Die Novellierung des Insolvenzrechts soll eine bessere Abstimmung der Insolvenzverfahren mehrerer Unternehmen unter einem Konzerndach ermöglichen. Ein Koordinierungsverfahren soll die Abstimmung der Einzelverfahren verbessern, ohne ihre Selbstständigkeit in Frage zu stellen. So erhöhen sich die Chancen auf ein Fortbestehen des Unternehmens und die Sicherheit von Arbeitsplätzen.

Sehr verehrte Frau Präsidentin!

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch an die Adresse der Zuhörerinnen und Zuhörer sage ich: Heute Morgen hat in einer großen Debatte über die Fragen betreffend das Abgeordnetenrecht und die Abgeordnetenbestechung der Kollege Grosse-Brömer von einem Arbeitsparlament gesprochen. Deshalb sage ich Ihnen, die Sie heute als Zuhörerinnen und Zuhörer sowie Vertreter des Hohen Hauses da sind: Herzlichen Dank, dass Sie zu dem Tagesordnungspunkt, der tatsächlich Arbeit in unserem Hause bedeutet, noch anwesend sind, bevor wir alle ins Wochenende gehen dürfen!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien wir doch ehrlich: Wenn wir das Wort Insolvenz hören, dann geht es uns, soweit wir nicht von Berufs wegen schon damit zu tun haben, wie den meisten Menschen in diesem Land: Man denkt – der Kollege der Linken hat es schon gesagt – an das Wort Pleite, man denkt an das Unternehmensende, man denkt an den Verlust von Arbeitsplätzen, an mehr im Augenblick leider nicht. Jedoch an die Chancen für Unternehmen, an die Chancen für Gläubiger, an die Chancen für Arbeitsplätze und an die Chancen für die betroffenen Menschen – daran denkt man nicht; nicht, weil es zu wenige Beispiele in unserem Land für sehr wohl gelungene Insolvenzen gibt, sondern weil wir zu wenig über Erfolgsmodelle und Erfolge berichten.

Weil es gerade im Rahmen unserer wirtschaftlichen Entwicklung stets neue Unternehmensgründungen, Unternehmenskonstruktionen, Holdings, Gesellschaften und gesellschaftsrechtliche Formen gibt – der Kollege von der Union hat es angesprochen –, von denen wir gestern noch sagten, dass es sie nie geben wird, die aber schon morgen auf dem Tablett sind, wird es immer schwieriger, das zu verfolgen, was unser Ziel sein muss: Zerschlagung verhindern, Sanierung ermöglichen. Verfahren wie bei Kirch, Babcock Borsig, BenQ, Arcandor/Quelle und anderen haben gezeigt, dass wechselseitige Blockade zu Rechtsstreitigkeiten führt oder – ganz banal – auch nur persönliche Eitelkeiten – wer ist der Beste, der Größte? – zu einem Misserfolg führen können. Da ich beruflich viel als Auftragnehmer von Gläubigern an Gläubigerversammlungen teilgenommen habe, kann ich davon ein Lied singen. Um echte Chancen bei Konzerninsolvenzen zu eröffnen, sind für solche Verfahren eine klare Struktur und eine klare Zuständigkeit dringend erforderlich.

Zugegeben, der Titel „Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“ klingt sperrig und lässt auf den ersten Blick vermuten, dass nur Neuregelungen von Verfahrensabläufen geregelt sind. Jedoch, es steckt mehr dahinter. Ich nehme es vorweg: Der hierzu eingeschlagene Weg ist aus meiner Sicht und der der SPD-Fraktion gut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Er ist gut, auch wenn mit dem Gesetz nur die Probleme der Vergangenheit und noch nicht die der Zukunft, die wir noch nicht kennen, die uns aber täglich ereilen können, gelöst werden. Warum? Unsere Wirtschaftswelt hat sich geändert, das Insolvenzrecht hingegen hinkt noch hinterher. Wir versuchen nun, dieses nicht mehr zulasten von Schuldnern und Gläubigern, von Gerichten und Gesetzgeber zu modernisieren. Wir modernisieren vielmehr, indem wir einen bemerkenswerten Weg einschlagen, nämlich ohne mit der bewährten Praxis und der bewährten Rechtsprechung zu brechen.

Anders als der Vorschlag der Europäischen Kommission und anders als der Vorschlag der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht knüpft dieser Gesetzentwurf an die bestehende Rechtslage, an die bestehende Rechtsprechung und an unsere Rechtsliteratur an und schafft klare Bestimmungen, was Regelungen für den Gerichtsstand betrifft. Er schafft bei Zuständigkeitskonzentrationen eine einheitliche Richterzuständigkeit. Er ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Verwaltern und Gerichten auf einer soliden Rechtsgrundlage. Die Abstimmung der Einzelverfahren wird durch ein neues Koordinierungsverfahren verbessert. Außerdem wird geregelt, dass ein einziger Verwalter verantwortlich für einen abgestimmten Koordinierungsplan ist. Letztendlich wird auch sichergestellt, dass alle Werte eines Konzerns im Verfahren berücksichtigt werden und damit optimale Verwertungsergebnisse erzielbar sind.

Aus meiner Sicht nimmt dieser Gesetzentwurf nicht nur die Herausforderungen an, sondern er regelt auch mit Vernunft und Augenmaß das, was zu regeln ist. Genauso wichtig wird es aber sein, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Anregungen des Bundesrats ernsthaft zu prüfen, Kostenexplosionen bei den Verwaltervergütungen zu vermeiden, den Ländern bei der Umsetzung die nötigen Spielräume zu geben, den Mitarbeitern das nötige Handwerkszeug zu geben und, nicht zuletzt, unserer altbekannten guten Tante GmbH & Co. KG eine vernünftige Rolle bei Konzerninsolvenzen zu geben.

Auf die öffentliche Anhörung und die weiteren Beratungen bin ich gespannt, nicht zuletzt aufgrund der Anregungen des Koalitionsvertrags.

Eins weiß ich jedenfalls, meine Damen und Herren: Mit dem Insolvenzrecht wird es uns auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren nicht langweilig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)