Dank der SPD-Fraktion hat die Koalition gerade im Bereich der Arbeitsmarktpolitik schon sehr viele Reformen umgesetzt und damit auch zentrale Forderungen der Gewerkschaften erfüllt. Droht dieses Jahr beim 1. Mai Langeweile?

Sicher nicht! Für die Rechte der arbeitenden Menschen zu kämpfen, ist und bleibt eine wichtige und spannende Aufgabe.

Der 1. Mai ist ein traditionsreicher Tag, der aber nicht dafür da ist, alte Rituale wieder aufleben zu lassen. Es gilt vielmehr, den Blick in die Zukunft zu richten. Dafür steht auch das diesjährige Motto.

Das Motto des 1. Mai ist „Die Arbeit der Zukunft gestalten wir“. Worauf kommt es dabei aus Ihrer Sicht an?

Die Arbeitswelt ändert sich rasant. Das ist mit vielen positiven Entwicklungen verbunden, aber auch mit großen Herausforderungen. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, diesen Wandel gemeinsam mit den Sozialpartnern zu gestalten. Gerade was den Komplex Arbeitsstress, Verfügbarkeit, Gesundheit am Arbeitsplatz betrifft, gibt es eine Menge zu tun. Die Belastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind andere als noch vor zwanzig Jahren, aber sie sind nicht geringer geworden. Deshalb ist der 1. Mai alles andere als langweilig oder überholt. Es ist der Tag, an dem für gute Arbeit gekämpft wird, und das ist heute genauso wichtig wie in den Jahrzehnten zuvor.

Welche Rolle spielen Familien- und Gleichstellungspolitik für die Arbeit der Zukunft?

Eine ganz zentrale Rolle, denn bei der Arbeit der Zukunft geht es vor allem um die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Gerade die mittlere Generation zwischen 30 und 50 Jahren übernimmt besonders viel Verantwortung – im Beruf, für die Kinder und für die pflegebedürftigen Eltern.

Wir müssen dafür sorgen, dass sie diesen Spagat besser bewältigen können. Einen ersten Schritt haben wir mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf gemacht. Weitere Schritte werden folgen, zum Beispiel mit den von Manuela Schwesig vorgeschlagenen Familienarbeitszeiten, die beiden Partnern Raum für Familie und Karriere lassen.

Das hilft im Übrigen nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sondern auch den Unternehmen. Moderne Wirtschaftspolitik sucht nach Wegen, wie wir Fachkräfte halten und gewinnen können. Und das geht nur, wenn wir Zeitkonflikte der Beschäftigten ernst nehmen und uns um Lösungen bemühen.

Stichwort Familien: Das ElterngeldPlus schafft jungen Eltern mehr zeitliche Flexibilität. Jetzt will die Koalition Familien auch finanziell entlasten. Wie sehen die Pläne aus?

Familien brauchen Zeit, Infrastruktur und Geld! Alle drei Aspekte gehören zusammen und machen nur im Zusammenspiel eine gute Familienpolitik aus. In Sachen Zeitpolitik sind wir auf einem guten Weg. Mit dem ElterngeldPlus und der Familienpflegezeit wollen wir Eltern mehr Spielräume zur Gestaltung ihres Lebens geben.

Auch beim Kitaausbau haben wir enorme Fortschritte erzielt, wenngleich bei Betreuungsqualität noch viel zu tun ist. Bleibt noch die finanzielle Seite. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben von Anfang an klar gemacht, dass wir nicht nur den Kinderfreibetrag anheben wollen. Wir setzen auf ein Gesamtpaket, das vor allem dort wirkt, wo finanzielle Unterstützung besonders benötigt wird. Deshalb haben wir uns für die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags für Familien mit niedrigen Erwerbseinkommen stark gemacht. Beides wird nun kommen. Ganz besonders freue ich mich, dass wir uns nun auch mit der Forderung nach einer stärkeren Entlastung für Alleinerziehende durchsetzen konnten. Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 wird der Entlastungsbetrag von 1308 auf 1908 Euro angehoben.

Im Gewerkschaftslager wird derzeit über das Thema Tarifeinheit gestritten. Warum brauchen wir hier ein Gesetz?

Unser Ziel ist hier, wie schon beim Tarifpaket, die Stärkung der Tarifautonomie. Es geht letztlich darum, zu dem bewährten Rechtszustand zurückzukehren, der vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2010 galt. Es geht hier also nicht um einen Angriff auf kleine Gewerkschaften. Diese gab es schon vor 2010 und diese wird es auch in Zukunft geben.

Und selbstverständlich tasten wir weder das Streikrecht noch die Koalitionsfreiheit an. Wir wollen wieder einen klar definierten Ordnungsrahmen schaffen, der der Entsolidarisierung und der Zersplitterung von Teilen der Arbeitnehmerschaft entgegen wirkt. Das ist wichtig, denn sonst laufen wir Gefahr, dass unser sozialpartnerschaftlich geprägtes Erfolgsmodell in Frage gestellt wird.

Der Mindestlohn ist jetzt seit über 100 Tagen in Kraft – und ebenso lange wird er von den Gegnern kritisiert. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte. Für rund 3,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet er endlich eine angemessene Anerkennung ihrer geleisteten Arbeit, und er macht Schluss mit dem unfairen Unterbietungswettbewerb auf Kosten der Beschäftigten. Nach 100 Tagen zeigt sich: Die Horrorszenarien, die von Teilen der Arbeitgeber und der Union seit Wochen und Monaten gebetsmühlenartig wiederholt wurden, sind nicht eingetreten.

Vielmehr hat sich für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Einkommenssituation und damit die Lebensqualität ein ganzes Stück verbessert.
Kritisch zu Wort melden sich jetzt wieder die alten Bekannten, nämlich diejenigen, die schon immer gegen den Mindestlohn waren. Jetzt haben sie die Bürokratiekeule aus der Ecke geholt. Die Angriffe gegen Kontrollen und Dokumentation zielen in Wirklichkeit gegen den Mindestlohn selbst.

Denn ein Mindestlohn, der nicht effektiv kontrolliert wird, ist wirkungslos. Das werden wir nicht zulassen. Wir werden dafür sorgen, dass der so erfolgreich gestartete Mindestlohn auch weiterhin effektiv kontrolliert wird.

Als nächstes großes Vorhaben in der Arbeitsmarktpolitik steht die Bekämpfung von Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen an. Wie sehen die Pläne aus und wie ist hier der aktuelle Stand?

Seit vielen Jahren beobachten wir, dass es bei Leiharbeit und Werkverträgen Missbrauch gibt. In der Fleischindustrie beispielsweise hat es massenhaft Missbrauch von Werkverträgen gegeben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Wir haben im Koalitionsvertrag mit der Union vereinbart, rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verhindern. Deshalb wird es künftig gesetzlich festgelegte Kriterien für die Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßem Fremdpersonaleinsatz und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz geben. Darüber hinaus werden Betriebsratsgremien künftig besser informiert und die Kontrollen verstärkt.

Bei der Leiharbeit müssen Leiharbeitnehmer künftig nach neun Monaten wie das Stammpersonal bezahlt werden. Die Höchstüberlassungsdauer beträgt künftig 18 Monate. Das gesamte Gesetzespaket werden wir nun zügig auf den Weg bringen.