Unsere Gesellschaft steckt mitten im demografischen Wandel. Immer mehr ältere Menschen stehen immer weniger Jüngeren gegenüber. Zudem steigt die Lebenserwartung. Gleichzeitig nehmen die so genannten Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenleiden und Diabetes zu. Veränderungen in der Arbeitswelt wie die stetige Digitalisierung und die damit verbundene Flexibilisierung sowie wachsende Leistungsanforderungen führen zu mehr psychischen Erkrankungen.

Je früher im Leben mit der Gesundheitsförderung und Prävention begonnen wird, desto eher könnten Risikofaktoren wie mangelnde Bewegung, unausgewogene Ernährung, Übergewicht, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und chronische Stressbelastungen beeinflusst werden. Besonders wichtig ist es, Familien in ihrer Gesundheitskompetenz zu stärken und ein gesundes Aufwachsen der Kinder zu fördern. Zudem müssen Betriebe eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur entwickeln.

„Es ist eine Pflicht, dass mehr in gesundheitliche Prävention investiert wird, und zwar für Kinder, Erwachsene und ältere Menschen“, stellte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach in der Debatte klar. Bisher hätten gemeinsame Ziele in der Prävention gefehlt, deshalb sehe das Gesetz vor, dass diese in der Präventionskonferenz benannt und dann in den Ländern und Kommunen umgesetzt würden. Daran seien die gesetzliche Kranken-, die Pflege-, die Unfall-, die Renten- und auch die private Krankenversicherung beteiligt. „Das ist eine Bündelung der Kräfte“, sagte Lauterbach. Zudem sei es wichtig, dass es Anreize und verbesserte Beratung zum Impfschutz geben werde. „Es ist gut, dass Früherkennungsuntersuchungen sich künftig stärker an den individuellen Gesundheitsrisiken der einzelnen Patientinnen und Patienten orientieren“, sagte Lauterbach, so könnten Krankheiten besser vorgebeugt werden.

Die Patientenbeauftragte der SPD-Fraktion Helga Kühn-Mengel betonte, dass das Gesetz dazu beitragen werde, ungleiche Gesundheitschancen in der Gesellschaft zu verringern. Prävention sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weshalb das Gesetz auch ressortübergreifende Verknüpfungen mit dem Programm „Soziale Stadt“ und der Bundesagentur für Arbeit habe, die Langzeitarbeitslosen Präventionsangebote unterbreiten soll. „Wir gehen auf die Menschen zu. Wir gehen in ihre Lebenswelten: in Kitas, Schulen, Betriebe, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und in Pflegeeinrichtungen, um die Gesundheitsförderung zu stärken“, betonte Kühn-Mengel. Zudem sei es ein großer Erfolg, dass Selbsthilfegruppen und -organisationen besser gefördert würden.

 

Was regelt das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention?

Um die Prävention und die Gesundheitsförderung zu verstärken, sollen die Sozialversicherungsträger, die sich in diesem Bereich engagieren, effektiver zusammenarbeiten. Dazu zählen neben der gesetzlichen Krankenversicherung die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung und die soziale Pflegeversicherung.

Die Sozialversicherungsträger sollen künftig in einer Nationalen Präventionskonferenz, an der zudem Bund, Länder, die Kommunalen Spitzenverbände sowie die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beteiligt sind, gemeinsame Ziele und ein gemeinsames Vorgehen festlegen. So sollen die unterschiedlichen Ansätze in der Prävention und Gesundheitsförderung gebündelt und abgestimmt bei den Menschen vor Ort ankommen. Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung können bei entsprechender finanzieller Beteiligung als gleichwertige Mitglieder in der Nationalen Präventionskonferenz Verantwortung übernehmen.

Mit der gesetzlichen Verankerung des Lebenswelten-Ansatzes und der Möglichkeit für die Krankenkassen, Geld auch für den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen verwenden zu können, sollen zukünftig vor Ort noch zielgerichteter gesunde Lebensverhältnisse gestaltet werden.

Die Förderung der Prävention im Betrieb ist ein Schwerpunkt des Gesetzes. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen hinsichtlich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besondere Beachtung finden. Gesundheitsfördernde Strukturen im Betrieb, eine bessere Beratung und Unterstützung durch die Krankenkassen sowie eine engere Verknüpfung mit dem Arbeitsschutz, sollen dazu führen, dass deutlich mehr Unternehmen mit Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung erreicht werden.

Insgesamt sollen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Prävention und Gesundheitsförderung mehr als doppelt so hoch ausfallen. Der Ausgabenrichtwert soll auf 7 Euro je Versichertem angehoben werden. Davon sollen jeweils 2 Euro in die bessere Unterstützung von Betrieben und in die Gesundheitsförderung in Lebenswelten investiert werden. Auch die gesetzliche Pflegeversicherung erhält einen Präventionsauftrag und wird jährlich rund 21 Millionen Euro für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention in den Pflegeeinrichtungen bereitstellen. Insgesamt stehen damit ab 2016 mehr als 500 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zu präventionsorientierten Gesundheitsuntersuchungen weiterentwickelt werden. In Zukunft sollen dabei die individuellen Belastungen und Risikofaktoren in den Fokus rücken, die zu einer Krankheit führen können. Dazu werde auch die Überprüfung und Beratung zum Impfschutz gehören. Vor der Aufnahme in eine Kita sollen sich Eltern und andere Sorgeberechtigte zum Impfschutz ärztlich beraten lassen.

Der Gesetzentwurf verbessert auch die Vorsorge- und Präventionsleistungen in anerkannten Kurorten. So sind Erleichterungen für Versicherte mit besonderen beruflichen und familiären Belastungen vorgesehen: Beschäftigte in Schichtarbeit oder pflegende Angehörige sollen Präventionsangebote leichter in Anspruch nehmen können. Um den Anreiz hierfür zu stärken, soll die Obergrenze des täglichen Krankenkassenzuschusses von 13 Euro auf 16 Euro für Versicherte sowie von 21 Euro auf 25 Euro für chronisch kranke Kleinkinder erhöht werden.

Ein besonderer Erfolg ist auch die sehr deutliche Anhebung der Förderung von Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen, die die SPD-Fraktion in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner durchgesetzt haben. Für Menschen mit chronischen oder seltenen Erkrankungen, für Menschen mit Behinderungen oder für Menschen in schwierigen Lebenssituationen haben die Selbsthilfegruppen und -organisationen sowie die Selbsthilfekontaktstellen eine sehr wichtige Beratungs- und Unterstützungsfunktion. In dieser Funktion werden sie nun sehr deutlich gestärkt.

Gesetz trägt sozialdemokratische Handschrift

Mit dem Gesetz setzt die Große Koalition ein wichtiges gesundheitspolitisches Vorhaben dieser Legislaturperiode um. Der Koalitionsvertrag wird vollständig erfüllt. Das Gesetz trägt eine sozialdemokratische Handschrift. Die Vereinbarungen gehen auf sozialdemokratische Initiativen der Vergangenheit zurück. Seit mehr als zehn Jahren hat sich die SPD-Bundestagsfraktion für Verbesserungen bei Gesundheitsförderung und Prävention eingesetzt. Den damaligen Gesetzentwurf von Ulla Schmidt (SPD) als  Bundesgesundheitsministerin in rot-grüner Regierungszeit hatte der unionsdominierte Bundesrat verhindert.  

Durch gezielte Prävention und Gesundheitsförderung können die Gesundheit, Lebensqualität, Mobilität und Leistungsfähigkeit der Menschen über alle Lebensphasen hinweg verbessert und erhebliche Folgekosten gespart werden. Davon profitiert nicht nur jede und jeder Einzelne, sondern die Gesellschaft insgesamt.