Kanzlerin will Alarmsignal der EZB nicht hören
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier warf der Kanzlerin vor, das Alarmsignal, das von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgeht, nicht hören zu wollen. Diese hatte eine Aufstockung ihres Kapitals angekündigt, das durch den Aufkauf von Verlusten aus Staatsanleihen notwendig geworden ist. Dafür müssen die Euro-Länder zahlen. Das zeige deutlich, dass nicht nur Handeln, sondern auch Nichthandeln seinen Preis habe. Das Signal heiße: Die Zeit des Durchmogelns ist vorbei.
Schwarz-Gelb versagt vor der europäischen Aufgabe
Die schwarz-gelbe Regierung habe „vor der europäischen Aufgabe versagt, wie kaum eine andere vor ihr" sagte Steinmeier. Im April habe die Kanzlerin verkündet – kein Geld für Griechenland – das Ergebnis sei bekannt. Dann hieß es, Griechenland bliebe ein Einzelfall. Es folgte der Rettungsschirm. Er sei die Ultima Ratio und würde wahrscheinlich gar nicht in Anspruch genommen werden, dann kam Irland.
Jetzt Mut zur politischen Union aufbringen
Europa stünde vor einer historischen Aufgabe. Es gehe um die Zukunft der gemeinsamen Währung und noch mehr um die Zukunft des gemeinsamen europäischen Projekts. Es hänge von den europäischen Regierungen ab, ob wir wieder ins nationalstaatliche Denken des 19. Und 20. Jahrhunderts zurückfallen oder ob wir jetzt den Mut zum nächsten großen europäischen Sprung aufbringen: das Europa der Nationalstaaten schrittweise zu überwinden und die Europäische Union zu einer politischen Union fortzuentwickeln.
Nur europäisches Gesamtpaket hilft gegen die Krise
Einzelmaßnahmen wie die Aufstockung des Rettungsschirms, Euro-Bonds, ein weiteres Anleihen-Aufkaufprogramm der EZB helfen nicht, die Krise zu überwinden. Ein umfassender Ansatz sei notwendig: die Gläubiger müssten durch einen Verzicht auf Forderungen beteiligt werden, es bedarf eines klaren Signals europäischer Solidarität. Der Geburtsfehler der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion müsse beseitigt und somit die politische Union geschaffen werden. Nur vor dieser Kulisse sei die Einführung von Euro-Bonds denkbar.
Entschließungsantrag: Verlässliche Krisenbewältigungsmechanismen installieren
Die Zuspitzung der Krise im Euro-Raum ist auf die Hauptursache der unregulierten Finanzmärkte und der daraus entstandenen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Die Sozialdemokraten fordern die Regierung auf, sich für ein Gesamtpaket im Europäischen Rat einzusetzen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt der Euroländer hat in seiner bisherigen Form nicht ausgereicht. Nun gilt es, den Fehlentwicklungen entgegen zu wirken und für die Zukunft verlässliche Krisenbewältigungsmechanismen zu installieren.
Gläubiger an den Kosten der Krise beteiligen
Die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise und ihrer unmittelbaren und mittelbaren Folgen darf nicht allein den Bürgerinnen und Bürgern der Eurozone aufgebürdet werden. Die Belastung der Steuerzahler als Ausfallbürgen für Banken, massive Einschnitte beim Lebensstandard oder bei öffentlichen Leistungen führen zu sozialen Spannungen.
Notwendig ist die Beteiligung der Gläubiger z.B. durch Verzicht auf Forderungen und eine stärkere Koordination der nationalen Steuerpolitiken, um die negativen Auswirkungen von unfairem Steuerwettbewerb und Steuerflucht zu beschränken. Nötig ist eine auch Finanztransaktionssteuer als eine Maßnahme, um die Unternehmen des Finanzsektors an der Krisenbewältigung zu beteiligen. Sollte dies in der gesamten EU nicht möglich sein, so sollte die Finanztransaktionssteuer mindestens in der Euro-Gruppe eingeführt werden.
Finanz- und Wirtschaftspolitik stärker koordinieren
Künftig muss viel stärker die Wechselwirkung zwischen Schuldenstand und Haushaltsdefizit eines Mitgliedstaates berücksichtigt werden, um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu garantieren. Insgesamt müssen die Mitgliedstaaten ihre Politiken im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik mehr koordinieren. Insbesondere nötig ist die Einführung eines Frühwarnmechanismus für Krisen mit möglicherweise systemischen Auswirkungen. Der von der Europäischen Kommission zu erarbeitende Kriterienkatalog für den Überwachungs- und Warnmechanismus darf nicht zu einer Absenkung sozialer Standards in der EU führen.
Binnennachfrage stärken
Notwendig ist auch eine stärkere Angleichung der Leistungsbilanzen in den Ländern der Eurozone. Dazu müssen die „Defizitstaaten“ die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft stärker verbessern und die „Überschussländer“ die Nachfrage aus dem eigenen Land stärken. Dabei geht es nicht darum, dass Deutschland auf seine Exportstärke verzichtet, die Binnennachfrage muss hier durch Qualifizierungs- und Fachkräftestrategie und eine angemessene Lohnentwicklung, orientiert am Produktivitätszuwachs plus Zielinflationsrate, forciert werden. Die soziale Dimension der Europäischen Union als zentraler Teil des europäischen Gesellschaftsmodells ist deutlich zu auszubauen.
EU als Chance in der Globalisierung begreifen
Eine wirksame Krisenbewältigung muss jetzt beginnen, strukturelle Probleme sind jetzt anzugehen und dürfen nicht verschoben werden. Kein Land kommt für sich allein aus der Krise, mehr Koordinierung ist wichtiger denn je. Die Europäische Union ist und bleibt die Chance, die Globalisierung gestalten zu können.