Wird eine Jugendliche oder ein Jugendlicher Opfer eines sexuellen Missbrauchs, beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist nur fünf Jahre nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Schon wenn das Opfer 23 Jahre alt wird, gibt es keine Möglichkeit mehr für eine strafrechtliche Verfolgung. Auch beim sexuellen Missbrauch von Kindern fällt die Verjährungsfrist mit 10 Jahren ab Vollendung des 18. Lebensjahres verhältnismäßig kurz aus. Bei der zivilrechtlichen Verjährung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sieht es nicht besser aus: Hier beträgt die Verjährungsfrist sogar nur drei Jahre ab dem 21. Geburtstag.
Verjährungsfristen verlängern
Die große Zahl aktuell bekannt gewordener Missbrauchsfälle der sechziger, siebziger und achtziger Jahre in kirchlichen und anderen Einrichtungen hat gezeigt, dass betroffene Kinder so massiv traumatisiert sein können, dass sie als Erwachsene erst nach Jahrzehnten in der Lage sind, ihr Schweigen zu brechen.
Deshalb sieht der Gesetzentwurf der SPD vor, die strafrechtliche Verjährungsfrist beim sexuellen Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen auf 20 Jahre zu erhöhen. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist soll auf 30 Jahre verlängert werden.
Angesichts der großen Schwierigkeiten von Betroffenen, das Schweigen zu durchbrechen, wäre die Verlängerung der Verjährungsfristen ein klares Zeichen der gesellschaftlichen Ächtung sexuellen Missbrauchs und der Solidarität mit den Opfern. Die SPD-Bundestagsfraktion hofft daher auf eine breite Unterstützung der Initiative durch die Mitglieder des Deutschen Bundestages.
„Hinsehen, handeln, helfen“ – Maßnahmenpaket gegen Missbrauch
Der jetzt eingebrachte Gesetzentwurf ist Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets, mit dem die SPD-Bundestagsfraktion Kinder und Jugendliche wirksamer gegen sexuelle Gewalt schützen und Betroffene besser unterstützen will. Ein entsprechendes Positionspapier hatte die Fraktion unter dem Titel "Hinsehen, handeln, helfen" bereits im Juli beschlossen.
Neben den straf- und zivilrechtlichen Fragen enthält das SPD-Konzept unter anderem folgende Punkte:
- Beratungsstellen und Hilfsangebote müssen flächendeckend ausgebaut, finanziell abgesichert und besser bekannt gemacht werden. Alle Hilfesuchenden müssen sich darauf verlassen können, Hilfe, Beratung und Zugang zu Therapieangeboten zu erhalten.
- Private und öffentliche Einrichtungen brauchen verbindliche Regelungen und klare, einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen.
- Die Aus- und Weiterbildungsinhalte von Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen systematisch überprüft werden, um das Thema sexuelle Gewalt umfassend zu berücksichtigen.
- Die Erforschung der Bedingungen und Ursachen sexueller Gewalt und die Evaluation der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen sollte intensiviert werden.
- Die Union muss sich endlich dazu durchringen, einer Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz zuzustimmen.
Die Arbeit des Runden Tisches der Bundesregierung wird nur erfolgreich sein können, wenn vor allem die Opfer sexueller Gewalt am Runden Tisch umfassend Gehör finden. Um dazu einen Beitrag zu leisten, hat die SPD-Bundestagsfraktion ihre Forderungen im Austausch mit Vertretern von Betroffenenverbänden und Opferberatungsstellen entwickelt, die am Runden Tisch der Bundesregierung keinen Platz gefunden haben. Die Vorschläge werden von der Kinderbeauftragten der SPD-Fraktion Marlene Rupprecht in die Arbeit des Runden Tisches eingebracht.