Mit Grauen und Entsetzen verfolge man mit den Bildern aus Japan die Katstrophe in Zeitlupe sagte Steinmeier. Es seien Tage ohne Gewissheit über die Dimension der schrecklichen Folgen. „Was wir jetzt erleben ist eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes,” erklärte er. Die Welt werde nicht mehr dieselbe sein wie vorher. Es sei jetzt die Stunde der Anteilnahme und der Solidarität. Die Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer, bei den 100.000 Kindern, die ihre Eltern suchen, bei vielen Helferinnen und Helfern und besonders bei denen, die in Fukushima wissentlich ihr Leben riskieren und dafür kämpfen das Allerschlimmste zu verhindern.
Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier vom 17.3.2011
Das japanische Volk müsse sich auf die Hilfe Deutschlands verlassen können. Er sei sich sicher, dass neben Bundesregierung und Hilfsorganisationen auch die deutsche Bevölkerung ihre Hilfsbereitschaft unter Beweis stellen werde. Doch die Menschen in Deutschland seien durch die atomare Katastrophe in Fukushima gleichzeitig besorgt. Sie fragen sich, ob dies auch hier passieren könne. Die Politik müsse jetzt beantworten, ob sie die Atomtechnologie verantworten kann.
Die Sorgen der Menschen bestehen nicht erst seit der Atomkatastrophe von Fukushima
Es sei notwendig aus Katastrophen zu lernen und wer das nicht tue, hätte in der Politik nichts zu suchen. Doch wer heute das Gegenteil von dem verkünde, was er über Jahre vertreten habe, müsse die Zweifel an der Glaubwürdigkeit akzeptieren. Merkel hätte in ihrer gesamten politischen Laufbahn die Atomkraft verteidigt. „Sie haben Tschernobyl als Betriebsunfall eines verlodderten Sozialismus abgetan,” sagte Steinmeier. Merkel habe geleugnet und nicht akzeptiert, dass Tschernobyl die Beherrschung einer Hochtechnologie in Frage gestellt habe.
Leichtfertig und ohne Not hätte sie die den Atomkonsens aufgekündigt und die Verlängerung der Laufzeiten durchgesetzt. Der Atomkonsens hätte einen gesellschaftlichen Großkonflikt befriedet, gleichzeitig einen verlässlichen Rahmen für die Energiewirtschaft und den Aufbau neuer Formen der Energieerzeugung geschaffen. „Nur dem Atomkonsens ist es zu verdanken, dass ein Reaktor in einem deutschen Erdbebengefahrengebiet – nämlich Mühlheim-Kärlich - nicht ans Netz gegangen ist,” stellte Steinmeier klar. Auch dieser Reaktor sei nach Meinung von CDU/CSU und FDP und der Atomwirtschaft ein sicherer Reaktor gewesen.
Merkel habe den Atomkonsens gegen die Mehrheit der Bevölkerung aufgekündigt. „Wenn Sie jetzt sagen, Sie nehmen die Sorgen der Menschen ernst, dann ist das nicht glaubwürdig,” sagte Steinmeier. Denn diese Sorgen bestünden nicht erst seit Fukushima, sondern seit Sellafield, Harrisburg, Tschnernobyl und Forsmark.
Laufzeitverlängerung per Gesetz zurücknehmen
Zum Moratorium der Bundesregierung zur Aussetzung der Laufzeitverlängerung stellte Steinmeier klar, dass das Parlament beteiligt werden müsse. Es ginge nicht nach dem Motto „Was interessiert mich mein Gesetz von gestern.” Steinmeier bezeichnete es als peinlich, wenn Verfassungsrechtler wie Morlok und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier die Regierung an den Grundsatz erinnern müssten: „Wer per Gesetz Laufzeiten verlängere müsse sie auch per Gesetz zurücknehmen.”
Ohne Merkels "Kumpanei" mit der Atomwirtschaft wären alte Meiler längst abgeschaltet
Sigmar Gabriel erklärte, die atomare Katastrophe in Fukushima nach dem schweren Erdbeben und dem Tsunami bedeute das „Ende des Atomzeitalters”. Die Atomwirtschaft hätte immer wieder beschwichtigt. Auch nach den Vorfällen im schwedischen Forskmark hätte die deutsche Atomlobby behauptet, so etwas könne in Deutschland nicht passieren. Erst als die Atomaufsicht die Untersuchung der deutschen Meiler angeordnet hatte, hätten die Kraftwerksbetreiber kleinlaut zugegeben, dass so ein Störfall auch in deutschen AKW möglich gewesen wäre. Auch die Pannen in Brunsbüttel und Krümmel seien ein Beleg dafür. Gabriel warf der Kanzlerin vor, sie hätte die Abschaltung von Biblis A und B verweigert als er Bundesumweltminister war und dies vorgeschlagen hatte. Im Herbst letzten Jahres habe Merkel deren Laufzeit noch um acht Jahre verlängert. Ohne ihre “Kumpanei mit der Atomwirtschaft” wären die alten und gefährlichen Reaktoren längst abgeschaltet worden. Die Befürworter des Atomausstiegs seien als Geisterfahrer bezeichnet worden. Doch nun sei klar, wer die Geisterfahrer waren.
Rede des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel vom 17.03.2011:
Schwarz-Gelb hat Sicherheitsmängel vertuscht anstatt Meiler vom Netz zu nehmen
Vor der Laufzeitverlängerung sei Merkel gewarnt worden, zu prüfen, ob die Sicherheit aller AKW dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Und diese Prüfung sei immer die Aufgabe einer Bundesregierung. Nur mit einer „proforma” Beteiligung des Parlaments sei die Laufzeitverlängerung für die ungeprüften AKW und entgegen der Verfassung am Bundesrat vorbei durchgedrückt worden. Das sei unverantwortlich gewesen. Merkel habe “Sicherheit gegen Geld getauscht” warf Gabriel der Bundeskanzlerin vor. Sie fordere nun eine „tabulose Überprüfung” der AKW. Dabei handele es sich um veraltete Sicherheitsprüfungen. Denn das kerntechnische Regelwerk, dass Gabriel 2009 vorgelegt hatte, haben die Kanzlerin und ihr Umweltminister Röttgen letztes Jahr außer Kraft gesetzt. Mit Hilfe des nun im Umweltministerium tätigen Atomlobbyisten Hennenhöfer habe Merkel die Sicherheitsmängel „vertuscht” anstatt die Meiler vom Netz zu nehmen.
Alte und gefährliche Atomkraftwerke endgültig abschalten und zur Austiegsvereinbahrung von 2000 zurückkehren
Gabriel frage sich, wie denn die Überprüfung der Atomkraftwerke jetzt laufe und wie glaubwürdig eine Abschaltung von drei Monaten sei. Die acht Atomkraftwerke müssten auf Dauer abgeschaltet und es müsse zum rot-grünen Atomkonsens zurückgekehrt werden. Für die Überprüfung der Atommeiler müsste das kerntechnische Regelwerk von 2009 gelten und nicht die von Merkel wieder in Kraft gesetzten 30 Jahre alten Regelungen. Dies sei ein „Meilenstein” für Merkels Glaubwürdigkeit. Die Laufzeitverlängerung für die AKW der schwarz-gelben Regierung sei keine Brücke zu den erneuerbaren Energien, sie sei eine „Dauereinrichtung für 40 Jahre”. Denn für die Energiewende hätte die Regierung gerade im Kabinett in den Eckpunkten zum Bundeshalt 2012 die Mittel zusammengestrichen.
Entschließungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion
Die SPD-Bundestagsfraktion hat zu der Regierungserklärung einen Entschließungsantrag eingebracht. Darin fordern die Sozialdemokraten:
- Japan nach Erdbeben, Tsunami und Super-GAU jetzt jede mögliche technische und organisatorische Unterstützung anzubieten,
- Maßnahmen zu ergreifen, um die acht alten und gefährlichen Atomreaktoren unter Verfall der Reststrommenge endgültig still zu legen,
- unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Rücknahme der Laufzeitverlängerung vorzulegen und die 2010 mit der Atomindustrie getroffene Vereinbarung zu kündigen, um zum energiepolitischen Konsens zurückzukehren. Ziel muss sein, den 2000 vereinbarten Atomausstieg zu beschleunigen, um auch die restlichen deutschen Atomkraftwerke in diesem Jahrzehnt endgültig stillzulegen,
- das modernisierte kerntechnische Regelwerk von 2009 sofort wieder in Kraft zu setzen, um den Stand von Wissenschaft und Technik zur Voraussetzung beim Betrieb deutscher Atomkraftwerke zu machen und die Regelungen aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts endlich abzulösen.