Die Mauer sei ein Monstrum gewesen, „ein monströses Bauwerk und eine furchtbare Grenze“, daran erinnerte die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke (SPD). Und sie gedachte der Menschen, die den Tod fanden oder in den „Knast“ kamen, weil sie Mauer und DDR-Diktatur nicht mehr ertragen konnten. Viele Träume seien an der Mauer zerschellt: „Sie war ein Alptraum für ein ganzes Volk“, sagte Gleicke. Man könne die Mauer in ihren historischen Kontext einordnen, „aber man kann sie nicht rechtfertigen! Das ist das, worauf es ankommt“, stellte sie klar. Die Mauer sei das „zu Stein gewordene Symbol“ des geteilten Deutschlands und der sichtbare Ausdruck des Kalten Krieges in Europa gewesen. Doch es dürfe niemals vergessen werden, dass die Mauer eine Folge des von Deutschland angezettelten, verbrecherischen Zweiten Weltkriegs war. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Dieser Konsens muss fortbestehen. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“, so Gleicke. Die Folgen der Teilung ließen sich in 25 Jahren nicht vollständig überwinden, aber es sei viel erreicht worden und „den Rest schaffen wir auch noch“. Mit einer Revolution, bei der kein einziger Schuss gefallen sei, hätten die Ostdeutschen sich ihre Freiheit selbst erkämpft. Mit dem Fall der Mauer sei ein Traum wahr geworden. Gleicke appellierte, auch die anderen Träume wie Frieden, Abrüstung und das gemeinsame Haus Europa nicht aufzugeben.

Rede von Iris Gleicke

 

 

In Berlin fand vom 7. bis 9. November 2014 eine große Gedenkveranstaltung zum Mauerfall statt. Auf 15 Kilometern zeichneten rund 8 000 beleuchtete Ballons den Verlauf der Mauer nach. So genannte Ballonpaten mit ihrer persönlichen Geschichte zur Mauer ließen die Ballons am Abend des 9. November steigen, daran beteiligten sich auch Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion. 

 

Was vor 25 Jahren geschah

DDR-Führung ignoriert das Tauwetter in Osteuropa 

Bevor sich die Mauer am 9. November 1989 öffnete und elf Monate später die deutsche Wiedervereinigung gefeiert wurde, zeichnete sich seit Mitte der 80er-Jahre Jahre Tauwetter in der Sowjetunion ab, seitdem Michail Gorbatschow dort an der Spitze stand. Seine Reformprogramme unter den Stichworten „Perestoika“ und „Glasnost“ sorgten dafür, dass es in den folgenden Jahren auch in anderen Staaten des Warschauer Paktes wie in Polen und Ungarn zu positiven Veränderungen kam. Doch die DDR-Führung unter Erich Honecker blieb den alten Linien treu, derweil die Bürgerinnen und Bürger der DDR genau im Blick hatten, was sich in den sog. Bruderstaaten tat. Noch Anfang 1989 hatte DDR-Staatschef Honecker geäußert, dass die Mauer noch 50 oder 100 Jahre Bestand haben werde.   

Wahlbetrug bei DDR-Kommunalwahlen stärkt oppositionelle Kräfte

Seit Anfang der 80er-Jahre waren vermehrt oppositionelle Kräfte im Umfeld der evangelischen Kirche in der DDR entstanden, die sich vor allem gegen das atomare Wettrüsten der Weltmächte stellten. Über die DDR-Grenze hinweg wurde der Leitspruch „Schwerter zur Pflugscharen“ bekannt. Im Mai 1989 nutzten die Bürgerinnen und Bürger der DDR ihr Recht, die Auszählung bei den Kommunalwahlen zu beobachten. Zur „Wahl“ stand wie immer lediglich der Vorschlag der Nationalen Front der DDR. Doch dieses Mal nutzten die Bürger häufiger als zuvor die Wahlkabine und gaben nicht einfach ihren Wahlzettel ab. Damit war klar, dass das offiziell bekanntgegebene Wahlergebnis von 98,85 Prozent nur eine Fälschung sein konnte. Diese Erfahrung führte dazu, dass sich die oppositionellen Kräfte stärker formierten. Bereits am Wahlabend demonstrierten in Leipzig rund 1000 Menschen gegen diese Wahlmanipulationen.

Im Juni schlug die chinesische Führung den Aufstand auf dem Tian’anmen-Platz in Peking mit über 3 600 Toten und 60.000 Verletzten im Juni 1989 brutal nieder. Die DDR-Führung stellte sich hinter die chinesische Regierung und verbreitete die Bilder als Warnung an die oppositionellen Kräfte in der DDR.

 

SED bewegt sich auf dünnem Eis

Die Entwicklungen in der DDR führten dazu, dass Erhard Eppler (SPD) in seiner Rede am 17. Juni 1989 im Bundestag nicht über die Ereignisse im Jahr 1953, sondern über Aktuelles sprach. Er gab der SED-Führung in der DDR nur noch zwei Jahre und sprach von dem dünnen Eis, auf dem sich SED bewege, welches das tauende Eis des Kalten Krieges sei. Wer sich darauf nicht bewege, aus Angst, einzubrechen, werde dem kalten Wasser nicht entkommen. Damals erinnert sich Eppler, habe er sich weder vorstellen können, dass die DDR ihre militärische Basis in der DDR aufgeben würde, noch, dass Gorbatschow bereit sein werde, über ein vereinigtes Deutschland innerhalb der NATO zu reden.

Mehr Flüchtlinge, Opposition organisiert sich, Protest wächst 

Im Sommer 1989 nahm die Anzahl der Flüchtlinge aus der DDR stetig zu. Am 11. September 1989 öffnete Ungarn seine Grenze zu Österreich für DDR-Bürger.  Am 19. September beantragt das „Neue Forum“ als erste landesweite Oppositionsgruppe ihre Zulassung. Danach gründen sich weitere Gruppen „Demokratie jetzt“ und  der „Demokratische Aufbruch“.

Nach dem 30. September konnten tausende DDR-Bürger, die Zuflucht in der Botschaft der Bundesrepublik in Prag gesucht hatten, mit Sonderzügen durch die DDR in die Bundesrepublik ausreisen. Insgesamt verließen im Jahr 1989 344.000 Menschen die DDR.

Tausende DDR-Bürger demonstrierten am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR. Sie wollten eine Veränderung der Verhältnisse in der DDR. Dagegen ging das DDR-Regime mit harter Hand vor. Ebenso an  jenem 7. Oktober gründeten 30 Männer und Frauen in Schwante die Sozialdemokratische Partei der DDR, die sich zunächst SDP nannte.

Am 9. Oktober nahmen bei einer der aus den Friedensgebeten hervorgegangenen Leipziger Montagsdemonstrationen, die einen Monat zuvor begonnen hatten, 70.000 Bürgerinnen und Bürger teil. Ihre Zahl erhöhte sich am 16. Oktober auf 100.000. Schließlich musste Erich Honecker einen Tag später von all seinen Ämtern zurücktreten. Mehr als 500.000 Menschen nahmen am 4. November 1989 an der Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz teil.

9. November 1989: Plötzlich gibt es eine Reiseerlaubnis

Die DDR-Staatsführung, nun unter Egon Krenz, musste reagieren: Sie hatte auf Grund des öffentlichen Drucks am 9. November 1989 einer neuen Reiseverordnung zugestimmt. Diese sollte Privatreisen für alle DDR-Bürger ermöglichen, allerdings nur, wenn sie über einen Reisepass und ein Visum verfügten. Die Verordnung sollte erst am 10. November offiziell bekannt gegeben werden. Aber Politbüro-Mitglied Günter Schabowski verkündete ihr Inkrafttreten ohne formale Bedingungen bereits auf einer Pressekonferenz am Nachmittag des 9. November 1989. Diese Nachricht verbreitete sich rasant, so dass am Abend und in der Nacht Tausende die Grenze von Ost- nach Westberlin überquerten. In den Wochen danach waren es Hunderttausende DDR-Bürger. Dabei ist es auch der Besonnenheit der für die DDR-Grenzsicherung Verantwortlichen zu verdanken, dass der Abend in einen friedlichen Freudentaumel mündete.

Hans-Jochen Vogel, der damalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende erinnert sich, dass er bei einem Gespräch im Bundeskanzleramt war, als er am 9. November 1989 das erste Mal von der Öffnung der Mauer erfuhr. Die Bundestagssitzung wurde an diesem Tag nach den ersten Meldungen unterbrochen und erst gegen 20:45 Uhr wieder fortgesetzt: Der damalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) und die Fraktionsvorsitzenden gaben kurze Erklärungen zur Maueröffnung ab und am Ende der Sitzung sangen alle im Plenum Anwesenden das erste und einzige Mal in der Geschichte der Bundesrepublik spontan die Nationalhymne. Willy Brandt soll Tränen in den Augen gehabt haben, als Vogel sich in seiner Erklärung an ihn richtete. Der damalige SPD-Parteivorsitzende und Fraktionschef Vogel hält die Ostpolitik von Willy Brandt  - „Wandel durch Annäherung“ - sowie den daraus hervorgegangenen Helsinki-Prozess ausschlaggebend für das Tauwetter in Osteuropa, das den Entwicklungen in der DDR vorangegangen war. Am Tag nach der Maueröffnung, so berichtet Vogel, habe er nie wieder so viele Menschen mit einer unbeschreiblichen Freude und so frohen Gesichtern gesehen, wie an diesem 10. November 1989. Aus der Zeit direkt nach dem Mauerfall stammt auch das berühmte Zitat von Willy Brandt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“.

„Noch immer reibe ich mir manchmal die Augen darüber und staune: 25 Jahre ist es nun schon her, dass die DDR sich beendete und ziemlich friedlich verstarb, in jenem außergewöhnlichen Herbst 1989“, berichtet Wolfgang Thierse (SPD). Er wurde erst im Herbst 1989 politisch aktiv und war ab März 1990 sozialdemokratischer Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR.

Der Rückblick auf den Fall der Mauer vor 25 Jahren beruht u. a. auf dem Buch „Was zusammen gehört – Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90“ von Hans-Jochen Vogel, Erhard Eppler und Wolfgang Thierse. Darin berichten sie über die Entwicklungen in der so genannten Wendezeit in Ost und West. Vor allem belegen sie und vor allem Hans-Jochen Vogel anhand wichtiger Dokumente die bedeutende Rolle, die die Partei und die Bundestagsfraktion beim Zustandekommen der Deutschen Einheit spielten. 

Am 03. Dezember 2014 erinnert die SPD-Bundestagsfraktion in Berlin mit der Veranstaltung „Der lange Weg zur friedlichen Revolution – Ein Blick aus der Geschichte in die Zukunft“ an die Wendezeit vor 25 Jahren.

 

Anja Linnekugel