Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat Veränderungen eingeleitet, die von Politik, Wirtschaft, Medien und Bildungseinrichtungen vorangetrieben werden müssen. Denn auch 64 Jahre nach der Festschreibung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Grundgesetz ist Deutschland von diesem Ziel weit entfernt. 58 Prozent der Frauen haben sexuelle Belästigungen erfahren. In der #aufschrei-Debatte liegt jetzt die Chance für einen wirklichen Aufbruch zur Gleichstellung von Männern und Frauen. Für den dafür notwendigen kulturellen Wandel, sind einerseits gesetzliche Regelungen und Vereinbarungen in Betrieben notwendig, andererseits benötigen betroffene Frauen mehr Anlaufstellen.
Sexismus gedeiht besonders gut in hierarchischen Strukturen. Er prägt deshalb den Berufsalltag vieler Frauen, wo Macht und Einkommen zwischen den Geschlechtern besonders ungerecht verteilt sind. Diese These der frauenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, stand im Mittelpunkt der Diskussion am 27. Februar. Den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehe es darum, Macht, Vermögen und Einkommen geschlechtergerecht zu verteilen. Dazu sollen die Quote für Frauen in Führungspositionen und gleicher Lohn für gleiche Arbeit beitragen. Mindestens 40 Prozent der Sitze in Vorständen und Aufsichtsräten sollen mit Frauen besetzt werden.
Chancengleichheit ins Bewusstsein holen
Thomas Sattelberger, Vorstandsvorsitzender der Stiftung der Zeppelin Universität, führte als damaliger Personalvorstand der Telekom AG eine Frauenquote in Führungspositionen von 30 Prozent ein. Er begründete diesen ordnungspolitischen Schritt: „Ein radikaler Wandel ist notwendig, wenn ein evolutionärer Wandel versagt“. Die Quote sei ein Hebel, damit Führungsgremien auch mit Frauen besetzt werden, Appelle würden nicht helfen.
Julia Borggräfe, Partnerin bei autenticon – consulting in context, forderte Regelungen, die ein flexibles Arbeiten und „alternative Karrieremodelle“ ermöglichten und außerberufliche Erfahrungen wie Kindererziehung honorierten. Hierfür müssten Führungskräfte entsprechend geschult werden. Von der Politik verlangte Borggräfe einen Aktionsplan für Gleichstellung. Einen solchen hatte die SPD-Bundestagsfraktion einen Tag zuvor beschlossen.
Yasmina Banaszczuk, Betriebswissenschaftlerin und Bloggerin, regte an, ein Pflichtseminar zum Thema Chancengleichheit für alle Studierenden in pädagogischen Fächern einzuführen.
Sexismus als Problem ernst nehmen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten auch darüber, ob Sexismus objektiv definiert werden kann. Auf der einen Seite hieß es, die Betroffenen als Opfer müssten selbst bestimmen, was eine sexistische Handlung sei und was nicht. Auf der anderen Seite wurden objektive Kriterien gefordert, damit gesetzliche Regelungen angewendet und verbessert werden können. Wichtig seien eine Kultur, in der offen über Sexismus diskutiert werde und mehr Stellen, bei denen sexistische Übergriffe gemeldet werden können. Dazu tragen Gleichstellungsbeauftragte in Betrieben und Behörden bei. Yasmina Banaszczuk machte deutlich, dass es in unserer Gesellschaft nicht nur um „Akteure und Zuschauer“ gehe, sondern vor allem um „Mittäter und Weggucker“.
Die Diskutanten kritisierten, dass Sexismus nach wie vor bestärkt werde durch die Rollenbilder und Stereotypen, die durch Sendungen wie „Der Bachelor“ oder durch die Darstellung von Frauen in der Werbung transportiert würden. Caren Marks sagte, dass die SPD-Fraktion mit dem hauptsächlich männlich besetzen Werberat über das Frauenbild in der Werbung sprechen werde. Sie fügte hinzu, dass die amtierende „Nichtfrauenministerin“ Kristina Schröder (CDU) auf die Sexismusdebatte kontraproduktiv reagiere, indem sie Feminismus als Schimpfwort benutze.