Herr Steinmeier, essen Sie gelegentlich Brötchen?

Steinmeier: Ja, zuletzt heute Morgen.

Wenn Sie sie beim Bäcker holen, was bestellen Sie da?

(Lacht) Ah, Fangfrage: Schrippen natürlich.

Aber mal weg von Wolfgang Thierse, der sich über die bei Berliner Bäckern immer noch „Wecken“ bestellenden Schwaben mokierte, hin zu anderen Spitzengenossen. Wer ist gerade das größere SPD-Problem: Klaus Wowereit oder Peer Steinbrück?

Dass sich über den Berliner Flughafen viele ärgern, kann ich gut verstehen. Mir geht es nicht anders! Aber versagt haben doch wohl in erster Linie diejenigen, die für den Brandschutz und andere Fehlleistungen verantwortlich waren. Der Aufsichtsrat ist mit Sicherheit nicht außerhalb der Kritik, aber die Aufsichtsräte kriechen nicht durch Kabelschächte und kontrollieren die Kabelverlegung.
Was Peer Steinbrück angeht: Wir sind nicht am Ende des Wahlkampfes sondern am Anfang eines langen Wahljahres. Wir haben noch neun Monate bis zur Entscheidung. Wenn ich die Stimmung in Niedersachsen richtig einschätze, dann hat die SPD gute Chancen die Landtagswahl am 20. Januarzu gewinnen und gemeinsam mit den Grünen regieren zu können. Deshalb lasse ich mich durch Berichte in diesen Tagen nicht verrückt machen.

Stimmen Sie Peer Steinbrück zu, dass ein Bundeskanzler gemessen an seiner Verantwortung etwa im Verhältnis zu Sparkassendirektoren zu wenig verdient?

Dass es ein Missverhältnis zwischen Spitzenverdienern in der Wirtschaft und in der Politik gibt, haben Sie vor Jahren schon von Helmut Kohl gehört. Insofern war das wahrlich nicht neu. Ich kenne Peer Steinbrück lange und gut. Und deshalb weiss ich sehr genau, dass er Politik nicht des Einkommens wegen macht, sondern weil er dafür brennt unser Land gerechter und moderner zu machen.

Erst die Debatte um Nebeneinkünfte, dann die nächste Geld-Debatte: Hätten Sie erwartet, dass Ihr Kandidat so lange Negativschlagzeilen verursacht?

In der politischen Küche wird heiß gekocht. Das erfährt jeder, der sich dort hinein begibt. Ich weiß noch von meiner eigenen Kandidatur vor vier Jahren, dass die freundlichen Porträts nur von kurzer Dauer sind. Danach muss man auch negative Berichterstattung aushalten. Was Peer Steinbrück angeht, finde ich sie allerdings in Einzelfällen nicht nur negativ, sondern geradezu böswillig.

Können Sie sich vorstellen, dass Steinbrück doch noch hinschmeißt?

Ausgeschlossen.

Also stellt sich auch nicht die Frage danach, was Sie dann machen würden?

Die Situation tritt ja nicht ein. Und meine Entscheidung, nicht zu kandidieren, ist ja nicht aus dem Bauch heraus gefallen, sondern war bedacht und überlegt und sie steht. Ich hadere nicht mit ihr, und deshalb geht es mir auch gut.

Wird die Euro-Krise den Wahlkampf bestimmen?

Die Menschen machen sich Sorgen, ob die Krise im laufenden Jahr bei uns ankommt. Anzeichen gibt es dafür in einzelnen Branchen, etwa im Automobilsektor. Aber ich glaube nicht, dass Europa der entscheidende Zankapfel im Bundestagswahlkampf werden wird.

Warum nicht?

Die SPD hat deutlich gemacht, dass sie auch in der Opposition fest zur Verantwortung für Europa steht. Unsere Zukunft hängt an der Zukunft Europas, und das nicht nur wirtschaftlich. Die Parteien tragen Verantwortung für dieses großartige Projekt, das uns nach 200 Jahren Krieg und Bürgerkrieg 60 Jahre Frieden beschert hat. Das dürfen wir nicht leichtfertig auf dem Altar eines Wahlkampfes opfern.

Besteht dafür denn bei keiner Partei eine Gefahr?

Ich sehe sie bei der Linkspartei, die im Bundestag bisher keinen Bemühungen um die Stabilisierung Europas zugestimmt hat und die gegen Europa polemisiert. Und ich sehe die Gefahr auch bei Teilen der CSU und der FDP. Bei den Liberalen gibt es Tendenzen, das Thema Europa populisitsch zu nutzen, um die Fünf-Prozent-Grenze wieder zu erreichen.

Wenn Europa die Wahl nicht entscheidet - was ist es dann?

Das Thema soziale Gerechtigkeit. Gerade in der europäischen Krise ist deutlich geworden, dass viele, die in guten Zeiten gut verdient haben, sich vom Acker machen, wenn es um die gerechte Verteilung von Lasten geht. Dass die auf den Steuerzahler abgewälzt werden, empört viele Menschen.

Das schlägt sich aber in Umfragen nicht nieder, zumindest nicht zu Lasten von Merkels CDU.

Aber diese Regierung tut nichts dafür, dass sich Krisen auf den Finanzmärkten nicht wiederholen und ihre Verursacher in Zukunft zur Kasse gebeten werden. Da gibt es hohe Erwartungen an die SPD. Deshalb wird es ein spannender Bundestagswahlkampf – um Fragen zur sozialen Gerechtigkeit, die gegenwärtig noch nicht auf den Titelseiten der deutschen Zeitungen stehen, aber für die Haltung der Menschen in der Wahlkabine entscheidend sein werden.

Ihr persönliches Verhältnis zu Angela Merkel ist in Ordnung?

In den Jahren der Großen Koalition war die Zusammenarbeit professionell. Seit dem Ende der Zusammenarbeit im Kabinett sind die Kontakte dünn geworden. Wir sehen und in den Debatten des Deutschen Bundestages und bei Unterrichtungen der Opposition über wichtige europäische Ratsbeschlüsse oder man läuft sich bei Veranstaltungen in Berlin über den Weg. Darauf beschränkt es sich.

Was finden Sie eigentlich so furchtbar an Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, dass sie Rot-Rot-Grün als Regierungsmodell immer noch ausschließen?

Ich habe es schon 2009 ausgeschlossen, und ich finde nicht, dass die Linkspartei seitdem eine Bewegung vollzogen hat, die die Zusammenarbeit mit ihr attraktiver macht. Im Gegenteil: Dauerquerelen im eigenen Laden. Sie ist im Bundesdurchschnitt schon jetzt von schwindender Bedeutung. In den alten Bundesländern – Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland – sind sie zuletzt reihenweise aus den Landtagen geflogen.