Die SPD feiert Martin Schulz als neuen Hoffnungsträger –​ doch nach seiner ersten großen Rede als Kandidat sind immer noch viele Fragen offen. Wofür steht Schulz innenpolitisch?

Oppermann: Martin Schulz hat eine fantastische Rede gehalten, die der Aufbruchstimmung nochmal einen kräftigen Schub gegeben hat. Das war ein gelungener Start. Martin Schulz steht insbesondere dafür, dass das Leben der hart arbeitenden Menschen und ihrer Familien absoluter Mittelpunkt unserer Politik sein muss. Er steht dafür, dass es bei der Steuer fair zugeht und auch die großen Konzerne hier in Deutschland ihren Teil zum Gemeinwohl beitragen müssen. Er steht dafür, dass Bildung von der Kita bis zur Uni kostenfrei sein muss. Er steht für bezahlbare Wohnungen für alle, für Parität in der Krankenversicherung und für eine Flüchtlingspolitik, die den Anspruch von Humanität und Sicherheit gleichermaßen erfüllt. Und er steht für klare Kante gegen Rechts. Er bricht die großen Fragen der Politik herunter auf den konkreten Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Martin Schulz hat die Fähigkeit, auch Menschen anzusprechen, die sich enttäuscht von der Politik abgewendet haben.

Auf welche Themen muss vor allem gesetzt werden?

Oppermann: Deutschland muss gerechter und sicherer werden. Wohlstand hängt nicht nur von einer starken Wirtschaft ab, sondern auch davon, ob es gerecht zugeht im Land, ob die Menschen ohne Angst vor Terror und Gewalt leben können und ob alle eine faire Chance haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Wir bringen alles unter einen Hut. Genau das hat Martin Schulz in seiner Rede deutlich gemacht.

Sehen Sie eine gute Basis für Rot-Rot-Grün nach der Bundestagswahl? Welche Alternative hat Schulz, um Kanzler zu werden?

Oppermann: Die SPD wird ohne jede Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen. Welche Mehrheiten es nach der Wahl am 24. September geben wird, entscheiden allein die Wählerinnen und Wähler. Wir wollen eine starke SPD, um möglichst viel von unseren Vorstellungen für die Zukunft unseres Landes durchzusetzen. 

Bislang kommt die SPD in den Umfragen nicht über 23 Prozent hinaus. Was ist bei der Bundestagswahl drin?

Oppermann: Wir legen gerade in Umfragen enorm zu. Darüber freuen wir uns, aber wir müssen uns noch ordentlich anstrengen. Es geht jetzt darum, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen – mit einem glaubwürdigen Kandidaten, einem fortschrittlichen Programm und einer geschlossenen SPD. Wer 30 Prozent erreicht, hat die Chance auf das Kanzleramt. Das ist unser Ziel.

Was hat Schulz, was Sigmar Gabriel nicht hat?

Oppermann: Beides sind großartige Politiker, sind fantastische Redner und haben das Herz am richtigen Fleck. Und Martin Schulz hat die Chance, an der Spitze der SPD die Bundestagswahl zu gewinnen und Kanzler zu werden. Sigmar Gabriel hat ihm und der ganzen SPD diese Möglichkeit gegeben. Das war ein Schritt, der allerhöchsten Respekt verdient. Und diesen Respekt zollen wir ihm auch, das hat man heute beim Applaus gesehen.

Sie haben sich mit Gabriel vor laufender Kamera darüber gestritten, wer in der Fraktion als Erster reden darf, und waren zwar selbst informiert, aber sauer, dass die Fraktionsmitglieder den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur aus den Medien erfahren haben. Sind Sie sicher, dass es im Wahlkampf keine Querschüsse von Gabriel gibt?

Oppermann: Ich habe die Szene im Fernsehen gesehen und musste lachen. Das war eine kurze Kabbelei, aber man konnte ja auch sehen, dass wir das in anderthalb Sekunden geregelt haben. Wenn man sich mag, geht das. CDU und CSU brauchen für sowas gleich einen Friedensgipfel. Sigmar Gabriel hat doch gerade bewiesen, wie sehr er sich im Dienst der Partei sieht, und wird mit aller Kraft Martin Schulz unterstützen.