Wie ernst die Bundesregierung die Empfehlungen der Sachverständigen genommen hat, brachte Caren Marks, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, auf den Punkt: „Der Bericht fristet ein kümmerliches Dasein“, und fügte hinzu: „Dabei ist der politische Handlungsbedarf doch klar beschrieben.“ In der Tat hat die Kommission in ihrem Gutachten nach mehr als zweijähriger Arbeit eine Reihe von Vorschlägen für eine konsistente Gleichstellungspolitik gemacht.

Ute Klammer, Vorsitzende der Sachverständigenkommission, berichtete von der durchweg positiven Resonanz auf das Kommissionsgutachten. Die Auftraggeberin des Gutachtens, also die Bundesregierung, dürfte damit weniger gemeint gewesen sein, hält sie doch an ihren Vorhaben wie der Einführung eines Betreuungsgeldes sowie der Ausweitung der Minijobs weiterhin fest. Dabei hatten die Sachverständigen hier rigoros gefordert: Kein Betreuungsgeld, Abschaffung der Minijobs, Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Familiäre Lebensentscheidungen benachteiligen überwiegend Frauen

Ute Klammer sieht dringenden Handlungsbedarf, denn: „Die Kosten gemeinschaftlicher Entscheidungen von Frauen und Männern werden vorrangig von Frauen bezahlt.“ Das habe vor allem mit den strukturellen Gegebenheiten zu tun. So führen fehlende Betreuungsangebote heute dazu, dass die Erwerbsbiographien von Frauen Unterbrechungen oder längere Phasen der Teilzeit aufweisen - mit entsprechenden Folgewirkungen. Wirksame Gleichstellungspolitik müsse Fehlanreize vermeiden, damit Entscheidungen keine negativen Folgen für bestimmte Bevölkerungsgruppen oder ein Geschlecht hätten. Denn, so Ute Klammer weiter, gerade diese Fehlanreize führten zu einem nachträglich nicht mehr korrigierbaren Lebensverlauf von Frauen.

Barbara König, Geschäftsführerin des Zukunftsforum Familie, sieht das ähnlich und kritisierte vor allem das Ehegattensplitting. Um Frauen und Männern gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu garantieren, müsse umgesteuert werden hin zu einer Individualbesteuerung.

Entgeltgleichheit nur mit gesetzlichen Regelungen

Auch Christel Humme, Sprecherin der Arbeitsgruppe Gleichstellungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion, plädierte für eine Radikalkur: „Nun schon 100 Jahre bestehende Forderung nach Entgeltgleichheit, eine Lohnlücke von 23 Prozent und eine Rentenlücke von 42 Prozent zu Ungunsten von Frauen“ könnten so nicht länger hingenommen werden. Insbesondere in Sachen Entgeltgleichheit fordert die SPD-Politikerin deshalb zum sofortigen Handeln auf: „Hier muss es vor allem darum gehen, die versteckte, die mittelbare Diskriminierung aufzudecken, damit Entgeltungleichheit beseitigt werden kann. Und das geht nur mit gesetzlichen Regelungen. "Zwar verbietet geltendes Recht bereits Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber es funktioniert nicht, weil wir weder Instrumente zur Kontrolle noch zur Sanktionierung haben.“

Minijobs: Gesellschaft auf dem Holzweg

Eine andere Baustelle sieht Caren Marks in der Bekämpfung von prekärer Beschäftigung von Frauen. Vor allem Minijobs seien ein Abstellgleis für Frauen - und zwar auch für die gut qualifizierten. Auch Ute Klammer sieht in den Minijobs eine Fehlentwicklung: „Die Gesellschaft befindet sich hier auf dem Holzweg.“ Doch auch jenseits der Minijobs sind Frauen überproportional in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu finden. Hier würde ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn helfen. Denn nur drei der derzeit geltenden elf Branchenmindestlöhne beträfen Branchen, in denen typischerweise Frauen anzutreffen sind, betonte Ute Klammer.

Männerperspektive stärker in den Blick nehmen

Matthias Lindner, stellvertretender Vorsitzender des Bundesforum Männer, bedauerte, dass der Gleichstellungsbericht die Perspektive der Männer zu wenig in den Blick nehme. Ute Klammer stimmte zu: Sie würde in einem nächsten Bericht die Männerperspektive stärker mit aufnehmen.

Matthias Lindner wies darauf hin, dass gemeinschaftliche Entscheidungen Frauen ebenso wie Männer beträfen. Er plädierte deshalb für die Perspektive der sogenannten Linked Lives (Prinzip der verbundenen Leben), die Frauen genauso wie Männer betrachte. Denn entscheide sich eine Frau, zu Gunsten der Kindererziehung auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten, werde der Mann zwangsläufig in die Rolle des Familienernährers gedrängt - ob er wolle oder nicht.

Dass die Vorstellungen, wie ein Mann und wie eine Frau zu sein haben, zur Disposition gestellt werden müssen, meint auch Astrid Hollmann, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Denn nach wie vor sei Geschlecht ein „Machtinstrument“. Am Beispiel ihrer eigenen Biographie machte sie das Konfliktpotenzial deutlich: Ihre Mutter habe gewollt, dass sie Friseurin lernt; sie aber wollte unbedingt studieren und setzte sich durch: „Aber einfach war das nicht“, sagte die heute 42-Jährige.

Kein Erkenntnisdefizit, sondern Umsetzungsdefizit

Die Vorschläge der Kommission liegen seit einem Jahr auf dem Tisch. Caren Marks sieht sich durch sie in vielen zentralen Punkten im Kurs der SPD bestätigt. Und spätestens jetzt kann auch die Bundesregierung kein Erkenntnisproblem mehr haben. „Diese Bundesregierung hat jedoch ein erhebliches Umsetzungsdefizit.“

Ute Klammer brachte den Handlungsbedarf so auf den Punkt: „Wir haben uns mit dem Gutachten in die politische Arena geworfen. Jetzt liegt der Ball bei der Politik.“