Zunächst zur schwarz-gelben Koalition: Der Koalitionsvertrag ist kultur- und medienpolitisch wenig ambitioniert. Kein Wort enthielt der Koalitionsvertrag zum Thema Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz. Und das, obwohl die FDP und vereinzelte Kulturpolitiker der Union dies zuvor vollmundig forderten. Auch der von der CDU gestellte Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, befürwortet das.
Die Aussage im Koalitionsvertrag, Kulturförderung als Investition in die Zukunft zu erhalten, ist mittlerweile Teil jeder Sonntagsrede eines Kulturpolitikers. Was daraus folgt, blieb bislang offen. Die angekündigte Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr privates Engagement in der Kulturförderung, beispielsweise durch Stiftungen und Sponsoring oder den Abbau bürokratischer Hürden, blieb unerfüllt.
Die ebenfalls angekündigte Stabilisierung der Künstlersozialversicherung wirkt schon deshalb fadenscheinig, weil die FDP über den Bundesrat erst im Sommer 2008 versucht hatte, eben diese Künstlersozialversicherung ganz abzuschaffen. Vielmehr ist das Gegenteil geschehen: Die kurz vor Jahreswechsel von der Koalition vorgenommene Klarstellung des Begriffs des „Publizisten“ im Künstlersozialversicherungsgesetz führt dazu, dass weniger publizistisch Tätige in die Künstlersozialkasse aufgenommen werden können. Doch mittlerweile hat sich die publizistische Praxis und Tätigkeit erweitert. Insgesamt muss vielmehr über eine Anpassung und Modernisierung des Künstler- und Publizistenbegriffs nachgedacht werden, zumal bereits einige der neuen, mit der Digitalisierung und dem Internet entstandenen Berufen und selbstständigen Tätigkeiten Eingang in die Künstlersozialkasse gefunden haben.
Kultur- und Wirtschaftsförderung in den Blick
Die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung, entstanden auf Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und des daraus folgenden Bundestagsbeschlusses im Jahr 2008, wurde zwar richtigerweise fortgeführt und das Beratungsangebot ausgebaut, jedoch begnügt sich die Koalition damit. Um die immensen Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft für Arbeitsplätze und Innovation ausschöpfen zu können, bedarf es eines breiten politischen Ansatzes, der die Rahmenbedingungen wie beispielsweise die soziale Absicherung der Kreativschaffenden, das Urheberrecht und die Instrumente der Kultur- und Wirtschaftsförderung in den Blick nimmt.
Dass diese Koalition ein gänzlich anderes Verständnis beim Thema Gedenken und Erinnern hat, wurde gleich zu Beginn klar. Die gegen massive Kritik der SPD und zaghaft vorgetragene Bedenken des Außenministers umgesetzten Änderungen bei der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung belasten nach wie vor die Arbeit der Stiftung und die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu Polen. Auch bei der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, erstmals nicht fraktionsübergreifend beschlossen, ignorierte die Koalition massive Bedenken nicht nur der SPD, sondern auch namhafter Verfassungsrechtler, indem sie ein Einzelfallgesetz bezogen auf ehemalige Stasi-Mitarbeiter in der Behörde beschloss.
Streit mit Kinoketten
Beim Thema Film – eigentlich Leib- und Magenthema des Kulturstaatsministers – konnte der seit 2008 schwelende Streit mit einigen Kinoketten über das Filmfördergesetz (FFG) bislang nicht beigelegt werden, wodurch die Zukunft des FFG nach wie vor offen ist. Die Digitalisierung der Kinos wurde durch das Engagement der SPD zu einem Förderprogramm durch die Bundesregierung.
Beim Urheberrecht – einem der zentralen Elemente, um angemessenes Einkommen für Kultur- und Kreativschaffende zu ermöglichen – gibt es bislang keinen Vorschlag der Bundesregierung. Kulturstaatsminister Neumann lässt sich für sein Zwölf-Punkte-Papier zum Urheberrecht loben, umgesetzt wurde davon bislang nichts.
Weiterentwicklung des Urheberrrechts
Zu anderen wichtigen medienpolitischen Themen wie dem ungarischen Mediengesetz, der Stärkung der Pressefreiheit, dem Zugangserschwerungsgesetz, dem Medienkonzentrationsrecht und der Vorratsdatenspeicherung ist der für Medien in der Bundesregierung zuständige Staatsminister nicht zu hören.
Insgesamt ist eine kritische Bilanz der Kultur- und Medienpolitik der schwarz-gelben Koalition und ihres Staatsministers zu ziehen. Kaum Impulse, keine strategischen Ansätze bei wichtigen Themen wie der Digitalisierung, der Verbesserung der sozialen Lage der Kultur- und Medienschaffenden, der notwendigen Weiterentwicklung des Urheberrechts oder dem Erhalt der medialen Vielfalt.
Bezieht man die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in die Gesamtschau mit ein, fällt die Bilanz noch kritischer aus. Im Unterschied zu seinem Vorgänger zeigt Außenminister Westerwelle (FDP) keine Leidenschaft für dieses Thema. Im Gegenteil: Der vom Bundestag gefasste Beschluss zur Künstlerakademie Tarabya in Istanbul wird zögerlich umgesetzt, die Verantwortung für die Auslandsschulen soll in private Hände abgeschoben werden, dem Goethe-Institut wird die Bewegungsfreiheit in der Programmarbeit genommen und die Aus-wärtige Kulturpolitik soll zu etwas umfunktioniert, was Deutschland wirtschaftlich und politisch nützt, statt wie bislang als Dritte Säule der Außenpolitik (Willy Brandt) und wichtige Form des Dialogs und des Austauschs die außenpolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands zu untermauern.
Förderung der Digitalisierung der Kinos
Natürlich – auch das gehört zu einem Rückblick – muss auch die eigene Arbeit betrachtet werden. Sicherlich ist die kultur- und medienpolitische Arbeit in der Opposition mühsam, oder – um es mit den Worten von Franz Müntefering zu sagen – „Opposition ist Mist“. Gleichwohl ist es der SPD im Deutschen Bundestag gelungen, deutliche und wesentliche Akzente für die Kultur- und Medienpolitik zu setzen. Wir haben maßgeblich dafür gesorgt, dass das Thema Reformationsjubiläum 2017 auf die Agenda gesetzt wurde und die Bundesregierung ein Programm zur Förderung der Digitalisierung der Kinos aufgelegte. Wir haben den Handlungsbedarf bei der Digitalisierung von Kulturgütern und einen konkreten Vorschlag für die dringend notwendige Regelung zu verwaisten und vergriffenen Werken vorgelegt. Im Unterausschuss Neue Medien und der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ setzen die SPD-Abgeordneten und -Sachverständigen wichtige Akzente wie zum Beispiel zur Netzneutralität und zum Breitbandausbau. Es ist die SPD, vor allem die zuständige Obfrau Ulla Schmidt MdB, die im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik mehrfach fraktionsübergreifende Beschlüsse initiierte, die deutliche Kritik an der Politik des Auswärtigen Amtes beinhalteten.
Kreativpakt schmieden
Diesen mühsamen, zugleich aber einfallsreichen Weg werden wir fortsetzen. Unser Ziel ist es, für 2013 ein überzeugendes und tragfähiges Politikangebot zu formulieren. Neben einzelnen Teilaspekten wie der Musik- und Filmförderung des Bundes, Digitalisierung und Pressefreiheit erarbeiten wir unter dem Dach des Arbeitsprogramms „Deutschland 2020“ der Fraktion im Teilprojekt Kreativpakt zusammen mit Wirtschaft, Künstlern und Kreativen ein Konzept für bessere und gute Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung in der Kultur- und Kreativbranche. Für Künstler, Autoren und andere Kreative besteht in ihrer oft projektbezogenen, freiberuflichen Tätigkeit eine Chance für Selbstverwirklichung und Flexibilität. Gleichzeitig müssen sich viele um ihr Auskommen sorgen und sind gegen soziale Risiken wie Arbeitslosigkeit und Altersarmut nur unzureichend abgesichert. Dazu gehören auch Fragen des Urheberrechts und Angebote für Kreative, um diese Unabhängigkeit und Flexibilität mit sozialer Sicherheit und einem angemessenen Einkommen in Einklang zu bringen.
Zukunftsdialog zum Kreativpakt
Neben dieser inhaltlichen Arbeit setzen wir den Dialog mit den Kultur- und Medienschaffenden, Kultureinrichtungen und -verbänden fort. Wir wollen weiterhin Ansprechpartner für ihre Anliegen sein, um diese aufzugreifen, auf die politische Agenda zu setzen und Lösungen für offene Fragen zu erarbeiten.
Dazu dient auch unser Zukunftsdialog online, eine Plattform bei der jeder Interessierte mitmachen kann und Vorschläge einbringen bzw. die Vorschläge und Ideen anderer, etwa zum Kreativpakt, bewerten kanm: zukunftsdialog.spdfraktion.de.