Am 16. Mai 1974 trat Helmut Schmidt die Nachfolge von Willy Brandt an, der im Zuge der Guillaume-Affäre seinen Rücktritt erklärte. Schmidt wurde von der Mehrheit des Deutschen Bundestages gewählt, so dass er die sozial-liberale Koalition seines Vorgängers weiterführen konnte. Der Hanseat war zu diesem Zeitpunkt kein Neuling in der Bundespolitik: Während der Großen Koalition übernahm er von 1967 bis 1969 den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion. Im Anschluss bekleidete Schmidt unter Kanzler Willy Brandt das Amt des Verteidigungsministers und nach dem Rücktritt des Finanzministers Karl Schiller wechselte der studierte Ökonom in dieses Ministerium.
In seiner Zeit als Hamburger Innensenator (1961 -1965) hatte sich Schmidt das erste Mal als Krisenmanager bewiesen, nachdem er bei der Sturmflut 1962 die Rettungsmaßnahmen koordinierte und dabei auch – damals ohne jegliche gesetzliche Grundlage – die Bundeswehr einsetzen ließ.
Wirtschaftskrise und Terrorismus
Der Beginn seiner Amtszeit als Kanzler war von einer weltweiten wirtschaftlichen Krise geprägt: Bei der zunehmenden Schwierigkeit der wirtschaftlichen Lage galten seine Anstrengungen mit einer anerkannten Stabilitätspolitik der Bekämpfung der steigenden Arbeitslosigkeit, der Preissteigerung und der allgemeinen Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen.
In dieser Zeit entstand auch der Weltwirtschaftsgipfel, den Schmidt gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Valérie Giscard d’Estaing ins Leben rief und der bis heute jährlich tagt. Die beiden Staatsmänner erkannten im Zuge der weltweiten Rezession und Krise, dass wirtschaftliche Probleme gemeinsam gelöst werden können und müssen. Ziel des Gipfels war und ist es, dass die wichtigsten Wirtschaftsnationen ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik miteinander abstimmen. Schmidt und Giscard d’Estaing, die bis heute eine Freundschaft verbindet, arbeiteten auch gemeinsam an der Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen sowie an der Vertiefung der europäischen Integration.
In die Kanzlerschaft Schmidts fiel außerdem der Terror durch die Rote Armee Fraktion (RAF), die vor allem zum Ende der 1970er-Jahre die Bundesrepublik erschütterte. Für Schmidt stand fest: Der Staat darf sich nicht erpressen lassen. Trotz einiger Rückschläge im Kampf gegen den Terrorismus setzte er sich durch und genoß unter der Bevölkerung in dieser Zeit viel Ansehen und Vertrauen.
NATO-Doppelbeschluss
Kaum ein Begriff ist so eng verknüpft mit der Kanzlerschaft Schmidts wie der des NATO-Doppelbeschlusses. Nachdem die Sowjetunion 1976/77 gegen Westeuropa gerichtete nukleare Mittelstreckenwaffen stationiert, fasst die NATO den sogenannten NATO-Doppelbeschluss. Dieser sah vor, dass vor allem auf dem Gebiet der Bundesrepublik, atomare Mittelstreckenraketen zum Schutz Westeuropas stationiert werden, falls die Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion scheitern sollten. Helmut Schmidt unterstützte diesen Beschluss und führte 1979 die politische Entscheidung darüber herbei. Viele Menschen in der Bundesrepublik protestierten gegen die Aufrüstung mit Atomwaffen, eine breite Friedensbewegung entstand. Schmidt wurde, trotz zum Teil massiver Proteste und Kritik in dieser Frage, 1980 erneut zum Kanzler gewählt.
Und wie 1974 und nach der Wahl 1976, führte Schmidt die sozial-liberale Koalition mit der FDP fort. In dieser kam es jedoch in seiner dritten Amtszeit immer stärker zu Überwerfungen. Vor allem in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik gab es zunehmend grundlegende Meinungsverschiedenheiten, nachdem sich die FDP einem immer stärkeren neoliberalen Ansatz zuwendete. Im Januar 1982 überstand Schmidt mit den Stimmen der Koalition eine Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag. Im September bricht die Koalition dann aber endgültig auseinander, nachdem die liberalen Minister Genscher, Lambsdorff und Baum ihren Rücktritt erklärten. Zunächst führte Schmidt die Geschäfte in einer Minderheitenregierung fort. Am 1. Oktober 1982 wird er aber dann mit den Stimmen der CDU/CSU sowie der FDP-Fraktion durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt. Neuer Bundeskanzler wird Helmut Kohl (CDU).
Parlamentarier aus Überzeugung
Nach seiner Abwahl als Kanzler blieb Schmidt Mitglied des Deutschen Bundestags. Er verabschiedete sich 1987 während der Haushaltsdebatte mit einer zweistündigen Rede vor dem Parlament. Anlässlich seines 95. Geburtstags im Dezember 2013 sagte Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender und damit einer der Nachfolger Schmidts: „Er ist Ehrenbürger, er ist Hanseat, ein ausgezeichneter Publizist, er ist einer der beliebtesten Politiker der deutschen Nachkriegsgeschichte – vor allem aber ist Helmut Schmidt Sozialdemokrat und ein großer Parlamentarier“.