch das ist heute schon gesagt worden - zwischen der in Umfragen ermittelten Spendenbereitschaft der Bevölkerung und der tatsächlichen Dokumentation dieses Willens, beispielsweise auf einem Organspendeausweis, eine große Lücke. Mit der Entscheidungslösung wollen wir diese Lücke schließen oder zumindest verkleinern.

Ich weiß, dass diese Entscheidung für viele nicht einfach ist; denn sie setzt voraus, dass sich jeder mit seinem eigenen Lebensende, mit seinem eigenen Tod befasst. Gerade weil das für viele Menschen eine große Hürde ist, wollen wir es ihnen ein bisschen leichter machen, indem wir mit dem Thema stärker und systematischer auf die Menschen zugehen. Jeder wird angeschrieben, jeder wird informiert, und jeder wird aufgefordert, eine Entscheidung, seine Entscheidung, zu treffen. Diese Entscheidung soll dokumentiert werden: zunächst auf dem klassischen Organspendeausweis und später, wenn die technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind, auch auf der elektronischen Gesundheitskarte. Ziel ist es, sowohl die Entscheidungsfindung als auch die Dokumentation zu erleichtern und zu unterstützen.

Natürlich wünsche ich mir, dass sich die positive Grundhaltung zur Organspende dann auch in einer höheren dokumentierten Organspendebereitschaft ausdrückt. Am Ende bleibt dies aber die ganz persönliche Entscheidung jedes Einzelnen. Die Botschaft ist klar: Jede dokumentierte Entscheidung hilft; denn sie befreit die Angehörigen von der Last einer Entscheidung im Moment der Trauer und stellt sicher, dass allein die bewusst getroffene, selbstbestimmte Entscheidung Anwendung findet.

Kolleginnen und Kollegen,

ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Gruppenantrag zur Entscheidungslösung eine gute und tragfähige Lösung gefunden haben. So werden wir unser Ziel, die Entscheidung zur Organspende zu erleichtern, erreichen.

Zusammen mit dem Gesetzentwurf zu den technisch-organisatorischen Fragen der Organspende bringen wir ein gutes Paket auf den Weg, das wichtige und richtige Impulse zur Förderung der Organspende enthält. Ich hoffe, dass diese erste Lesung nicht nur der Startpunkt einer parlamentarischen Beratung in diesem Hause ist, sondern dass mit Ihrer Hilfe die Debatte vor Ort, in den Wahlkreisen geführt wird und dieses Thema damit weiterhin die benötigte Aufmerksamkeit erhält; denn das, glaube ich, ist das zentrale Anliegen.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)