In der Regel werden intersexuelle Menschen im Säuglings- und Kindesalter mehrfach Operationen unterzogen, damit sie zum Jungen oder zum Mädchen werden. Viele von ihnen leiden ihr ganzes Leben lang physisch und psychisch unter den Folgen dieser Operationen.

Jährlich werden laut wissenschaftlichen Veröffentlichungen zwischen 150 und 340 Kinder geboren, deren Geschlecht nicht eindeutig ist. Die Verbände der intersexuellen Menschen sprechen allerdings von einer deutlich höheren Personenzahl. Im Jahr 2011 übergaben Interessenverbände intersexueller Menschen dem UN-Ausschuss zur Überwachung des „Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Diskriminierung von Frauen“ einen so genannten Schattenbericht zur Situation intersexueller Menschen in Deutschland. Der UN-Ausschuss forderte die Bundesregierung auf, Maßnahmen zum Schutz intersexueller Menschen zu ergreifen. Die Regierung ließ daraufhin den Ethikrat eine Stellungnahme erarbeiten. Diese benennt die Menschenrechtsverletzungen an intersexuellen Menschen.

Intersexuelle Menschen dürfen nicht länger in ihren Menschen- und Bürgerrechten eingeschränkt und gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Nicht-Diskriminierung darf nicht weiter verletzt werden. Dazu hat die SPD-Fraktion ihren Antrag „Rechte intersexueller Menschen stärken“ in den Bundestag eingebracht.

Operationen nur, wenn Betroffene einwilligen

Zentrale Forderung des Antrages ist ein Verbot geschlechtszuweisender und -anpassender Operationen, wenn die Betroffenen noch nicht einwilligungsfähig sind. Danach soll eine stellvertretende Einwilligung der Eltern in irreversible, geschlechtszuweisende Eingriffe nur noch in lebensbedrohlichen Notlagen oder durch eine medizinische Indikation zulässig sein. Die medizinische Indikation muss von einem qualifizierten interdisziplinären Kompetenzzentrum zur Diagnostik und Behandlung bestätigt werden. Intersexuelle Menschen sind stets in ein solches Kompetenzzentrum zu vermitteln. Wenn intersexuelle Kinder und Jugendliche eine Operation wünschen, soll dem entsprochen werden. Gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und der Ärzteschaft sowie den Antidiskriminierungsstellen des Bundes und der Länder soll ein unabhängiges Beratungs- und Betreuungsangebot für Betoffene und ihre Eltern geschaffen werden. Dabei sind die Selbsthilfeeinrichtungen der Betroffenenverbände einzubeziehen. Die Änderung von Vornamen und der Geschlechtskategorisierung soll vereinfacht werden. Außerdem soll das Thema Intersexualität in die Ausbildung von ÄrztInnen, LehrerInnen, ErzieherInnen sowie Fachkräften in Verwaltung, Sport, Polizei und Justiz aufgenommen werden.

Ein ursprünglich geplanter Antrag aller Bundestagsfraktionen ist durch Schwarz-Gelb nicht zustande gekommen. Deshalb haben alle Oppositionsfraktion eigene Anträge vorgelegt, die sich lediglich in Details unterscheiden.

Anja Linnekugel