Mit der groß angekündigten „Berliner Rede“ des Bundesinnenministers zu den Perspektiven einer neuen Netzpolitik bleibt der Innenminister an vielen Stellen im Ungefähren. Der Minister offenbart trotz vieler guter Ansätze in zentralen Fragen überholte Denkmuster, erklärt Lars Klingbeil.
Mit der groß angekündigten "Berliner Rede" des Bundesinnenministers zu den Perspektiven einer neuen Netzpolitik bleibt der Innenminister an vielen Stellen im Ungefähren. Der Minister offenbart trotz vieler guter Ansätze in zentralen Fragen überholte Denkmuster.
Zunächst ist es zu begrüßen, dass der Bundesinnenminister nach der verheerenden Debatte um die Einführung von Netzsperren das Gespräch mit Netzaktivisten und Experten gesucht hat. Auch wenn dieser Beteiligungsprozess sicher nicht optimal funktioniert hat, sollte er der Politik insgesamt Mut machen, die Bürger stärker online zu beteiligen. Und so überrascht es auch nicht, dass sich die allgemeinen grundsätzlichen Prinzipien "für die Gestaltung und Weiterentwicklung der Ordnung im Netz" offen zeigen für die Möglichkeiten und Chancen des Netzes. Hier hat der Minister viele wichtige und richtige Dinge angesprochen, zu nennen sind insbesondere der Vorrang des bestehenden Rechts vor neuem, die Stärkung der Selbstregulierung vor Rechtsetzung und die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit anstelle einer rein nationalstaatlichen Perspektive. Dabei ist auch zu begrüßen, dass der Bundesinnenminister den Bestand des Netzes und den Zugang zum Netz endlich auch als Teil der Daseinsvorsorge begreift. Die von der Union immer wieder angeführte Beschreibung vom "freiheitlichsten Kommunikationsforum der Welt" darf allerdings nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben. Staatliche Daseinsvorsorge betrifft auch und vor allem den Schutz von Grund- und Bürgerrechten.
Positiv hervorzuheben ist darüber auch das Bekenntnis zur Netzneutralität, zu offenen Standards und zur Verfügungsgewalt über die eigenen Daten. Auch die Tatsache, dass er unter der Überschrift "digitaler Radiergummi" Überlegungen zum Konzept des digitalen Vergessens aufgreift, sind positiv zu bewerten, ebenso wie die seitens der Datenschutzbeauftragten immer wieder erhobene Forderung, die Potenziale "Datenschutz durch Technik" und "Privacy by Design” zu nutzen. Antworten jedoch, was konkret von diesen richtigen und wichtigen Punkten Eingang in die zukünftige Netzpolitik der Bundesregierung finden wird, sucht man allerdings vergebens. Und allein der Hinweis auf die Selbstverantwortung in Verbindung mit IT-Sicherheitsverpflichtungen und Transparenzanforderungen dürfte nicht ausreichen, um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Netzneutralität oder die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit durchzusetzen.
Es ist bedauerlich, dass der Minister immer dort wo es konkret wird in alte Muster verfällt. Es gibt keine Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung oder den Netzsperren. Es fehlt ein klares Bekenntnis zu einer stärkeren Offenheit des Staates, beispielsweise durch eine grundlegende Open-Data-Strategie.