Die Strukturen, die im Bereich der erneuerbaren Engerien aufgebaut worden sind, die Märkte und Arbeitsplätze, die entstanden sind, werden wieder verloren gehen. Tolle Bilanz nach einem halben Jahr Schwarz-Gelb!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Nüßlein,

jetzt habe ich Ihre Logik, warum dieses Mal, genau wie im Jahre 2000, keine Länderbeteiligung notwendig ist, endlich verstanden: weil wir, wie Sie gerade gesagt haben, schon damals eine Verlängerung der Laufzeit um 20 Jahre beschlossen haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Zumindest wenn man in Ihrer Logik bleibt, ist das nachvollziehbar. Sie gestatten uns aber, dass wir das ein bisschen anders sehen.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Gegenüber der Forderung der Grünen ist das aber richtig!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wenn man sich anschaut, was im letzten guten halben Jahr im Bereich der Energiepolitik dieser Regierungskoalition passiert ist, dann fällt einem eigentlich nur eines auf, nämlich die Ankündigung eines Energiekonzeptes für den Herbst 2010. Das Einzige, was darüber hinaus konkret gesagt worden ist, lautet: Wir wollen die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken. – Ansonsten: Funkstille.

(Ulrich Kelber [SPD]: Und eine Kürzung bei den Erneuerbaren!)

Wenn man sich die Praxis ansieht, also das, was zwischenzeitlich passiert ist, dann stellt man fest: All das, was erfolgreich durchgeführt worden ist, ist mittlerweile in Gefahr. Beispielsweise läuft das erfolgreiche Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien im Wärmebereich jetzt aus; der Finanzminister ist in einem heftigen Streit mit dem Umweltminister. Die Mittel für das CO2- Gebäudesanierungsprogramm werden nur bis etwa Mitte dieses Jahres ausreichen; anschließend wird auch dieses Programm, jedenfalls zunächst einmal, unterbrochen.

Das bedeutet, die Strukturen, die aufgebaut worden sind, die Märkte und Arbeitsplätze, die entstanden sind, werden wieder verloren gehen. Tolle Bilanz nach einem halben Jahr!

(Beifall bei der SPD)

Was das Thema Laufzeitverlängerung angeht, hat es von Anfang an innerhalb der Union und innerhalb der Koalition eine Dissonanz der Stimmen gegeben. Es hat immer wieder Stimmen gegeben, die darauf aufmerksam gemacht haben, welche Folgen man sich damit eigentlich einkauft. Es wurden, zum Beispiel von den neuen Energieanbietern, Gutachten in Auftrag gegeben, in denen darauf hingewiesen wurde, dass schon getätigte Investitionen gefährdet sind und geplante Investitionen zurückgestellt werden, dass also genau das, was Sie, Herr Minister, eingefordert haben, nämlich Planbarkeit und Zuverlässigkeit, verloren gegangen ist und deshalb Investitionen, die dringend notwendig sind, zurzeit unterbleiben und vermutlich auch in der Perspektive nicht getätigt werden.

In den Gutachten wurden auch die wettbewerblichen Folgen einer Laufzeitverlängerung thematisiert. Hier werden Strukturen zementiert, die wir eigentlich zurückbauen wollen. Wir werden nämlich erleben, dass insbesondere die großen Vier gestärkt werden, weil sie die Kernkraftwerke haben, und die anderen ihre Marktposition letztlich nicht werden ausbauen können. Vor diesem Hintergrund und insbesondere in Anbetracht der Ziele, die Sie gerade selbst genannt haben – Klarheit und Investitionssicherheit –, kann man nur an Sie appellieren: Rücken Sie von diesem Kurs ab, der auch in Ihren eigenen Reihen höchst umstritten ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Tüpfelchen auf dem i ist die Frage der Länderbeteiligung. Natürlich kann man hier einen Vortrag halten, wie es der Minister gerade getan hat, und suggerieren, dass jetzt alles sauber und ergebnisoffen geprüft wird. Nur, wie wollen Sie dann erklären, was zurzeit in Ihren eigenen Reihen öffentlich geschieht? Erklären Sie doch dann einmal die Äußerungen der Ministerpräsidenten, in deren Ländern Kernkraftwerke stehen, gleichen Sie diese Aussagen mit den Äußerungen der Ministerpräsidenten ab, die auch betroffen sind, in deren Verantwortungsbereich es aber keine Kernkraftwerke gibt, und kommentieren Sie dann die unterschiedlichen Äußerungen auch von Teilen der Bundesregierung. Wenn das alles so harmlos ist, wenn es hier nur um eine ergebnisoffene Prüfung geht, dann würde mich wirklich interessieren, wie diese Dissonanzen tatsächlich zu erklären sind.

Ich will es Ihnen sagen: Es ist nicht nur eine verfassungsrechtliche, sondern durchaus auch eine moralische Frage, ob man die Länder, die eindeutig betroffen sind, beteiligt. Experten sagen sogar: Wenn nur Unklarheit besteht, ob es Konsequenzen für die Länder gibt – zum Beispiel finanzielle Folgen –, löst das automatisch eine Zustimmungspflicht aus. Orientieren Sie sich bitte an diesem Grundsatz! Am besten aber: Kommen Sie von einer falschen Energiepolitik ab! Versuchen Sie, wieder in der Kontinuität dessen zu handeln, was in den elf Jahren zuvor aufgebaut worden ist!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)