In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich einer aktuellen Stunde zur Lage in Aleppo und Syrien am 30.11.2016 unterstützt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion den Außenminister Frank-Walter Steinmeier in seinem Bestreben nach einer diplomatischen Lösung des Konfliktes. Zudem weist er angesichts des Vowurfs, Deutschland bringe sich nicht ausreichend ein, auf das breite Engagement der Bundesrepublik als größter humanitärer Geber hin.  

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich muss ehrlich sagen: Ich hätte mir angesichts der dramatischen Bilder aus Aleppo und Syrien eine andere Debatte hier gewünscht.
Auch der angemessene Ton täuscht am Ende diejenigen, die heute unserer Debatte lauschen, nicht darüber hinweg, dass all die Fragen, die Sie, Frau Göring Eckardt, gestellt haben, hier von diesem Podium aus vom Bundesaußenminister längst beantwortet worden sind. Es ist schon fast eine Unterstellung, hier die Frage zu stellen: „Tun wir genug?“, weil man diese Frage natürlich immer mit Nein beantworten kann, sie so wahrscheinlich sogar beantworten muss, wenn man sich die Bilder anschaut. Aber Sie unterstellen hiermit doch indirekt, dass wir uns nicht um Frieden in Syrien bemühten. Deshalb will ich Ihrem Gedächtnis einmal ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich muss das leider auch zu meinem Kollegen Norbert Röttgen sagen, der, soweit ich weiß, ja die Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses geleitet hat, in denen systematisch und regelmäßig darüber berichtet wurde, was wir gemacht haben. Ich will Sie deswegen daran erinnern, was wir gemacht haben.

Es war Außenminister Steinmeier, der sich vom ersten Tag an, nachdem er in das Amt zurückgekehrt ist, um das Dossier gekümmert hat, der sich darum bemüht hat, ja darum gekämpft hat, dass die unterschiedlichen ausländischen Mächte, die dort Einfluss nehmen, endlich an einem Tisch Platz nehmen. Das haben wir am Ende auch erreicht. Es sind Abgeordnete aus allen Fraktionen dieses Hauses dabei gewesen: bei schwierigen Reisen in den Iran, nach Saudi-Arabien, bei Gesprächen auf internationalen Konferenzen.

Nun kann man sich natürlich hinstellen – das würde ich ja vielleicht auch tun – und sagen: Das war insgesamt noch nicht genug. – Aber wir sind ein Teil der Weltgemeinschaft. Wir sind keine Militärmacht in der Region, und wir wollen das auch nicht sein.

Dann habe ich auch die schöne Frage hier gehört: Tun wir humanitär genug? Frau Göring-Eckardt, als Sie die Frage gestellt haben, hätten Sie auch einmal darauf hinweisen können, dass dieser Bundestag gerade einen Haushalt beschlossen hat, der uns zur größten Gebernation für die Flüchtlinge in Syrien und in den syrischen Nachbarländern macht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie haben auch nicht darüber gesprochen, was wir alle in unseren Gemeinden und Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen leisten.

Ich glaube, dass diese Debatte, die wir mit einer Mischung aus Ohnmacht und Wut führen – einer Wut, die wir alle empfinden –, nicht dazu führen darf, dass wir uns hier auf ein hohes moralisches Podest stellen und uns gegenseitig Vorwürfe machen. Das hilft übrigens auch den Menschen in Syrien nicht weiter. Ich will Sie stattdessen noch einmal daran erinnern, dass wir viele der Punkte, die hier indirekt in Vorwurfsform formuliert worden sind, längst umsetzen:

Das Außenministerium unterstützt, seit Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister ist, die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, die in Syrien begangen werden, Herr Kollege Röttgen. Wir finanzieren einen Großteil der Arbeit der Commission for International Justice and Accountability, die mit Kontaktleuten in der Region, mit zivilen Organisationen, die unter unfassbaren Bedingungen noch immer in Syrien arbeiten können, Kriegsverbrechen dokumentiert. Deswegen ist die Botschaft an Diktator Assad und seine russischen Verbündeten, aber auch – da muss ich Frau Hänsel zustimmen – an einige der islamistischen Milizen, die dort Verbrechen begehen, ganz eindeutig: Wir wollen alles dafür tun, dass es ein politisches Arrangement gibt. – Wir haben die Erfahrung im Bürgerkrieg in Jugoslawien gemacht, dass beides möglich ist: ein politisches Arrangement und trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt die juristische Verfolgung von schweren und schwersten Straftaten. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Politik der Bundesregierung. Ich finde das richtig.

Da hier einige meiner Kollegen die Gespräche mit den Weißhelmen erwähnt haben: Auch ich habe solche Gespräche gemeinsam mit der Kollegin Brantner geführt. Seit Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister unseres Landes ist, unterstützt das Auswärtige Amt die Arbeit der Weißhelme mit relevanten finanziellen Mitteln. Wir haben die Vertreter der Weißhelme hier gemeinsam und hochrangig empfangen und zugesagt, wir werden deren Arbeit weiter unterstützen. Hier duckt sich also niemand weg.

Ich empfinde es auch als einen infamen Vorwurf, hier indirekt zu suggerieren, es werde nicht über den Krieg in Syrien gesprochen. Wir schweigen auch nicht über den Krieg in Syrien. Aber über eines müssen wir uns, glaube ich, im Klaren sein: Wenn wir uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages hierhinstellen und unsere eigene Ohnmacht zelebrieren und nicht über das reden, was wir in unglaublich mühsamen, schwierigen Verhandlungen an fragilen Netzwerken zur Lösung dieses Konfliktes auf den Weg gebracht haben, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn die Bürgerinnen und Bürger, die möglicherweise dieser Debatte zuschauen, den Eindruck haben: Da kann man eh nichts machen. – Ich bin nicht dieser Meinung. Ich bin deswegen auch nicht der Meinung, dass es das richtige Signal ist, auf der einen Seite zu sagen: „Wir brauchen eine politische Lösung“, und mit dem nächsten Satz zu sagen: Wir müssen jetzt zusätzliche Sanktionen verhängen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich möchte denjenigen sehen, der das Gespräch mit der russischen Seite führt, wenn das die erste Botschaft ist. Es ist ein Teil der Ehrlichkeit, die hier eingefordert wird – auch mir gefällt das nicht –, ganz nüchtern darauf hinzuweisen, dass sich ohne Russland dieser Konflikt nicht wird lösen lassen. Deswegen müssen wir diesen Gesprächsdraht zwischen Frank-Walter Steinmeier und Herrn Lawrow aufrechterhalten, ohne dabei über die Verbrechen, für die Moskau mitverantwortlich ist, zu schweigen, und das tun wir auch nicht.

(Beifall bei der SPD)