Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will in meiner Rede zum Armuts- und Reichtumsbericht mit viel Positivem beginnen.
Kai Whittaker [CDU/CSU]: Endlich! Ich habe daran gar nicht mehr geglaubt!
Ich freue mich zunächst einmal, dass dieser Tagesordnungspunkt heute, trotz pickepackevoller Tagesordnung, doch zu einer sehr prominenten Zeit mit aufgesetzt und ausreichend Redezeit vorgesehen wurde. Klar, wir könnten noch viel mehr Zeit damit füllen. Auf alle Fälle wird das aber dem Thema gerecht. Darüber freue ich mich sehr.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN
Dieser Armuts- und Reichtumsbericht unterliegt nicht der Diskontinuität, das heißt, auch nach den Wahlen ist er noch aktuell.
Anja Karliczek [CDU/CSU]: Es ist ein Bericht und kein Gesetz!
Viele Erkenntnisse aus diesem Bericht gehören in den nächsten Koalitionsvertrag. Wir als SPD-Fraktion werden uns dafür einsetzen, dass viele der Erkenntnisse dort einfießen.
Beifall bei der SPD
Wenn man mit den Menschen spricht, die an der Entstehung des Berichts beteiligt waren, nimmt man zudem eine große Zufriedenheit wahr. Überall wird die Transparenz gelobt, die Beteiligung gelobt, die Website gelobt, in der man jede Studie, jede Zahl fndet. Ich will dieses Lob auch Andrea Nahles und ihrem Haus aussprechen. Es war eine harte, eine intensive, vor allem eine gute und transparente Arbeit, die da geleistet worden ist.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kristina Schröder [Wiesbaden] [CDU/ CSU]
Ich stimme auch zu, dass es sich auszahlt, dass es sich um einen Regierungsbericht handelt. Bei aller Kritik ist das immer eine Abwägungsfrage, aber kaum ein Bericht hat eine so große Prominenz und Öfentlichkeit wie unser Armuts- und Reichtumsbericht. Das liegt auch daran, dass darüber, wenn es einmal Unstimmigkeiten in der Regierung gibt, öfentlich verhandelt wird und dass Ministerinnen und Minister diesen Bericht vorstellen und hinter diesem Bericht stehen. Ich fnde, das sollte so bleiben.
Beifall des Abg. Markus Paschke [SPD]
Das war es jetzt aber mit der unumwundenen Freude und Zufriedenheit. Wenn ich in diesen Bericht schaue, dann stelle ich fest: Sein Inhalt lädt eher zu Nachdenklichkeit ein und fordert heraus, und zwar zum Handeln. Bei aller Freude über die guten Arbeitsmarktzahlen – und die Freude gehört dazu –: Die Schere zwischen Arm und Reich ist in unserem Land zu weit auseinandergegangen. Ja, sie mag nicht weiter auseinandergehen, aber sie ist zu weit auseinander. Ich fnde, das muss man zunächst einmal ofen ansprechen. Herr Whittaker, es liegt auf dem Tisch, dass wir sehr unterschiedliche Ansätze haben, mit dem Thema Armut und Reichtum umzugehen. Sie versuchen, mit doch sehr kruden Ansätzen zu erklären, warum die Schere so weit auseinander ist und warum das okay ist.
Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ich sage nicht, dass das okay ist!
Wir sagen: Nein, wir wollen das ändern. Wir wollen zu einer anderen Verteilung in diesem Land kommen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN
Sie umschifen das Thema Kinderarmut und wollen am liebsten nicht darüber reden.
Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Das habe ich doch angesprochen!
Wir sagen: Wir müssen genau hinschauen, wie es den Kindern in unserem Land geht. Jedes Kind, das in Armut aufwächst, ist ein Kind zu viel.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN
Auch deshalb, weil es uns um Verteilungsgerechtigkeit geht, haben wir ein gutes und ausgewogenes Steuerkonzept vorgelegt. Das stellen wir zur Wahl, und die Menschen werden im September auch darüber abstimmen, ob kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, ob Familien entlastet werden und ob höhere und höchste Einkommen stärker belastet werden. Das ist ein richtiger Schritt hin zu mehr Verteilungsgerechtigkeit.
Beifall bei der SPD
Wer den Bericht und die Studien liest, stellt auch fest: Wir haben eine Herausforderung im Bereich der atypischen Beschäftigung. Wenn man sich die Zahlen und Kohorten ansieht, dann stellt man fest, dass die jüngeren Menschen regelhaft beim Berufseinstieg mit Befristungen konfrontiert sind; das ist ofenbar mittlerweile normal. Wir sagen: Das ist nicht normal. Wir wollen, dass unbefristete Beschäftigung der Regelfall ist. Deswegen bedauern wir es, dass die sachgrundlose Befristung in dieser Legislatur nicht abgeschaft werden konnte. Aber wir haben uns fest vorgenommen, die sachgrundlose Befristung nach der Wahl abzuschafen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD
Herr Whittaker, es geht natürlich nicht nur um die Höhe von Sozialleistungen. Darin sind wir uns einig. Es muss auch um Integrationskurse gehen und um Teilhabe für Langzeitarbeitslose. Aber an einer Stelle widerspreche ich Ihnen komplett, nämlich im Bereich der Altersarmut. Wir laufen hier sehenden Auges in ein massives Problem hinein. Das hat auch mit der Höhe von Sozialleistungen zu tun.
Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das hat etwas mit den Löhnen zu tun, nicht mit den Sozialtransfers!
Ich habe vor kurzem eine Friseurin aus meinem Wahlkreis kennengelernt, die 51 Jahre lang Haare geschnitten hat und auf ihrem Rentenkonto 20 Rentenpunkte angesammelt hat. Sie bekommt 650 Euro Rente.
Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gut zuhören, Herr Whittaker!
Wenn sie in den nächsten Monaten in Rente geht, kommen wir mit einer Lösung vielleicht zu spät. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn schon diese Regierung hier etwas Vernünftiges hinbekommen hätte, ganz konkret für diese Menschen.
Kai Whittaker [CDU/CSU]: Aber daran ändern Sozialtransfers auch nichts! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber natürlich! Wir brauchen eine Mindestrente!
Natürlich müssen wir, weil es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe geht, Steuergelder in die Hand nehmen, um dieses Thema anzugehen. Das heißt, wir brauchen eine Solidarrente für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben – besser heute als morgen, so schnell wie möglich.
Beifall bei der SPD
650 Seiten haben wir hier vorgelegt bekommen, und es gibt schon viele Ideen, was alles im sechsten Armutsund Reichtumsbericht, der hofentlich kommen wird und ein guter und spannender Bericht sein wird, drinstehen soll; es wird kaum ein weniger dicker Bericht sein. Ich fnde, es sind 650 Seiten Argumente für sozialdemokratische Politik, für eine Politik für mehr Gerechtigkeit. In diesem Sinne: Wir Sozialdemokraten nehmen uns diesen guten Bericht zu Herzen, nehmen ihn mit und wollen versuchen, viele Anregungen daraus in reale Politik umzusetzen. Vielen Dank fürs Zuhören.
Beifall bei der SPD