Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Grünen haben am Dienstag eine Änderung des Grundgesetzes beschlossen, die milliardenschwere Kredite für die Verteidigung Deutschlands als auch für Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur des Landes ermöglicht.

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil erwartet durch das geplante, milliardenschwere Kreditpaket einen Aufbruch für Deutschland und Europa. "Wir investieren in die Stärke unseres Landes", betonte Klingbeil in einer Sondersitzung des Bundestags. Mit dem Paket übernehme Deutschland mehr Verantwortung für Sicherheit, Frieden und Wohlstand in Europa. Es werde die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten, das wirtschaftliche Wachstum ankurbeln und die Sicherheit stärken.

Das Vorhaben, das noch vom Bundestag der bisherigen Legislatur getragen wird und das eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag benötigt, sei ein „historischer Kompromiss“ zwischen SPD, CDU/CSU und Grünen, so Klingbeil. "Das ist ja nicht nur ein abstraktes Finanzpaket für Bundeswehr und Bundeshaushalt, was wir verabschieden heute, sondern es ist in erster Linie ein gigantisches Paket für die Bürgerinnen und Bürger", betonte er.

Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und CDU/CSU ist ein Ergebnis der Sondierungen, die die beiden Parteien nach der Bundestagswahl aufgenommen hatten. Auf der Grundlage dieser ersten Vereinbarungen führen sie nun Koalitionsgespräche.

Verteidigungsfähigkeit stärken

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und aktuell die außenpolitische Kehrtwende der neuen amerikanischen Regierung stellen die europäische und somit auch die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor große, neue Herausforderungen. Daher muss die mit der „Zeitenwende“ eingeleitete Stärkung der Bundeswehr vertieft und fortgeführt werden. Das vor drei Jahren eingerichtete „Sondervermögen Bundeswehr“ zur Modernisierung und Ausstattung der Bundeswehr reicht dafür nicht aus.

Künftig sollen daher alle Ausgaben, die mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, nicht mehr unter die Schuldenregel fallen. Das gilt nicht nur für Ausgaben für die Bundeswehr, sondern auch für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Cybersicherheit, die zusätzliche militärische Unterstützung für die Ukraine und die Nachrichtendienste.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die Pläne als notwendig. „Bedrohungslage geht vor Kassenlage“, sagte Pistorius im Bundestag. Die Bedrohungslage habe sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und das Agieren des Bündnispartners USA verändert. Das bedeute, die eigene Verantwortung und die Last, die Europäerinnen und Europäer zu tragen hätten, würden größer.

Dies bedeute „mehr Truppen, mehr Ausrüstung, schnellere Einsatzbereitschaft“, sagte Pistorius. Der Finanzbedarf werde „massiv steigen“.

Dadurch, dass der Großteil der Verteidigungsausgaben nicht mehr unter die Schuldenregel fallen wird, gehen diese Ausgaben nicht zulasten anderer wichtiger Investitionen im Land. So wird das Sondervermögen für die Infrastruktur ermöglicht, das ebenfalls beschlossen wurde.

500 Milliarden für Infrastruktur und Klimaschutz

Das Sondervermögen beträgt bis zu 500 Milliarden Euro, aus dem zusätzliche Infrastruktur-Investitionen zur Modernisierung Deutschlands finanziert werden sollen. Das zusätzliche Geld soll zum Beispiel in Kitas und Schulen, in Krankenhäuser und digitale Netze, in verlässliche Schienenwege und stabile Brücken investiert werden. Dabei wird dem Klimaschutz besondere Bedeutung beigemessen: 100 Milliarden Euro sind für den Klima- und Transformationsfonds vorgesehen. Das ist das größte Infrastrukturprogramm in Deutschland seit jeher.

Um auch Ländern und Kommunen notwendige Investitionen zu ermöglichen, sind 100 Milliarden Euro des Sondervermögens für Investitionen der Länder und Kommunen vorgesehen. Darüber soll ein Webfehler der Schuldenbremse korrigiert werden, indem nunmehr auch den Ländern ein struktureller Verschuldungsspielraum von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eingeräumt werden soll. Das stärkt die Investitionsmöglichkeiten vor Ort für Schulen, Kitas, Schwimmbäder und vieles mehr.

„Diese Grundgesetzänderung versetzt uns in die Lage, unser Land zukunftsfähig zu machen“, sagte die SPD-Abgeordnete Sonja Eichwede. „Jeder Euro, den wir heute nicht investieren, kostet morgen doppelt so viel“.

Auch Wiebke Esdar verwies auf die Bedeutung dieser Investitionen für die junge Generation, die gute Schulen, gute Kitas und eine gute Infrastruktur brauche, um in diesem Land gut leben zu können. „Wir hinterlassen unseren Kindern nicht ja nicht in erster Linie einen Kontostand“, so Esdar. Wer wolle, dass unsere Kinder in Frieden, Wohlstand und Freiheit aufwachsen, der müsse auch in ihre Zukunft investieren.

Land grundlegend modernisieren

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil hält neben Milliarden-Investitionen eine grundlegende Modernisierung des Landes für nötig. Geld alleine könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen, sagte Klingbeil. "Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden." Es brauche dringend Reformen, die die SPD-Fraktion in einer künftigen Bundesregierung gemeinsam mit der Union angehen wolle. Bürokratie müsse zurückgebaut werden, dafür brauche es einen "Mentalitätswechsel", sagte Klingbeil.

Zugleich betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende, dass damit nicht der Abbau von Arbeitnehmerrechten gemeint sei. "Made in Germany" stehe für Exzellenz, aber auch für Mitbestimmung und starke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade in Zeiten von Autokraten in aller Welt müsse Deutschland diese Werte hochhalten. Die geplante Grundgesetzänderung sei eine "wichtige Chance", Deutschland wieder stark zu machen.