Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kauch, Sigmar Gabriel hat als Umweltminister für eine Politik gestanden, erneuerbaren Energien in Deutschland und weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht so aufblasen, wenn Sie hier als Vertreter der FDP sprechen, einer Partei, die im Augenblick nicht nur in Deutschland ins Steinzeitalter der Atomkraft zurückkehrt, sondern die Atomkraft auch in Entwicklungs- und Schwellenländern mit Hermesbürgschaften befördern will. Ich wäre froh, wenn die Bundesregierung und Sie als Vertreter einer maßgeblichen Koalitionsfraktion zur vernünftigen Umweltpolitik Sigmar Gabriels zurückkehren und nicht mit Anschuldigungen um sich werfen würden, die der Sache wirklich nicht dienen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Entwicklungsländer sind dramatisch. Drei Viertel der ärmsten Menschen leben im ländlichen Raum und sind dringend darauf angewiesen, dass sie für die Bewässerung ihrer Felder genug Regenwasser oder Schmelzwasser von den Gletschern zur Verfügung haben. Bereits jetzt nehmen in Afrika die Dürren zu; Ernteerträge sinken, Menschen verhungern. Hinzu kommt die Abschmelzung von Gletschern in Hochgebirgen wie dem Himalaya oder den Anden. Das kann in Ländern wie Indien dazu führen, dass dort die Reisversorgung in Zukunft ernsthaft gefährdet wird. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass in Cancún die Schaffung eines Fonds für Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar beschlossen wurde.
Die ärmsten Menschen dieser Welt haben – ich weiß das, weil ich schon seit 2002 in diesem Haus Entwicklungspolitik betreibe – auf internationalen Konferenzen aber schon ganz oft Versprechen erhalten. Im Jahr 2000, auf der Millenniumskonferenz, haben sie gehört, dass bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Industriestaaten für die Armutsbekämpfung zur Verfügung gestellt werden sollen; im Jahr 2010 sollten es 0,51 Prozent sein. Auch die Bundesregierung hatte sich dazu verpflichtet.
Frau Staatssekretärin Kopp, was ist passiert? Ihr Haus, Entwicklungsminister Niebel hat das Versprechen gebrochen. Wir haben 2010 die Marke gerissen. Wir sind nicht bei 0,51 Prozent angekommen, und Sie legen eine Finanzplanung bis 2014 vor, nach der die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt werden. Deswegen können wir Ihnen nicht glauben, wenn Sie sagen, dass Sie das, was Sie jetzt in Cancún versprochen haben, halten werden. Sie haben leider immer wieder bewiesen, dass Sie internationale Versprechen brechen. Das müssen wir hier anprangern; denn den ärmsten Menschen in den Entwicklungsländern muss es gut gehen, und mit warmen Worten allein können wir das warme Wetter nicht bekämpfen. Es müssen endlich Taten folgen.
(Beifall bei der SPD)
Am Dienstag war der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu Gast. Er hat ausdrücklich gesagt – ich zitiere –: Ich möchte keine neuen Versprechen von Deutschland zur Bekämpfung der Armut und des Klimawandels, sondern ich möchte die Einhaltung der bisher gegebenen Versprechen. – Frau Staatssekretärin Kopp, Sie sagen, dass zusätzliche Mittel für den Klimaschutz aufgebracht werden sollen, 80 Prozent davon beim BMZ. Da muss man sich schon fragen, wo Sie das
Geld hernehmen möchten und wie Sie das mit den Entwicklungsgeldern verrechnen wollen. Wenn Sie alle Mittel, wie es jetzt der Fall ist, auf die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit anrechnen – im Fachchinesisch heißt das ODA-Quote –, dann bedeutet das, dass am Ende zwei Drittel der 0,7 Prozent, falls wir dieses Ziel überhaupt jemals erreichen, aus Ausgaben für Umwelt- und Klimaschutz bestehen und wir für die klassische Armutsbekämpfung nichts mehr übrig haben.
(Michael Kauch [FDP]: Wer war denn elf Jahre Entwicklungsminister? Welcher Partei gehörte er an?)
– In den Jahren, in denen wir an der Regierung waren, Herr Kollege Kauch, haben wir die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit – Stichwort: ODA-Quote – von 0,26 Prozent auf faktisch 0,4 Prozent gesteigert. Wir hätten die Mittel weiter erhöht, aber das ist mit Ihnen nicht möglich gewesen.
Die sogenannten innovativen Finanzierungsinstrumente, die jetzt auch international in der Diskussion sind, zum Beispiel die Flugticketabgabe, haben Sie zwar eingeführt, aber Sie nutzen sie zur Stopfung von Haushaltslöchern und eben nicht zur Stärkung des Bereichs Umwelt und Entwicklung.
(Michael Kauch [FDP]: Für kommende Generationen! Die Schuldenberge, die Sie aufgetürmt haben!)
Zu dem Instrument, bei dem die meisten Mittel zu holen sind – es geht um die Einführung der Finanztransaktionsteuer –, sagt ausgerechnet Ihr Entwicklungsminister Niebel bei uns im Ausschuss: Was interessiert mich, was
die Kanzlerin sagt; auch wenn die Kanzlerin das mittlerweile will, bin ich dagegen. – Da frage ich: Wie will man glaubhaft machen, dass man das Versprechen, das in Cancún gegeben wurde, einhält, obwohl man die Mittel, die in Kopenhagen zugesagt wurden, nicht zur Verfügung gestellt hat, obwohl man Mittel in Höhe von 0,51 bzw. 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit nicht in den Haushalt eingestellt hat? Dazu sage ich nur: Es scheint so zu sein, dass wieder viel versprochen wird, am Ende aber leider wieder die ärmsten Menschen dieser Erde in die Röhre schauen werden. Sie gehen leer aus. Sie werden sich der Fluten, der Witterungsstürme und der Dürren nicht erwehren können. Deswegen werden wir weiter dafür kämpfen, dass den Versprechen auch Taten folgen. Leider ist diese Regierung auf einem ganz schlechten Weg. Wir werden alles dafür tun, dass das anders wird.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sascha Raabe unterstützt Annans Forderung an die Regierung
Kofi Annan fordert Einhaltung der bisher gegebenen Versprechen zur Bekämpfung der Armut und des Klimawandels
Entwicklungsländer spüren die Auswirkungen stärker als andere. Um adäquate Anpassungsprogramme zu finanzieren und eine vernünftige Klimapolitik durchzusetzen benötigen diese Länder endlich die schon mehrfach versprochene finanzielle Unterstützung.