Bundesregierung, Mineralöl- und Autokonzerne: Blamabler Auftritt
Zur „Überraschung“ der Verbraucher ist seit Jahresbeginn das sogenannte E10 (Superbenzin mit bis zu 10 Prozent Ethanolanteil) an den Zapfsäulen erhältlich. Der zuständige Umweltminister Röttgen ist vor dem Start abgetaucht, anstatt die Verbraucher zu informieren bzw. von der Mineralölwirtschaft und den Autokonzernen eine umfassende Produktinformation einzufordern, insbesondere was die Verträglichkeit von E10 betrifft. Erst als die Sache bereits in den Sand gesetzt war, versuchte Wirtschaftsminister Brüderle sich medial auf das Thema zu setzen. Sein „E10-Gipfel“ war von vornherein als PR-Aktion ausgelegt, mit dem ergebnisarmen Bekenntnis zu mehr Verbraucherinformation.
Am missglückten Start tragen aber auch die Mineralölkonzerne und die Autohersteller Mitschuld. Die Mineralölwirtschaft verzichtete auf übliche Aktionen zur Markteinführung des neuen Produkts, Tankstellenbetreiber rieten stattdessen das teurere Super Plus zu tanken. Die Autokonzerne geben mittlerweile zwar Auskunft darüber, welche ihrer Fahrzeuge E10 vertragen, mit entsprechenden Garantiezusagen hielten sie sich jedoch vornehm zurück.
Dass höhere Beimischungsquoten von Ethanol kein Problem für neuwertige Autos sind, zeigen viele Beispiele aus dem Ausland. In Frankreich, Schweden oder Brasilien werden die gleichen Autos gefahren wie in Deutschland, ohne dass die Automobilhersteller für diese Märkte Verträglichkeitsbedenken gegen den Einsatz von Ethanol propagiert hätten.
Wir fordern daher, dass die Automobilhersteller verbindliche Garantien über die E10-Verträglichkeit an ihre Kunden weitergeben.
Laut BMU vertragen rund 93 Prozent der in Deutschland zugelassenen Autos die neue Spritsorte. Im Internet unter kann man sich über die Verträglichkeit erkundigen . Künftig soll dies nun auch u.a. an Tankstellen möglich sein. Tankstellen sind übrigens dazu verpflichtet, weiterhin das herkömmliche (Super)Benzin anzubieten, damit E10-unverträgliche Autos und Motorräder betankt werden können.
E10 und Klimaschutz
Gemäß einer EU-Richtlinie sind alle EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Biokraftstoffe einzusetzen. Die höhere Beimischung von Bioethanol zum klimaschädlichen, fossilen Öl soll uns unabhängiger von den knapper werdenden fossilen Kraftstoffen machen und gleichzeitig den Treibhausgasausstoß reduzieren. Voraussetzung ist allerdings, dass das eingesetzte Ethanol nachweislich zum Klimaschutz beiträgt.
Grundsätzlich ist die energetische Verwertung nachwachsender Rohstoffe CO2-neutral, da bei dem Verbrennungsprozess nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie die Pflanze zuvor aus der Atmosphäre aufgenommen hat.
Wir fordern, dass bei der Beurteilung des klimapolitischen Nutzens nachwachsender Rohstoffe die gesamte Produktkette, vom Anbau der Pflanzen bis zu ihrer abschließenden Verwertung, bewertet wird. So wollen wir der weiteren Vernichtung von tropischen Regenwäldern, der problematischen Überdüngung oder den naturschutzfachlichen Risiken von Monokulturen entgegen treten.
Auch der Verdrängungswettbewerb zwischen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Energiepflanzen bedarf einer Feinjustierung. Es macht keinen Sinn, den Anbau von Pflanzen für energetische Zwecke auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen, die als nachhaltig gelten, zu verlagern, wenn für den Anbau von Pflanzen für die Nahrungsmittel- oder Futtermittelproduktion weiterhin Regenwald gerodet wird.
Daher fordern wir, die Nachhaltigkeitsverordnung, die bisher nur für den Anbau von Pflanzen zur energetischen Verwertung gilt, auch auf die Verwendung in der Futtermittel- oder Nahrungsmittelindustrie auszuweiten.
Die geltende Verordnung schreibt bereits vor, dass in Deutschland nur Ethanol aus nachhaltig angebauten Energiepflanzen zum Einsatz kommen darf. Darüber hinaus muss das Ethanol nachweislich ein Treibhausgasminderungspotenzial von mindestens derzeit 35 Prozent, zukünftig bis zu 60 Prozent, gegenüber fossilen Kraftstoffen aufweisen.
Unsere bisherige Position
In der Großen Koalition war eine E10-Einführung u.a. deshalb geplant, weil die deutsche Automobilindustrie sich nicht in der Lage sah die Vorgabe zu erfüllen, durch technische Maßnahmen den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten im Durchschnitt auf 130 Gramm CO2 zu verringern. Daraufhin haben wir gemeinsam mit unserem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach schwierigen Verhandlungen mit allen Beteiligten den Einsatz von E10 ab Januar 2009 beschlossen. Dies auch, damit die Automobilindustrie in Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, das nationale Klimaschutzziel aber dennoch erreicht werden kann.
Sowohl die Mineralölwirtschaft als auch der Verband der deutschen Automobilhersteller bestätigten die Verträglichkeit von E10. Der ADAC erklärte erst kurz vor der Einführung, obwohl sie bereits vorher gefragt wurden, dass mindestens 1,5 bis 2 Millionen PKW kein Ethanol vertragen. Dies galt überwiegend für Fahrzeuge aus Frankreich bzw. dem nicht-europäischen Ausland, die allerdings z. B. in Südamerika längst mit über 80 Prozent Ethanol betankt wurden. Vor dem Hintergrund dieser vom ADAC ausgelösten Verbraucherverunsicherung entschied Sigmar Gabriel, die Einführung von E 10 zu stoppen und die Biokraftstoffstrategie neu auszurichten. Interessant, dass der ADAC heute zu einer anderen, weit weniger problematischen Bewertung von E 10 kommt.
Klimaschutz im Verkehrsbereich – unsere Ziele
Die EU gibt vor, dass bis 2020 insgesamt 10 Prozent der Kraftstoffe durch Biokraftstoffe gedeckt werden. Auf welchem Wege dieses Ziel erreicht wird, also ob über Reinkraftstoffe oder Beimischungen, liegt im Ermessen der Mitgliedsstaaten. Wir haben damals nach einem intensiven Meinungsaustausch in der Fraktion dem Weg der Beimischungsquote mehrheitlich zugestimmt.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass flüssige Biokraftstoffe nicht der einzige Schlüssel zu mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich sind, da ihr Treibhausgasminderungspotenzial im Vergleich zu anderen Instrumenten begrenzt ist. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, ein Gesamtkonzept für den Klimaschutz im Verkehr vorzulegen.
So bedarf es z.B. Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, zur Attraktivitätssteigerung der Bahn, leichterer, sparsamerer und effizienterer Fahrzeuge und, wie auf dem Parteitag in Hamburg beschlossen und in anderen Ländern längst üblich, eines Tempolimits. Wir können insbesondere die Automobilindustrie nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, zumal uns Hersteller aus Japan oder Frankreich den Rang ablaufen.
Autos, die mit einem Mix aus Erdgas und Biomethan betrieben werden, sind bereits heute deutlich effizienter als Fahrzeuge, die mit flüssiger Biomasse fahren, sowohl was die CO2-Bilanz als auch, was den Flächenverbrauch pro gefahrenen Kilometer angeht. Netter Zusatznutzen für den Verbraucher ist, dass es derzeit keinen günstigeren Kraftstoff gibt. Zur Förderung von Biomethan im Verkehrssektor haben wir deshalb einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der leider von der Koalition abgelehnt wurde. Gasbetriebene Fahrzeuge sind auf dem Markt und können bis zur Marktfähigkeit von Elektrofahrzeugen verstärkt zum Einsatz kommen, da die Technik bereits heute verfügbar ist.