Im internationalen Vergleich hat Deutschland zwar die größte Handelsbilanz, bei den Verteidigungsausgaben aber stehen wir - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - auf einer Ebene mit Dänemark. Als drittgrößte Exportnation der Welt profitieren wir zwar von der Globalisierung, aber für Verteidigung wollen wir in etwa soviel ausgeben wie Luxemburg. Wird die Bundeswehr durch den Sparerlass der Regierungskoalition noch kleiner als bislang vorgesehen, fällt Deutschland außenpolitisch in die Bedeutungslosigkeit zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet die christlich-liberale Koalition dies anstrebt.
Auch die Streitkräfte des Jahres 2011 sind gegenwärtig in einem Zustand, der in keinster Weise dem viel postulierten ‚burden sharing‘ der internationalen Staatengemeinschaft entspricht. Wir profitieren von der sicherheitspolitischen Stärke unserer Partner, aber die Arbeit (s. Libyen) lassen wir lieber die anderen machen.
Aus dem Verteidigungsministerium heißt es jetzt, bei einem Einsparvolumen von 8,3 Milliarden Euro bis 2015 könnten nur noch 158. 000 Soldaten finanziert werden. Mit diesem Umfang bekämen wir - gemessen an der Bevölkerungszahl - die kleinste Armee Europas. Verpflichtungen gegenüber den UN, gegenüber NATO und EU könnten wir nicht wie bisher erfüllen. Wir verlören an außen- und sicherheitspolitischem Gewicht in der Welt und verabschiedeten uns letztlich aus Staatengemeinschaft.
Die Bundeswehr ist aus verschiedenen Gründen seit Jahren finanziell auf Kante genäht. Bis 2014 fehlen schon heute mehrere Infanterie-Kompanien für den Einsatz, begründete Ansprüche an Ausbildung und Qualität der Truppe werden aus blanker Not über den Haufen geworfen. In diesem Jahr laufen zudem alle großen Beschaffungsvorhaben auf den Einzelplan 14 zu. Jeder kann sich leicht vorstellen, was das für die finanzielle Ausstattung und Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten bedeutet und für deren Motivation.
Um es klar zu sagen: Wir Sozialdemokraten sind keine Gegner einer klugen Bundeswehrreform, im Gegenteil. Vieles von dem, was die sog. Weise-Kommission Ende Oktober 2010 in ihren Abschlussbericht geschrieben hat, ist richtig und bedarf einer Veränderung. Niemand, erst recht nicht die Angehörigen der Bundeswehr, finden aber Vertrauen zu der Reform, wenn die entscheidende Frage nach einer soliden Finanzierung ausbleibt. Das betrifft vor allem den freiwilligen Wehrdienst. Wenn der neue Dienst für junge Männer und Frauen nicht erkennbar attraktiver wird, bleiben die Stellen vakant. Erste Ergebnisse sind in den Kreiswehrersatzämtern schon zu besichtigen. Ein Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr kostet nach Schätzungen von Haushaltsexperten rund eine Milliarde Euro.
Wir fordern wir die Bundesregierung deshalb auf, auf das Einsparziel zu verzichten, ein Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr zu beschließen, das diesen Namen verdient und bei dem Reformtempo maßzuhalten. Gerade die Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgrade brauchen attraktive Bedingungen für ihre gefährliche Arbeit. Längere Stehzeiten, Ausrüstungsmängel und fehlende Übungsmöglichkeiten gehören wahrlich nicht dazu. Aber auch Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten benötigen langfristige Perspektiven, will man nicht die Bundeswehr vor die Wand fahren.