Der Gesetzentwurf wurde gemeinsam von den Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen ins Parlament eingebracht. Im März 2013 hatten Bundesregierung, Länder und die im Bundestag vertretenen Fraktionen einen Kompromiss ausgehandelt. Die neue Suche nach einem geeigneten und sicheren Endlager für hochradioaktive Abfälle soll transparent, ergebnisoffen und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen. Gorleben ist im Gesetzentwurf genauso wie alle anderen möglichen Standorte weder gesetzt noch ausgeschlossen.
Endlagersuche seit 40 Jahren umstritten
Der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil, wies in der Debatte am 17. Mai darauf hin, „dass kein anderes Gesetzgebungsverfahren seit 40 Jahre umstritten ist, kein anderes müsse Sicherheit für 1 Million Jahre schaffen, und bei keinem anderen Gesetz gehen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander.“ Als Niedersachse wisse er, wovon er spreche, für alle anderen Länder sei die Endlagersuche abstrakt. Seit 30 Jahren bestehe der Konflikt um ein mögliches Endlager in Gorleben, und im Lager Asse II gefährde radioaktiver Müll das Grundwasser. Wer wissen möge, wie falsche Endlager-Politik aussehe, der „wird in Niedersachsen fündig“, sagte Weil. Er trage den Gesetzentwurf als Kompromiss aus Überzeugung mit, nun trage die Bundesregierung dafür die Verantwortung, dass alle Vereinbarungen im Gesetz stehen und umgesetzt werden.
Für Gorleben galten keine Kriterien – Entscheidung fiel politisch
Die SPD-Obfrau im Gorleben-Untersuchungsausschuss, Ute Vogt, machte darauf aufmerksam, dass die Entscheidung für Gorleben vor mehr als 30 Jahren nicht anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen getroffen worden sei. Sie seien vielmehr missachtet worden. Es habe keine Kriterien gegeben, diese seien dem angestrebten politischen Ergebnis jeweils angepasst worden. Deshalb sei es gut, dass nun vor der Endlagersuche Regeln und ein vergleichendes Standortauswahl festgelegt worden seien, um das sicherstmögliche Endlager zu finden, sagte Vogt.
Aus für Castoren in Gorleben
Für die Bevölkerung rund um Gorleben ist die Zusage enorm wichtig, dass die 26 Castortransporte mit dem Atommüll, den Deutschland von 2015 an aus den Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und Le Hague zurücknehmen muss, nicht nach Gorleben gehen sollen, sondern auf andere Zwischenlager verteilt werden müssen. Das hatte die Bundesregierung während der Verhandlungen zugesagt. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stellten diese Vereinbarung als Teil des Kompromisses am 24. März 2013 der Öffentlichkeit vor.
Andere Bundesländer sollen Atommüll zwischenlagern
In dieser Vereinbarung sieht die SPD-Fraktion nicht nur ein Signal für einen fairen Lastenausgleich zwischen den Bundesländern, schließlich habe Niedersachsen bisher die Hauptlast der Entsorgung von Atommüll getragen. Vor allem sei die Einhaltung der Zusage eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme für das weitere Gesetzgebungsverfahren. Denn so werde sichtbar, dass in Gorleben keine weiteren Fakten geschaffen und auch in anderen Bundesländern Verantwortung für Atommüll übernommen werde. Bislang haben allerdings nur Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg beschlossen, ihren Teil der Verantwortung für den atomaren Abfall zu übernehmen. Doch das reicht nicht aus. Mindestens ein weiteres Land wie Hessen oder Bayern wird sich beteiligen müssen. Außerdem steht eine Verständigung mit den Energieversorgungsunternehmen zur Zwischenlagerung aus.
Standortauswahlgesetz längst nicht in trockenen Tüchern
Nun besteht nach jahrzehntelangem Streit und Stillstand die Chance, die Endlagersuche für hochradioaktiven Abfall konstruktiv und transparent zu lösen. Doch dazu müssen sich alle Beteiligten auch an die Vereinbarungen halten. Das will die SPD-Fraktion durch ihren Beschluss vom 14. Mai sicherstellen. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, im Rahmen der 1. Lesung des Standortauswahlgesetzes im Deutschen Bundestag öffentlich zu erklären, dass die Zusage, keine Castoren aus Sellafield und La Hague mehr in Gorleben zwischenzulagern, eingehalten werde. Das Parlament solle unverzüglich über den Stand der Verhandlungen und der juristischen Prüfungen zur Verteilung der Zwischenlagerung von hochradioaktivem Müll während der Gesetzesberatung informiert werden. Vor der geplanten Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages sei eine Konzeption vorzulegen, wie die Zusage zur Zwischenlagerung rechtssicher umgesetzt werden könne. Die Voraussetzungen für eine rechtssichere Umsetzung sollten im Juni vor der 2./3. Lesung des Standortauswahlgesetzes geschaffen werden.
Die Zusage, keine Castorbehälter mehr nach Gorleben zu schicken, zeige auch, dass es keine Alternative zu einer ergebnisoffenen Endlagersuche gibt. Das gelte vor allem mit Blick auf die notwendigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat, heißt es im Beschluss der SPD-Fraktion. Für sie ist das Standortauswahlgesetz längst noch nicht in trockenen Tüchern.
Öffentliches Forum zum Entwurf des Standortauswahlgesetzes
Vom 31. Mai bis zum 2. Juni wird das Bundesumweltministerium zusammen mit den an der politischen Einigung beteiligten Bundestagsfraktionen das Forum Standortauswahlgesetz zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Berlin ausrichten. Dort haben alle Interessierten die Gelegenheit, ihre Ansichten und Anregungen zum Standortauswahlgesetz einzubringen, bevor das Gesetzgebungsverfahren in die entscheidende Phase tritt. Die Veranstaltung findet im Umweltforum Berlin in der Pufendorfstr. 11 in 10249 Berlin statt. Sie können sich hier über das Forum informieren und ihre Teilnahme anmelden.
Die wichtigsten Inhalte des Gesetzentwurfs
Endlagersuche soll im Konsens erfolgen
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken soll im Konsens zwischen Bund und Ländern, Staat und Gesellschaft sowie mit den Bürgerinnen und Bürgern erfolgen. Für die in Deutschland bereits existierenden und die in den nächsten Jahren dazu kommenden atomaren Abfälle muss in Deutschland ein sicheres Endlager gefunden und eingerichtet werden. Eine Entsorgung in andere Staaten kommt dafür nicht in Frage. Das Endlager muss den hohen Anforderungen für den langfristigen Schutz von Mensch und Umwelt vor den Risiken atomaren Mülls gerecht werden. Das Endlager und die Isolation der radioaktiven Abfälle von der Biosphäre dürfen über einen sehr langen Zeitraum von etwa einer Million Jahre weder durch gesellschaftliche Veränderungen, Änderungen der oberflächennahen Nutzung des Standortes noch durch Klimaveränderungen gefährdet werden.
Gesetz legt Verfahren für Standortauswahl fest
Nach dem Atomgesetz ist der Bund verpflichtet, Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung atomarer Abfälle einzurichten. Dazu soll ein Verfahren zur Standortauswahl mit umfassender Erkundung und Untersuchung geeigneter Standorte gesetzlich geregelt werden. Die Standortentscheidung durch den Gesetzgeber ist die Voraussetzung für ein anschließendes Zulassungsverfahren. Ein vergleichendes Standortauswahlverfahren soll neu eingerichtet werden. Es wird auf die Ermittlung des bestmöglichen Standorts in Deutschland hinsichtlich der Sicherheit ausgerichtet sein. Die Erkundung möglicher Standorte erfolgt nach gesetzlich festgelegten Kriterien über- und unter Tage.
Das Standortauswahlgesetz regelt die Verfahrensschritte für die ergebnisoffene Suche und die Auswahl eines Standorts für ein atomares Endlager. Das Gesetz basiert auf drei Säulen.
- dem Vorrang der Sicherheit in einem wissenschaftsbasierten Verfahren,
- dem Grundsatz eines transparenten und fairen Verfahrens und
- dem Verursacherprinzip.
Die Öffentlichkeit beteiligen
Das Standortauswahlverfahren sieht eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Für die Standortentscheidung ist eine Prognose der Einhaltung der standortbezogenen sicherheitstechnischen Anforderungen maßgeblich. Zusätzlich müssen in der Abwägung öffentliche, private sowie sozioökonomische Belange berücksichtigt werden. Dem Auswahlverfahren vorgelagert wird die Erörterung und Klärung von Grundsatzfragen für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle. Dazu gehören vor allem Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien für die Standortauswahl. Ebenso wird dies Anforderungen an den Auswahlprozess und die Prüfung von Alternativen umfassen. Diese Aufgaben soll die pluralistisch zusammengesetzte Bund-Länder-Kommission zur Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe wahrnehmen.
Energieversorgungsunternehmen sollten Standortsuche finanzieren
Insgesamt wird für das Standortauswahlverfahren ein einmaliger finanzieller Aufwand von mehr als 2 Milliarden Euro geschätzt. Dabei wird von einer übertägigen Erkundung von fünf Standorten und von einer untertätigen Erkundung von zwei Standorten ausgegangen. Allerdings sieht der Gesetzentwurf keine konkrete Anzahl von Standorterkundungen vor. Die Kosten für die Endlagersuche sollen von den Energieversorgungsunternehmen getragen werden.
Bundesamt für kerntechnische Entsorgung einrichten
Um die einen wissenschaftsbasierten Such- und Auswahlprozesse und ein transparentes Verfahren zu gewährleisten soll ein Bundesamt für kerntechnische Entsorgung eingerichtet werden. Dieses Amt soll u. a. die standortbezogenen Erkundungsprogramme und Prüfkriterien entwickeln und festlegen. Zusätzlich soll dort die Standortentscheidung vorbereitet werden. Ist die Standortentscheidung getroffen, soll ein Bundesgesetz die Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle regeln. Das Bundesamt soll zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gehören. Es wird auch die atomrechtliche Genehmigung des Endlagers übernehmen.
Die Durchführung eines Standortauswahlverfahrens für ein atomares Endlager entspricht der internationalen Entwicklung seit Ende der 90er-Jahre. Vorbilder sind z. B. Finnland, Schweden, Kanada und die Schweiz.