Der Weg dahin war schwierig und nicht immer von Fairness auf Seiten der Regierung geprägt. Die 3.200 Vermittlerstellen, die 2010 planmäßig bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Entfristung anstanden, hatte Schwarz-Gelb entgegen der Verabredung mit uns im Dezember 2009 im Haushaltsausschuss gesperrt. Auch nach der jüngsten Kompromissfindung bei der Jobcenter-Reform haben die Regierungsfraktionen diesen Punkt mehrfach von der Tagesordnung des Haushaltsausschusses genommen. Die Entfristung der 3.200 Stellen wurde nun vergangene Woche endlich im Haushaltsausschuss beschlossen. Damit haben wir die entsprechenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) sowie zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende am 17. Juni in abschließender Lesung im Bundestag beraten können.

Die gesetzliche Neuregelung ermöglicht es, dass die Hilfe aus einer Hand für Langzeitarbeitslose erfolgreich weitergeführt werden kann. Gegen den Willen von Schwarz-Gelb, die in ihrer Koalitionsvereinbarung die getrennte Aufgabenwahrnehmung vorgesehen hatten, können die Argen jetzt grundgesetzlich abgesichert und als gemeinsame Einrichtung zwischen Kommune und Agentur für Arbeit weitergeführt werden.

Das neue Jobcenter ist künftig der Regelfall zur Betreuung von Arbeitsuchenden. Die derzeit bestehenden 69 Optionskommunen, die die Betreuung in eigener Regie wahrnehmen, werden entfristet. Zudem sollen in begrenztem Umfang weitere Optionen ermöglicht werden. Insgesamt soll die kommunale Trägerschaft nicht mehr als 25 Prozent der Aufgabenträger im Bundesgebiet umfassen (inkl. der bestehenden 69 also insgesamt 110 Optionskommunen).

 

Wir konnten damit auch verhindern, dass durch die völlige Freigabe der Option der Bund aus der Verantwortung für die Arbeitsuchenden herausgenommen wird. Bund und Kommunen haben auch weiterhin ein gemeinsames Interesse daran, Arbeitsuchende in Arbeit zu integrieren. Die Steuerung erfolgt über Fach- und Rechtsaufsicht sowie Zielvereinbarungen. Eine Fachaufsicht wird es über die Optionskommunen nicht geben. Hier gilt allerdings eine Rechtsaufsicht und die Steuerung über Zielvereinbarungen mit Controlling und Benchmarking. Es existiert eine umfangreiche Finanzkontrolle.

Der Betreuungsschlüssel in den Jobcentern wird weiter verbessert. Dies gilt auch für die Optionskommunen. Hier konnten wir uns mit einem wichtigen Anliegen durchsetzen. Die entsprechende Betreuungsrelation wird gesetzlich verankert. Als Festlegung für den Schlüssel sind vorgesehen: Ein Arbeitsvermittler für 75 erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren und ein Arbeitsvermittler für 150 Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Diese gesetzliche Festlegung stärkt die individuelle Betreuung und verbessert die Chancen von Arbeitsuchenden, wieder in Arbeit zu kommen.

 

Rede der Sprecherin der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales Anette Kramme am 17.06.2010

 

 

Mit einem Änderungsantrag wurden gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurfs noch zwei Punkte geändert. Zum einen soll das letzte Wort bei der Feststellung der Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen nun nicht mehr der Medizinische Dienst der Krankenkassen haben, sondern die Rentenversicherung. Zum anderen wurden Übergangsfristen verändert. Leistungsträger, die bisher ihre Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende getrennt wahrnehmen, also nicht in Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit (Argen), haben nun bis 31.12.2011 Zeit, sich zu entscheiden, ob sie sich in Argen umwandeln wollen oder in sogenannten Optionskommunen, also kommunale Träger, die Langzeitarbeitslose in Eigenregie betreuen. Darüber hinaus soll der Begriff „Jobcenter“ künftig für alle Träger der Grundsicherung, auch die Optionskommunen, verwendet werden.

 

Gemeinsamer Entschließungsantrag

Zusätzlich haben wir, gemeinsam mit den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einen Entschließungsantrag  eingebracht, mit dem wir feststellen:

  • dass sich die gemeinsame Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die der Bundesagentur für Arbeit zugehörigen örtlichen Agenturen für Arbeit und die jeweils zuständigen kommunalen Trägern grundsätzlich bewährt hat. Die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen gewährleistet, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus einer Hand betreut werden und Leistungen aus einer Hand erhalten.
  • dass die gemeinsame Durchführung daher als Regelfall fortgesetzt werden soll. Daneben sollen die bisher in einer Experimentierklausel im SGB II geregelten Zulassungen von einzelnen Kommunen zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung verstetigt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende von einer begrenzten Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde auch künftig allein wahrgenommen werden können.
  • dass die Zahl der Optionskommunen bezogen auf die bestehende Gesamtzahl der Aufgabenträger im Bundesgebiet bis zu einem Viertel betragen kann.
     

Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts

Hintergrund für die Entscheidung ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Zusammenarbeit von Kommunen und Bund für verfassungswidrig erklärt hat, weil das Grundgesetz eine Zusammenarbeit von Kommunen und Bund nicht vorsieht. Die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, endet am 31.12.2010. Dann haben die ARGEN und die Optionskommunen keine Rechtsgrundlage mehr. Da sich diese Strukturen aber als intakt und arbeitsfähig erwiesen haben, sollte eine Möglichkeit gefunden werden, mit einer Grundgesetzänderung die Modelle zu erhalten. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte dazu bereits im Dezember zwei Gesetzentwürfe im Bundestag eingebracht. Diese Gesetzentwürfe basierten auf dem noch von Olaf Scholz mit den Ländern ausgehandelten Vorschlag.

Alle 16 Ministerpräsidenten der Länder hatten im März 2009 dem Vorschlag des damaligen Arbeitsministers Olaf Scholz zugestimmt, ebenso das CDU-Präsidium. Wer nicht zustimmte, war die CDU/CSU-Fraktion. Damit scheiterte eine vernünftige Lösung in einer für den Arbeitsmarkt schwierigen Zeit. Die neue schwarzgelbe Regierung widerstand dann viel zu lange einer vernünftigen Lösung. Erst als die Länder sich eindeutig für eine Grundgesetzänderung ausgesprochen hatten und Frau von der Leyen mit ihrem Vorschlag am Widerstand der Länder zu scheitern drohte, lenkte die Ministerin ein. Die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch geführten Länder waren bereit, gemeinsam die notwenidgen Mehrheiten für eine Verfassungsänderung zur Absicherung der Argen zu bilden. Nicht, um der Bundesregierung zu helfen, sondern weil ihre Handlungsunfähigkeit nicht zu Lasten arbeitsloser Menschen gehen darf.