Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bezeichnete in seiner Ansprache Auschwitz als „Synonym für den industriellen Völkermord an den Juden“. Die meisten hätten damals geschwiegen, als Juden entrechtet, misshandelt und ermordet wurden. Er warnte vor der zunehmenden Verrohung, die sich heute in den sozialen Netzwerken und im Internet in fremdenfeindlichen Parolen zeige. Vehement verurteilte Schäuble auch das Rufen antijüdischer Parolen und das Verbrennen israelischer Flaggen und forderte eine „konsequente Haltung gegen jede Form der Ausgrenzung“.

Die heute 92-jährige Holocaust-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch berichtete, wie es ihr und ihrer Familie seit der Machtübernahme durch die Nazis ergangen ist. Das idyllische Leben in einer Familie, in der am Sonntag musiziert und Klassiker gelesen wurden, endete damit, dass Juden unerwünscht waren und den gelben Stern tragen mussten. Ihr Vater habe es zunächst nicht glauben können, sagte Lasker-Wallfisch. Ihre Eltern wurden in Izbica ermordet. Sie habe überlebt, weil sie als Cellistin im Frauen- und Mädchenorchester gebraucht wurde, um am Eingangstor Märsche und für das Lagerpersonal Konzerte zu spielen.

Ein Leugnen darf nicht sein

Bezogen auf die heutige Zeit sagte Lasker-Wallfisch: „Man kann es der heutigen Generation nicht verübeln, dass sie sich nicht mehr mit den Verbrechen identifizieren will. Aber ein Leugnen darf nicht sein.“ Sie warnte vor einer Schlussstrich-Debatte und nannte den Antisemitismus einen „2000 Jahre alten Virus“, der „anscheinend unheilbar ist“. Zudem sei es ein Skandal, dass jüdische Schulen und Kindergärten heute wieder geschützt werden müssten. Lasker-Wallfisch lobte deshalb, dass der Deutsche Bundestag vor 14 Tagen einen Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus beschlossen habe. Auch das Deutschland im Herbst 2015 seine Grenzen für die Flüchtlinge geöffnet habe, bezeichnete sie als „mutige und menschliche Geste". Denn in der Zeit des Nationalsozialismus seien die Grenzen für die Juden hermetisch geschlossen gewesen.

Aufstehen gegen jede Form von Rassismus

Vor der Gedenkstunde verwies die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles darauf, dass dies die erste Gedenkstunde seit dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag sei. "Mehr als zuvor muss uns dies ein Anlass sein, nicht nur innezuhalten und zu gedenken, sondern auch aufzustehen gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus in unserer Gesellschaft", forderte Nahles.

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