Sieben Jahre nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union greift seit Anfang Mai für acht mittel- und osteuropäische Länder die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn haben dann das uneingeschränkte Recht, auch in Deutschland zu arbeiten und zu leben. Bulgarien und Rumänien folgen Anfang 2014.
„Der 1. Mai war ein guter Tag für Europa. Europa rückt näher zusammen“, sagte die SPD-Europapolitikerin Eva Högl in der Debatte zur abschließenden Beratung eines SPD-Antrages zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. „Ich freue mich, dass sich jetzt endlich auch diese Menschen frei in Europa bewegen können, frei entscheiden können, wo sie leben und arbeiten wollen, denn das macht Europa aus.“
Bundesregierung nicht vorbereitet
Wie sich die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf den deutschen Arbeitsmarkt konkret auswirken wird, ist noch weitgehend unklar. Erfahrungen aus anderen EU-Staaten zeigen allerdings, dass klare Regeln zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen wichtig sind, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden. Die Bundesregierung sehe aber noch immer keinen Handlungsbedarf, kritisierte der SPD-Arbeitspolitiker Josip Juratovic.
Rede von Josip Juratovic zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (13.05.2011)
„Sie tun so, als sei alles Notwendige für die Arbeitnehmerfreizügigkeit gesetzlich geregelt“, sagte Juratovic an die Adresse von CDU/CSU und FDP. Dies sei aber falsch. Das einzige, was geregelt sei, sei der Mindestlohn in der Leiharbeit, den die SPD der schwarz-gelben Koalition vor ein paar Monaten mühsam abtrotzen musste. „Dadurch können wir zumindest das schlimmste Lohndumping verhindern,“ so Juratovic. Das reiche aber nicht aus.
Der SPD-Arbeitsmarktexperte kritisierte die abwartende Haltung der Bundesregierung: „Sie wollen sehenden Auges zuschauen, wie das Kind in den Brunnen fällt, wie also Missbrauch deutscher und ausländischer Arbeitnehmer stattfindet, und dann erst mal zählen, wie viele Menschen betroffen sind. Das ist eine verantwortungslose Politik.“
Mindestlohn einführen
Juratovic forderte die Bundesregierung auf, Lohnuntergrenzen gesetzlich festzulegen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu schaffen. Notwendig seien klare Schritte, um Ausbeutung von Fachkräften aus Deutschland ebenso wie aus dem europäischen Ausland zu verhindern.
Aus Sicht der SPD-Fraktion ist ein flächendeckender Mindestlohn nicht nur ein wesentlicher Bestandteil für soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit, sondern auch ökonomisch genau der richtige Weg. Einer aktuellen Studie zufolge, würde ein Mindestlohn von 8,5 Euro pro Stunde fünf Millionen Menschen ein zusätzliches Haushaltseinkommen verschaffen und zugleich den Bundeshaushalt um rund sieben Milliarden Euro entlasten.
Rede von Eva Högl zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (13.05.2011)
Die Europapolitikerin Eva Högl sagte: „Andere Mitgliedstaaten haben uns vorgemacht, wie man es machen kann. Sie haben alle einen Mindestlohn – und haben damit deutlich gemacht, dass sie klar Nein sagen zu Lohn- und Sozialdumping.“
Klare Regeln zu Lohn- und Arbeitsbedingungen
In ihrem Antrag zur Arbeitnehmerfreizügigkeit hatte die SPD-Fraktion klare Regeln zu Lohn- und Arbeitsbedingungen gefordert. Neben dem gesetzlichen Mindestohn gehören dazu unter anderem die Verankerung des Grundsatzes „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, wirksame Sanktionsregeln zur Durchsetzung und Kontrolle des eingeführten Mindestlohns in der Leiharbeit, eine angemessene Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie eine umfassende Information und Beratung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den osteuropäischen Ländern.