Es gibt Situationen, in denen die Voraussetzungen des Paragraphen 177 Strafgesetzbuch (StGB, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) nicht vorliegen, die aber dennoch in strafwürdiger Weise für sexuelle Handlungen ausgenutzt werden. Das ist der Fall, wenn das Opfer aufgrund der überraschenden Handlungen des Täters keinen Widerstand leisten kann oder wenn das Opfer nur aus Furcht von Widerstand absieht. Dieses Verhalten kann nach geltender Rechtslage auch von anderen Vorschriften, wie zum Beispiel dem Straftatbestand der Nötigung oder der Beleidigung, nur unter bestimmten Voraussetzungen bestraft werden, die in den genannten Fällen jedoch häufig nicht gegeben sind. Die heutige Rechtslage ist diesbezüglich eindeutig ungenügend. Die Koalition will diesen Missstand zeitnah beseitigen.
Der Gesetzentwurf, über den am Donnerstag in 1. Lesung beraten wurde (Drs. 18/8210), sieht daher neue Straftatbestände vor, mit denen sexueller Missbrauch unter Strafe gestellt wird. Unter der neuen Überschrift „Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ macht sich zukünftig nach Paragraph 179 Absatz 1 StGB-E strafbar, wer unter Ausnutzung einer Lage, in der eine andere Person
- aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands zum Widerstand unfähig ist,
- aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig ist oder
- im Fall ihres Widerstandes ein empfindliches Übel befürchtet,
sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt.
Auf diese Weise sollen insbesondere Frauen – aber auch Männer – besser als bislang vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Die Koalition schließt die Lücken in den aus Sicht der Praxis relevanten Fällen.
SPD-Fraktionsvize Carola Reimann hat sich für Ergänzungen an dem Gesetzentwurf ausgesprochen. Geklärt werden müsse vor allem, wie der Grundsatz „Nein heißt Nein“ umgesetzt werden könne. Zudem müsse für sexuelle Belästigung endlich ein Straftatbestand geschaffen werden, forderte Reimann. „Das werden wir als eigenen Paragraphen noch hinzufügen müssen“, sagte sie. Sexuelle Belästigung etwa am Arbeitsplatz sei ein großes Problem.
Schutz von Menschen mit Behinderung
Auch in Bezug auf den Schutz von Opfern mit Behinderung wird eingegangen. Der Gesetz-entwurf benennt nämlich erstmals konkrete besonders schwere Fälle, bei deren Vorliegen die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr beträgt. Ein besonders schwerer Fall liegt unter anderem dann vor, wenn der Täter die Widerstandsunfähigkeit ausnutzt, die auf einer Behinderung des Opfers beruht.
Mithilfe des Gesetzentwurfes wird die Bundesregierung zudem auch dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention noch besser gerecht, nach der die Strafbarkeit nicht von einer Gegenwehr des Opfers abhängen darf.