Fernhalteprämie Betreuungsgeld von Anfang an in der Kritik

Das Betreuungsgeld wird, seitdem es von der CSU während der Großen Koalition auf die Tagesordnung gesetzt wurde, heftig kritisiert. Deshalb nahm die SPD 2007/08, um den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nach dem ersten Lebensjahr gegen Widerstände aus der Union durchzusetzen, dieses Vorhaben als Kompromiss mit der CSU nur als unverbindliche Soll-Maßnahme ab 2013 in das Kinderförderungsgesetz auf. Damals warf die FDP den Sozialdemokraten vor, damit Wahlkampf für die CSU zu machen, heute schreiben die Liberalen an der Seite der Union das Betreuungsgeld gesetzlich fest. Die Sozialdemokraten wollten und wollen diese unsinnige Maßnahme nie realisieren.

Fernhalteprämie setzt Zukunftschancen von Kindern aufs Spiel

In einer von der SPD-Bundestagsfraktion beantragten Aktuellen Stunde bezeichnete Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Betreuungsgeld als „familienpolitischen, finanzpolitischen, integrationspolitischen, frauenpolitischen und wirtschaftspolitischen Unsinn“. An die Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition, die das Betreuungsgeld ablehnen, richtete er die Bitte, diesen verhängnisvollen Weg nicht mitzugehen.

Redes des Fraktionsvorsitzenden, Dr. Frank-Walter Steinmeier MdB

 

Die SPD werde dem Betreuungsgeld nicht zustimmen, da damit die Weichen falsch gestellt werden. Das Betreuungsgeld, setze als Fernhalteprämie die Chancen der Kinder aufs Spiel, die frühe Bildung am nötigsten haben. In der ganzen vergangenen Woche hätte er von Schwarz-Gelb anlässlich des 50. Jahrestages des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens Reden gehört, die betonten, wie wichtig es ist, dass Kinder aus Migrantenfamilien vor dem Schulbesuch die deutsche Sprache erlernen. Doch am Sonntag hätte die Koalition sich mit der Einführung der Bildungs-Fernhalteprämie dafür entschieden, einen Anreiz zu schaffen, um genau diese Kinder aus den Kitas fernzuhalten. Die zwei Milliarden, die jetzt für die Fernhalteprämie verschwendet würden, sollten in den Ausbau von Krippenplätzen und die Finanzierung von Erzieherinnen und Erziehern investiert werden. Denn nach aktuellen Berechnungen fehlen 233 000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, um den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung erfüllen zu können. Mit den zwei Milliarden, die das Betreuungsgeld jährlich kostet, könnten rund 50.000 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen werden.

Wahlfreiheit für Eltern besteht erst mit genügend Betreuungsplätzen

„Seit Sonntag fahren Sie eine Verdummungskampagne,“ warf Fraktionsvize Dagmar Ziegler Schwarz-Gelb vor. Wo bleibe denn die Wahlfreiheit für die Familien, ihre Kinder entweder selbst zu Hause zu betreuen oder sie in einer Kita betreuen zu lassen, wenn es nicht genug Betreuungsplätze gibt. Die Zeche dafür müssten später die Kinder bezahlen, die keine grundlegende Bildung im Elternhaus bekommen sowie die Alleinerziehenden, die keinem Beruf nachgehen können und die Wirtschaft, weil gut ausgebildete Frauen zu Hause bleiben.

Rede der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dagmar Ziegler MdB

Auch beim Betreuungsgeld zeige sich nun in der Koalition Streit in der Ausgestaltung des Gesetzes. So fordere Christian Lindner von der FDP, dass das Betreuungsgeld bei Hartz-IV-Empfängern auf die Transferleistungen angerechnet werden soll, wogegen es Widerstand aus der CSU gebe.

Unter Rot-Grün sind 4 Milliarden in den Ausbau von Ganztagsschulen investiert worden und in der Großen Koalition setzte die SPD den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nach dem ersten Lebensjahr eines Kindes durch. Dagmar Ziegler erinnerte Ministerin Schröder daran, dass der Rechtsanspruch 2013 nicht eingeführt werde, sondern bereits beschlossen ist und der Krippenausbau weit hinter dem Bedarf zurück bleibt. Deshalb müsse erneut ein Krippengipfel stattfinden, um das Problem der fehlenden kommunalen Mittel anzugehen.

In den laufenden Haushaltsberatungen wird die SPD-Fraktion beantragen, für das Jahr 2012 zusätzlich 300 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt für den Betreuungsausbau bereit zu stellen. Nur so kann der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für alle Kinder sichergestellt werden. Die dafür erforderlichen Mehrausgaben sollen durch den „Nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung“ finanziert werden.

Geld für die Nichtinanspruchnahme staatlicher Leistungen zu zahlen ist absurd

Als höchst absurd bezeichnete die familienpoltische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, die Logik, die hinter der Fernhaltprämie Betreuungsgeld steht: Es werde „Geld für die Nichtinanspruchnahme staatlicher Leistungen gezahlt.“ So könnte auch Geld erstattet werden, wenn jemand die Bibliotheken oder das Schwimmbad nicht nutze oder nur zehn anstatt 13 Jahre zur Schule gehe.

Rede der familienpoltischen Sprecherin Caren Marks MdB

 

Die Fernhalteprämie sei ein vergiftetes Geschenk mit Blick auf die Bildungschancen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Verfassungsrechtlich bedenklich sei die Einführung des Betreuungsgeldes auch, da es nichts zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern beiträgt und auch bestehende Nachteile nicht beseitigt. Damit würde ein altes Rollenbild gefördert. Außerdem unterstützt das Betreuungsgeld nicht alle Familien, auch das entspreche nicht dem Grundgesetz. Wenn nur bestimmte Familien gefördert werden, müsse dies gut begründet werden. Genau dies mache laut Medienberichten die Experten im Familienministerium und im Kanzleramt ratlos bei der Gestaltung eines verfassungskonformen Gesetzes. Caren Marks gab der Regierung den Rat: „Lassen Sie es doch einfach.“

Bildung beginnt nicht erst in der Schule

Schwarz-Gelb würde ganz genau wissen, dass das Betreuungsgeld gerade bei Familien mit geringen Einkommen dazu führen wird, dass deren Kinder von der Kita ferngehalten würden, sagte die bayerische SPD-Abgeordnete Marianne Schieder. Gerade für diese Kinder sei frühkindliche Bildung wichtig. So würde ihnen die Zukunft verbaut, da Bildung bekanntermaßen nicht erst in der Schule beginnt. Damit würde die soziale Spaltung weiter voran getrieben.

Rede von Marianne Schieder MdB

Einige interessante Zitate rund ums Betreuungsgeld:

Miriam Gruß (FDP) im Bundestag, 26.09.2008:  „Mit dem Betreuungsgeld verstärken wir den Teufelskreis, in dem Kinder, die von zu Hause keine Chance auf frühe Bildung (…) haben, vom Kindergarten  ausgeschlossen werden, weil ihre Eltern mit 150 Euro lieber ihre Haushaltskasse aufbessern. (…) Haben Sie vielleicht auch einmal an die Kinder gedacht, anstatt nur an die potenziellen CSU-Wähler-Eltern, die Sie mit diesem Geschenk vor der Wahl ködern wollen?“

Aus dem Kommentar der Süddeutschen Zeitung vom 8.11.2011: Jetzt lässt sich ausgerechnet die FDP mit der CSU auf genau diesen Deal ein: „Das Betreuungsgeld ist das Resultat eines politischen Kuhhandels in der Bundesregierung: Die FDP darf Steuersenkungen vermelden, dafür kriegt die CSU ihre Kita-Verzichtsprämie“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und Vorsitzende der Frauen Union, Maria Böhmer (CDU) in der Tageszeitung „Die Welt“: Die Frauen Union in der CDU habe sich eine andere Lösung gewünscht. Die Regelungen dürften sich nicht zum Nachteil der Kinder auswirken: „Es wäre zum Beispiel kontraproduktiv, wenn Migrantenkinder jetzt nicht mehr die frühen Hilfen nutzen würden.“

Zitat der Vorsitzenden des Familienausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk (FDP) in der „Rheinischen Post“: „Die FDP wollte das Betreuungsgeld nicht und wir halten es für fragwürdig“, Es wäre besser, das Geld in die frühkindliche Bildung von Kindern zu stecken.