Frage: Was machen Sie am 1. Mai?
Antwort: Ich gehe in Braunschweig zur Maikundgebung, mit den Genossinnen und Genossen vor Ort. Anschließend gibt es ein internationales Fest, auf dem wir einen Stand haben. Gutes Essen, etwas zu trinken und Musik – das ist bei gutem Wetter immer ein schöner Ausklang.
Warum brauchen wir den 1. Mai als Tag der Arbeit heute noch?
Einige mögen es für ein antiquiertes Ritual halten. Ich persönlich glaube, dass wir auf den Tag der Arbeit nicht verzichten können. Es wird immer nötig sein, für bessere Arbeitsbedingungen zu streiten. Die Situation am Arbeitsmarkt ist ja nicht überall wie ein Paradies. Wir haben zwar jetzt wichtige Weichenstellungen vorgenommen, allen voran mit dem Mindestlohn. Da dürfen wir uns allerdings nichts vormachen: Auch bei einer guten Gesetzgebung wird es von Arbeitgeberseite immer wieder Versuche und Bestrebungen geben, das zu unterlaufen. Deshalb wird es auch immer die Bemühungen der Gewerkschaften und eine starke Bewegung geben müssen, die sich für Gute Arbeit stark macht.
In den letzten Jahren stand die SPD-Bundestagsfraktion an der Seite der Gewerkschaften, mit vielen gemeinsamen Forderungen gegenüber der schwarz-gelben Bundesregierung. Wie ist das Verhältnis jetzt als Fraktion in einer großen Koalition?
Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass wir gemeinsam wirklich stark sind und sehen jetzt, dass wir gute Sachen umsetzen können. Natürlich erwarte ich, dass Gewerkschaften immer noch ein bisschen mehr fordernals das, was wir als Regierungsfraktion – insbesondere in einer Großen Koalition – umsetzen können. Aber ich glaube, dass wir da Seite an Seite eine ganze Menge bewegen können.
Der Gesetzentwurf für den Mindestlohn steht, wie zufrieden ist die SPD-Fraktion damit?
Ich bin schon positiv überrascht, wie wenig Ausnahmen wir im Gesetzentwurf haben. Wenn man sich noch mal erinnert, welche Ausnahmen ursprünglich gefordert wurden, dann muss man sagen: Die Ministerin hat die Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn aus dem Koalitionsvertrag sehr gut umgesetzt.
Trotzdem gibt es Kritik an den Ausnahmen...
Wir haben die Ausnahmen für unter 18-jährige und die Langzeitarbeitslosen. Darauf haben CDU und CSU bestanden. Aber wenn wir uns ansehen, was alles an Forderungen da war, zum Beispiel ganze Branchen auszunehmen, dann wird klar, dass wir uns weitestgehend durchgesetzt haben. Unterm Strich ist das ein großer Erfolg.
Eingeführt wird der Mindestlohn flächendeckend ab 2017, bis dahin sind tarifvertragliche Abweichungen möglich. Hätten Sie sich einen flächendeckenden Mindestlohn früher gewünscht?
Nein, ein gewisses Augenmaß und Praxisnähe muss man da haben. In der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2016 sind tarifliche Abweichungen allein auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes möglich. Der große Vorteil dabei ist, dass wir darüber die Tarifbindung in diesen Branchen erhöhen. Wir haben bislang gute Erfahrungen mit den bereits ins Entsendegesetz aufgenommenen Branchen gemacht. Ab dem 1. Januar 2017 gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn dann ohne jede Einschränkung.
Der Mindestlohn steht im Vordergrund, was aber bringt das Tarifpaket noch mit sich?
Es ist eben nicht nur der Mindestlohn. Das Entsendegesetz ist ein sehr wichtiger Schritt für die Tariflandschaft. Das jetzt auf alle Branchen zu erstrecken, ist der richtige Weg. Zudem könnenkünftig bei öffentlichem Interesse auch Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden, ohne dass das 50-Prozent-Quorum erreicht wird. Das öffentliche Interesse definiert dabei das Ministerium. So kann man gute Arbeit in der Fläche herstellen.
Der Gesetzentwurf für die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren wird gerade wieder debattiert, auch vom Koalitionspartner. Geht er durch?
Ja, und ich glaube niemand kann denjenigen die Lebensleistung absprechen, die 45 Jahre ihre Beiträge gezahlt haben. Ich habe den Eindruck, die Union versucht hier alte Kämpfe wieder neu aufzumachen.
Ist die Angst vor einer Frühverrentungswelle berechtigt?
Ich persönlich teile nicht die große Sorge, dass es zu einer solchen Welle kommt. Die Situation ist eine andere als in den 1980er Jahren, als es geförderte Altersteilzeitmodelle gab und viele große Unternehmen sich ihrer älteren Arbeitnehmer entledigen wollten. Der Fachkräftemangel ist heute das große Thema bei den Arbeitgebern. Aber auch wir wollen keine Anreize zur Frühverrentung und sind – wenn nötig – zu sinnvollen Ergänzungen des Gesetzes bereit.
Wie sieht es bei der Rente mit der Generationengerechtigkeit aus?
Der Versuch, die Generationen gegeneinander auszuspielen, ist fahrlässig. Befragungen von 18- bis 34-jährigen ergeben, dass sie die Rente mit 63 und die Mütterrente richtig finden. Klar ist, dass immer der aktive Teil der Bevölkerung die Renten der Älteren stemmen muss. Da haben wir als Sozialdemokraten aber immer Augenmaß bewiesen in den letzten Jahren. Man muss beides im Blick haben: Die Herausforderungen der Demografie und der Zukunft, aber eben auch die ganz berechtigten Interessen der älteren Mitbürger. Das kann aber auch nicht nur im Rentenrecht passieren.
Sondern wo noch?
Generationengerechtigkeit hängt auch davon ab, wie viel wir in Infrastruktur und Bildung investieren, was man für Familien tut. Da ist die Koalition auf einem guten Weg. Wir werden noch mal mehr in Forschung und Bildung investieren. Manuela Schwesig wird mit dem „ElterngeldPlus“ eine neue Familienleistung einführen. Das wird das bestehende Elterngeld nochmal verbessern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Davon profitiert ja gerade die junge Generation. Die Verengung auf Generationengerechtigkeit im Rentensystem ist nicht zielführend. Generationengerechtigkeit bedeutet eben, was gesamtgesellschaftlich für die verschiedenen Gruppen getan wird.
Die Koalition hat gerade im Bereich Arbeit und Soziales ein ziemliches Tempo vorgelegt...
... ich würde sagen, die Arbeitsministerin und die SPD-Bundestagsfraktion haben ein ziemliches Tempo vorgelegt.
Welche Themen stehen für die SPD-Fraktion hier in den kommenden Jahren im Vordergrund?
Wir werden nicht die Hände in den Schoß legen können. Nehmen wir das Thema Entgeltgleichheit: Es ist einer der größten Skandale in unserer Republik, dass Frauen immer noch 20 Prozent weniger verdienen als Männer und zwar bei gleicher Qualifikation und Position. Das werden wir anpacken, mit einem Entgeltgleichheitsgesetz.
Wie soll das konkret gehen?
Der erste Schritt ist, dass man in den Betrieben Transparenz darüber herstellt, wer was verdient. Wenn man nicht im öffentlichen Dienst arbeitet, ist der Verdienst das größte Tabuthema unter Kollegen. Da müssen wir die Betriebsräte in die Lage versetzen, das zu ändern. Der Equal-Pay-Day ist seit Jahren im März, hier bewegt sich nichts. Wir wollen mit dem Gesetz da einen ersten Impuls setzen.