In der Originalversion hat dieses Stück wenig mit dem braunen Zuckerwasser zu tun, für dessen Werbung es während der WM eingesetzt wurde. Die "Waving Flag" im Originaltext steht nicht für fahnenschwenkende feiernde Fußballfans, sondern für etwas viel Wichtigeres.
Geboren und aufgewachsen ist K’naan in Mogadischu. Dessen Straßen bezeichnet er rückblickend als die schlimmsten im Universum. Sein Lied handelt von diesen Straßen. Es handelt von Hunger, es handelt von Armut, und es handelt von Krieg. An Aktualität hat dieser Song leider nichts eingebüßt.
Somalia gilt vielen als Muster eines Failed State – das haben wir heute das eine oder das andere Mal schon gehört –, eines gescheiterten Staates, der seit 1991 ohne im gesamten Land anerkannte Regierung ist. Die Gefahr der Piraterie ist allen präsent. Die Al-Schabab-Milizen terrorisieren weite Teile des Landes. Ein staatliches Gewaltmonopol existiert kaum. Leidtragend ist vor allem die Bevölkerung.
Wo es keine staatlichen Strukturen gibt, gibt es auch keinen Schutz der Menschenrechte, gibt es kaum soziale und kaum wirtschaftliche Entwicklung, können selbst Hunger und Durst nicht ausreichend gestillt werden. Eine tragfähige Sicherheitsstruktur ist Grundvoraussetzung für jeden Rechtsstaat, ein Rechtsstaat die Grundvoraussetzung für menschenwürdiges Leben. Um den Aufbau dieser Sicherheitsstrukturen geht es bei der EU-Trainingsmission in Somalia. Seit 2010 wurden 3 600 somalische Soldatinnen und Soldaten – auch diese Zahl haben wir das eine oder andere Mal schon gehört – ausgebildet, ein Drittel der gesamten Armee Somalias. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von militärischen Fähigkeiten, es geht auch um das Verständnis eines rechtsstaatlich eingebetteten und zivil kontrollierten Militärs, ein Verständnis, das bereits einem Drittel der somalischen Armee nähergebracht werden konnte, auch dank der europäischen Mission, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sie haben recht, liebe Kollegin Brugger: Natürlich schließt das auch Rückschläge wie Fahnenflucht oder Ähnliches, was Sie aufgezählt haben, nicht aus. So etwas kommt in dieser Region immer wieder vor. Aber Fortschritt verläuft nicht linear, und der richtige Umgang mit Rückschlägen entscheidet darüber, ob sich eine Gesellschaft langfristig nach vorne entwickeln kann. Einem Großteil der Armee ein solches Grundverständnis zu vermitteln, trägt einen wichtigen Teil zu dieser Befähigung bei.
Die EU-Trainingsmission steht dabei nicht alleine da, sondern ist Teil eines ganzheitlichen Ansatzes. Es handelt sich um ein Konzept, das entwicklungspolitische, wirtschaftliche und militärische Aufbauarbeit zusammenbringt, ein Konzept, in dem internationale Partner gemeinsam dafür arbeiten, Somalia nach vorne zu bringen. Zu diesen Partnern gehören die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union, die Europäische Union, die Nachbarstaaten und, ganz wichtig, die Menschen in Somalia selbst.
Und es sind Erfolge erkennbar, auch wenn wir heute von vielen Misserfolgen gehört haben. Im Kleinen gibt es sogar Trendwenden. Die Piraterie konnte eingedämmt
werden, die Al-Schabab-Milizen konnten aus Mogadischu zurückgedrängt werden. Es gibt sogar einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung. Um diesen Fortschritt zu sichern und auszubauen, sollten wir dem Antrag der Bundesregierung folgen und die EU-Trainingsmission, und zwar in Mogadischu, wieder aufnehmen.
Zwei Gründe dafür unterstreiche ich an dieser Stelle:
Erstens sollten wir als EU geschlossen auftreten. Dies ist eine gemeinsame Mission, und daher ist es sinnvoll, wenn wir auch gemeinsam an einem Ort zusammenarbeiten. Zweitens ist dies für die Menschen in Somalia ein wichtiges Signal der Unterstützung, ein Signal, dass die internationalen Partner vor Ort Präsenz zeigen und sichtbar sind, dass wir sie nicht allein lassen.
Ja, die Sicherheitslage ist angespannt und die Verlegung nicht ohne Risiko. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Aber Verbesserungen sind sichtbar. Unsere
Partner und unsere eigenen Fachleute kommen zu dem Schluss, dass dieser Schritt politisch und militärisch vertretbar ist. Wir treffen diese Entscheidung also nicht leichtfertig, wie ich es heute das eine oder andere Mal gehört habe. Als Parlament fordern wir ganz klar, dass der Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz
gewährleistet ist.
Im Song von K’naan heißt es:
Wenn ich älter bin, werde ich stärker sein.
Sie werden mich Freiheit nennen, so wie eine wehende Fahne.
Die Waving Flag ist ein Symbol der Hoffnung in einem Land, das dringend Hoffnung braucht. Unsere Entscheidung, die EU-Trainingsmission zurück nach Somalia zu holen, ist ebenfalls ein Symbol der Hoffnung.
Darum bitte ich Sie: Geben wir den Menschen in Somalia diese Hoffnung! Unser Beitrag wird gebraucht. Stimmen Sie daher diesem Mandat zu!
Vielen Dank.