Der Untersuchungsausschuss hat zahlreiche Widersprüche zwischen den Aussagen von Verteidigungsminister zu Guttenberg und denen von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert festgestellt. Entweder lügt Guttenberg oder Schneiderhan und Wichert lügen. Zur Aufklärung werden wir eine Gegenüberstellung beantragen.
Machtmissbrauch und Lügen
An zahlreichen Stellen hat zu Guttenberg den Aussagen von Schneiderhan und Wichert widersprochen. Dabei geht es nicht nur um unwichtige Details der verschiedenen Versionen. Auffällig ist nämlich, dass es nur dann zu unterschiedlichen Darstellungen kommt, wenn es um das Bild geht, das Guttenberg von sich selbst zeichnen will.
Schon jetzt ist klar: Herr zu Guttenberg hat, als er durch die Bild-Zeitung unter großen politischen Druck geriet, sein Amt zum persönlichen Vorteil ausgenutzt. Der Verteidigungsminister hat seine Macht missbraucht. Um von seinen Fehlern abzulenken, hat er Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert entlassen, ausschließlich auf der Basis einer Meldung der Bild-Zeitung. Der Inhalt der Berichte hat ihn nicht interessiert. Anschließend hat er Märchen über sie in der Presse verbreitet, die deren Integrität und Glaubwürdigkeit in ehrabschneidender Weise beschädigen sollten.
Generös übernimmt Guttenberg die politische Verantwortung, die Schuld aber gibt er anderen. Er hat Parlament, Öffentlichkeit und seine Soldaten getäuscht über die tatsächlichen Gründe für seine Neubewertung des Luftangriffs und für die Entlassung von Schneiderhan und Wichert.
Bisherige Ergebnisse des Untersuchungsausschusses
Am 16. Dezember 2009 hat sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss konstituiert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich dafür eingesetzt, dass der Untersuchungsausschuss weitgehend öffentlich tagt. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese Informationen viele Menschen in unserem Land erreichen. Darauf haben die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz aber auch die Öffentlichkeit einen Anspruch
Bereits am Tag der Konstituierung (16.12.2009) wurden von der Opposition knapp 100 durch uns vorbereitete Beweisanträge vorgelegt und zum größten Teil beschlossen.
Die entsprechende Vorlage von Akten durch die Bundesregierung kam nur sehr schleppend in Gang. Wichtige Dokumente werden teilweise erst am Tag vor einer entsprechenden Vernehmung übergeben. Trotz wiederholter Mahnungen des gesamten Ausschusses will die Bundesregierung hier offensichtlich verzögern wo es nur geht.
Auch hinsichtlich der Reihenfolge der Zeugenvernehmungen im Ausschuss hat die Mehrheit von Union und FDP unter Verstoß gegen das Parlamentsuntersuchungsauschussgesetz (PUAG) gegen den Willen der Opposition die Zeugenreihenfolge zum Vorteil von Guttenberg festgelegt, so dass dieser erst nach dem früheren Generalinspekteur der Bundeswehr ,Schneiderhan und dem ehemaligen Staatssekretär Wichert aussagen muss.
Nachdem die Opposition diesbezüglich bereits entschlossen war, Klage beim Bundesgerichtshof einzureichen, knickten Union und FDP nunmehr ein und sagte zu, dass zukünftig die Reihenfolge der Zeugen im sog. "Reißverschlussverfahren" abwechselnd von Mehrheit und Minderheit benannt werden können. Damit räumt die Koalition einen eindeutigen Gesetzesbruch ein.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Luftangriffs haben sich erhärtet
Die ersten Vernehmungen haben unsere Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Luftangriffs in vielfacher Hinsicht bestätigt. Im Ergebnis ist Oberst Klein zwar kein Vorsatz hinsichtlich der Inkaufnahme möglicher ziviler Opfer nachzuweisen, jedoch wurde durch Aktenauswertung und durch die Vernehmung der Zeugen aus der Bombennacht klar erkennbar, dass die gesamte Operation ganz erhebliche Mängel aufwies und eindeutig gegen eine Vielzahl von Regularien - bewusst oder unbewusst - verstoßen wurde.
Die Vernehmung des zurückgetretenen Arbeitsministers und früheren Verteidigungsministers Jung durch den Kundus-Untersuchungsausschuss hat deutlich gemacht: Der Ex-Minister hat trotz neuer Erkenntnisse nichts dazu gelernt. Er verteidigt weiterhin den Luftangriff auf die zwei gekaperten Tanklastzüge und seine Informationspolitik von damals, obwohl ihn genau diese Fehler in seiner Kommunikation und der seines Ministeriums im November zum Rücktritt gezwungen haben. Interessant ist auch, dass eine E-Mail als „unverbindliche Erstinfo des BND“ frühzeitig im Kanzleramt vorlag. Dies wirft die berechtigte Frage auf: Was haben die Kanzlerin und der damalige Kanzleramtschef de Maiziére auf Grund dieser „unverbindlichen Erstinfo“ veranlasst?
Luftschlag von Kundus: viele Fragen, wenig Antworten
Es war notwendig im Verteidigungsausschuss einen Untersuchungsausschuss einzurichten, um auf die vielen offenen Fragen eine umfassende Antwort zu bekommen, bisher bekannte Unstimmigkeiten zu klären und die Ereignisse um die Bombardierung der Tanklastzüge sowie die Pannen im Bundesministerium der Verteidigung aufzuarbeiten. Aber auch, das, was die politische Leitung bisher öffentlich erklärt hat, muss intensiv geprüft werden.
Der Untersuchungsausschuss ist in keiner Weise als Angriff auf unsere Soldatinnen und Soldaten in ihrem schwierigen im Einsatz zu verstehen und stellt auch keine Vorverurteilung des Oberst Klein dar.
Doch ein befohlener Luftangriff, bei dem bis zu 142 Menschen und zwar Taliban und Zivilisten zu Tode gekommen sind, muss nach rechtsstaatlichen Prinzipien untersucht werden. Mögliche Fehler und Regelverstöße hinsichtlich der Anordnung des Luftangriffs durch Oberst Klein müssen aufgearbeitet werden und die Politik muss die Vorgänge ebenfalls daraufhin bewerten, ob diese mit unserer Afghanistan-Strategie vereinbar sind.
Und dies kann das Parlament nur, wenn es umfassend, vollständig und ehrlich informiert wird. So wird sich der Untersuchungsausschuss auch mit der Frage befassen, ob möglicherweise Maßnahmen zur Verschleierung der Umstände und der tatsächlichen Folgen des Luftangriffs ergriffen wurden sowie eine falsche und unvollständige Unterrichtungen des Parlaments und der Öffentlichkeit durch das Bundesministerium der Verteidigung erfolgte.
Und schließlich geht darum, herauszufinden, ob der Verteidigungsminister die Wahrheit gesagt hat oder nicht, als er vor dem Parlament den Eindruck erweckte, der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr und der ehemalige Staatssekretär hätten ihn getäuscht und Informationen vorenthalten.
Weiterhin muss geklärt werden, wie Guttenberg auf Basis des COM-ISAF-Berichts und des Berichts des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes den Luftangriff am 6. November als „militärisch angemessen" bezeichnen konnte und am 3. Dezember zu einer völlig anderen Bewertung gekommen ist. Schließlich enthält der Feldjägerbericht keine anderen Informationen als die, die der Verteidigungsminister vorgab bereits gekannt zu haben. Denn beide Quellen haben auf Einsatzfehler und zivile Opfer hingewiesen.
Klar ist, die Bundewehr kann bereits jetzt das gesamte militärische Handlungsspektrum innerhalb von Völkerrecht, Mandat des deutschen Bundestages und der sogenannten Einsatzrichtlinien (Rules of Engagement) voll ausschöpfen.
Dies beinhaltet aber auch, dass ein offensives Vorgehen immer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel erfolgt. Dies ist ein Grundprinzip unseres Rechtsstaates und somit auch unseres Handelns in Afghanistan. Demokratische Streitkräfte und hier gerade die Bundeswehr mit dem Prinzip des „Staatsbürgers in Uniform“ dürfen nie das Töten zum Ziel haben. Es ist unser Ziel unter allen Umständen zivile Opfer zu vermeiden.