Bundesregierung legt halbherziges Infektionsschutzgesetz vor
Die Bundesregierung hat die große Chance vertan, ein modernes Infektionsschutzgesetz mit breiter Zustimmung des Deutschen Bundestages zu beschließen. Die SPD-Bundestagsfraktion wäre bereit gewesen, ein Gesetz mit wegweisenden Instrumenten zur Verbesserung der Hygienesituation in deutschen Krankenhäusern und als Vorbildfunktion für Europa mitzutragen. Beratung und Anhörung im Deutschen Bundestag haben einen breiten politischen und fachlichen Konsens offenbart. Das halbherzige Gesetz der Bundesregierung wird aber den Anforderungen an einen modernen und wirksamen Infektionsschutz nicht gerecht und genügt gerade einmal den Mindestanforderungen.
In Deutschland steigen die Zahlen von Krankenhausinfektionen erheblich an
In deutschen Krankenhäusern werden jährlich rund 18 Millionen Patientinnen und Patienten (2009) behandelt. Allein die Gesetzliche Krankenversicherung gab 2009 55 Milliarden Euro für eine Versorgung auf höchstem medizinischen und pflegerischen Niveau aus. Trotz aller Anstrengungen gibt es eine besorgniserregende Entwicklung der Krankenhausinfektionen. Alle bisher unternommenen Maßnahmen haben nicht zu einer flächendeckenden Eindämmung der Krankenhausinfektionen geführt. Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung bei antibiotika-resistenten Keimen. In deutschen Krankenhäusern infizieren sich signifikant mehr Patientinnen und Patienten als in den Einrichtungen vergleichbarer Gesundheitssysteme (nord-) europäischer Nachbarländer. Die stetig steigende Zahl der Infektionen bedeutet für die betroffenen Patientinnen und Patienten und deren Angehörige zusätzliches Leid, längere und sich wiederholende Krankenhausaufenthalte und in vielen Fällen den Tod. Dadurch wird das Vertrauen der Bevölkerung in die hervorragende medizinische und pflegerische Versorgung durch stationäre Einrichtungen empfindlich gestört.
Gesetzentwurf bleibt hinter den Forderungen der SPD weit zurück
Im schwarz-gelben Gesetzentwurf fehlen vor allem bundeseinheitliche Hygienemindeststandards für alle Krankenhäuser, verpflichtende Eingangsuntersuchung von Risikopatienten auf multiresistente Erreger und klare Aussagen über den Bedarf und Ausbildung des Hygienefachpersonals. Ein Ergebnis der Anhörung war auch, dass es dringend die Möglichkeit zur Abrechnung der ambulanten Weiterbehandlung von MRE-Keimträgern nach der Entlassung aus dem Krankenhaus geben müsste, auch diese fehlt. Die Bundesregierung hat ebenfalls keine klaren Vorstellungen davon, wie Antibiotika effizienter eingesetzt werden könnten. Auch bei der Transparenz und der Qualitätssicherung sind die Vorschläge der Bundesregierung halbherzig. Zu viel wird der Ausgestaltung der Selbstverwaltung überlassen und eine qualitätsorientierte Vergütung oder Sanktionen bei Hygienemaengeln fehlen komplett.
Einzige Hoffnung: die Evaluationsklausel des Gesetzes
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in den parlamentarischen Beratungen entsprechende Vorschläge gemacht und gute Ansätze aus den Reihen der Koalitionsfraktionen und den anderen Oppositionsfraktionen ausdrücklich mitgetragen. Unsere Anträge wurden jedoch von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt. Zudem hat die Bundesregierung das Gesetz mit zahlreichen zusätzlichen Nachbesserungen beschwert, die nichts mit dem Infektionsschutz zu tun haben. Sie hat gezeigt, wie wenig sie die Chance für einen großen Wurf erkannt hat und wie wenig ihr an einem gemeinsamen großen Schritt gelegen ist. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich daher der Stimme enthalten und baut auf die Evaluationsklausel - einer der wenigen Artikel in dem Gesetzesentwurf, der wirklich Hoffnung für die Zukunft weckt.