Niels Annen (SPD):
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für einen starken, wehrhaften Staat. Ich denke, es gibt einen Zusammenhang mit dem Thema, das wir heute diskutieren. Die letzten zwei Jahre haben uns zum Teil sehr schmerzhaft vor Augen geführt, dass wir auch auf unserem Kontinent, in unserem eigenen Land vom Terrorismus bedroht sind. Paris, Brüssel, Nizza, Istanbul und natürlich der schreckliche Anschlag in Berlin haben das gezeigt. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus geht es deshalb natürlich auch um unsere eigene Sicherheit. Aber ich glaube, durch die ausführliche Antwort der Bundesregierung auf Ihre Große Anfrage ist auch deutlich geworden: Die einseitige Ausrichtung auf militärische Instrumente war ein Fehler. Und es war ein gravierender Fehler von George W. Bush, dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten, dass er eine Politik vertreten hat, die unsere eigenen westlichen Werte zum Teil infrage gestellt hat. Die Stichworte „Guantánamo“ und „Abu Ghuraib“ sind genannt worden. Das will ich auch hier noch einmal unterstreichen, zu einer Stunde, in der in Washington vom neuen amerikanischen Präsidenten Trump darüber gesprochen wird, wieder Folter, zum Beispiel Waterboarding, einzusetzen.
(Dagmar Freitag [SPD]: Unglaublich!)
Wenn das der Weg ist, dann wird dieser Kampf gegen den internationalen Terrorismus, den wir gemeinsam auf einer gemeinsamen Wertegrundlage führen müssen, nicht erfolgreich sein können. Deswegen sind wir über diese Entwicklung mehr als besorgt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Die Themen, die in der Großen Anfrage angesprochen werden, beziehen sich auf eine Reihe von Ländern. Deswegen will ich hier den Irak noch einmal hervorheben. Man muss daran erinnern, dass es damals, 2003, die richtige Entscheidung von Gerhard Schröder war, sich gegen diesen Krieg auszusprechen, und zwar nicht nur gegen den massiven Widerstand aus Washington, sondern auch hier in Deutschland – daran darf ich erinnern – vonseiten der geschätzten Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion.
(Dagmar Freitag [SPD]: Genau!)
Wir müssen die Ursachen für die Entstehung von Terrorismus noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Ungerechtigkeiten, Ungleichheit, Diskriminierung, Gewalterfahrungen: Das ist ein idealer Nährboden. Umgekehrt heißt das aber: Nur in einer inklusiven Gesellschaft, in der es Partizipationsmöglichkeiten und ökonomische Chancen gibt, sind die Risiken für eine Radikalisierung geringer. Deswegen glaube ich auch, dass es, wenn wir heute über den Irak sprechen, wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir natürlich alle versucht haben, aus Fehlern, die gemacht worden sind, zu lernen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in diesem Parlament Mittel bereitgestellt haben, um beispielsweise die vom IS befreiten Gebiete im Irak und hoffentlich bald auch in Syrien schnell mit der notwendigen Infrastruktur, mit einer guten Gesundheitsversorgung und mit schnellen Hilfen für die Bevölkerung versorgen zu können, damit auch dort diese Fehler nicht noch einmal gemacht werden. Es geht also um die Prävention von Konflikten und einen politischen Dialog. Aber auch die Dialogbereitschaft von Konfliktakteuren muss unterstützt werden. Das alles ist richtig. Trotzdem – das gehört zur Ehrlichkeit der Debatte – wird es auch in Zukunft immer wieder Situationen geben, in denen neben polizeilichen und zivilen Maßnahmen eben auch militärische Gewalt notwendig ist, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Deswegen glaube ich, dass der Weg, sich zu einem inklusiven Ansatz zu bekennen und einen breiten Instrumentenkasten bereitzuhalten, der richtige ist. Ich glaube auch, dass das aus den Antworten, die die Regierung hier gegeben hat, hervorgeht. Ein weiteres Beispiel – wir haben das gerade diskutiert – ist der Einsatz in Mali. Es wird gesagt, dort würde Afghanistan quasi wiederholt. Das Gegenteil ist der Fall. Der politische Prozess und die Unterstützung bei der Einhaltung eines abgeschlossenen Friedensvertrages stehen im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Gleichzeitig wissen wir, dass es Gegner, ja, Feinde dieses Friedensvertrages gibt, die mit militärischer Gewalt versuchen, diesen Friedensschluss, diesen Versöhnungsprozess in diesem Land, zu unterminieren. Deswegen machen wir beides: Wir beteiligen uns an dem politischen Dialog und unterstützen ihn dort, wo wir das können, mit den Instrumenten, die wir seit der rot-grünen Bundesregierung geschaffen haben, aber wir sind eben auch dabei, wenn auf der Grundlage eines Mandates der Vereinten Nationen eine Militärmission notwendig ist. Wir tun das in der Überzeugung, die, glaube ich, in den letzten Jahrzehnten in unserem Land gewachsen und von Bundesregierungen aller Couleur getragen worden ist, nämlich dass wir diesen Weg mit Partnern und nicht alleine gehen. Gerade in der tiefen Krise des europäischen Integrationsprojektes und während der Verunsicherung durch die Wahl von Donald Trump und die unklaren Aussagen zur amerikanischen Bündnisverpflichtung können sich unsere Partner darauf verlassen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen. – Ich glaube, das ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen. Eine Rede zu dieser Großen Anfrage wäre wahrscheinlich nicht vollständig, ohne auch etwas zu Afghanistan zu sagen. Das ist wahrscheinlich das Land, mit dem wir uns hier am meisten auseinandergesetzt haben. Dafür gibt es gute Gründe. Mir bleibt jetzt nicht die Zeit, eine umfassende Bilanz zu ziehen. Aber in der Zusammenfassung fällt natürlich die Bilanz des internationalen Afghanistan-Einsatzes ernüchternd aus.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie können auch „desaströs“ sagen!)
Das ist gar keine Frage. Es verbleiben große Probleme. Meine Damen und Herren, wir verschweigen aber auch nicht die Rückschläge, die es gegeben hat. Wir verschweigen nicht die verbleibenden Probleme. Meine Bitte, gerichtet an die Linksfraktion, ist: Verschweigen Sie auch nicht die Fortschritte, die wir erreicht haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich meine die Fortschritte gerade für die Menschen in diesem Land, die in den großen Städten wieder die Möglichkeit haben, ein einigermaßen verlässliches Leben zu führen und ihre Kinder in die Schulen zu schicken; Städte, in denen es wieder Universitäten und ökonomische Bewegungen gibt; Städte, die Perspektiven bieten, die wir unterstützen müssen. Es bliebe noch viel zu sagen. Es sind in der Tat viele auch für unsere Arbeit wichtige Hinweise und Erkenntnisse in der Antwort auf diese Große Anfrage zu finden. Trotzdem will ich Ihnen zum Schluss eines sagen. Ich habe mir zum Beispiel die Frage 90 sehr genau angesehen. Da fragen Sie die Bundesregierung: Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die zehn häufigsten Todesursachen der Bevölkerung in Pakistan ...? Abgesehen davon, dass Sie die Bundesregierung ein bisschen mit Wikipedia verwechseln, ist es für uns natürlich eine unerlässliche Erkenntnis, jetzt zu wissen, dass die häufigsten Todesursachen in Pakistan Herzinfarkte, Schlaganfälle, Lungenentzündungen, Durchfallerkrankungen und Raucherlungen sind. Wahrscheinlich sind Sie doch ein bisschen enttäuscht darüber, dass die häufigste Todesursache in Pakistan nichts mit amerikanischen Drohnenangriffen zu tun hat.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist ja widerlich!)
So viel zur Seriosität Ihrer Fragen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)