Die Banken in Europa geraten ins Trudeln. Was ist zu tun?
THOMAS OPPERMANN: Für Griechenland werden wir mittlerweile wohl einen intelligenten Schuldenschnitt um 50 Prozent brauchen. Das wird nicht ohne eine Kapitalisierung für die betroffenen Banken gehen. Doch wenn jetzt wieder die Steuerzahler einspringen, darf diese Hilfe nicht ohne Gegenleistung erfolgen. Eine Rettung von Banken sollte es nur gegen eine Beteiligung an den Geldinstituten geben.
Sie sprechen von Verstaatlichung.
OPPERMANN: Ja. Ich rede von einer Teil-Verstaatlichung, die aber nicht auf Dauer angelegt sein darf. In besseren Zeiten kann der Staat die Anteile wieder gewinnbringend verkaufen. Vorher muss der Staat dafür sorgen, dass auch bei den Banken Vernunft und Augenmaß einkehrt und etwa unverschämten Boni-Zahlungen, die es immer noch gibt, gestoppt werden.
Hat die Bundesregierung nach der Finanzkrise 2008 zu wenig gemacht um die Finanzmärkte zu regulieren?
OPPERMANN: Eindeutig. Bundeskanzlerin Merkel hatte versprochen, dass kein Markt, kein Produkt und kein Akteur ohne Aufsicht bleiben sollte. Nichts davon ist passiert. Stattdessen hat die Bundesregierung hohe Garantiesummen eingesetzt, um Zeit zu kaufen. Aber diese Zeit hat Frau Merkel nicht genutzt. Sie läuft der Entwicklung immer nur hinterher und hat kein klares Konzept. Wir müssen die Finanzmärkte an die Kette legen. Die Banken zocken, die Bürger zahlen. Das ist zutiefst ungerecht. Aber Merkel fehlt der Mut und die Kraft, es zu ändern.
Beeinträchtigt die Krise auch die Realwirtschaft?
OPPERMANN: Ja. Das dilletantische Krisenmanagement führt jetzt leider auch zu einer schrumpfenden Konjunktur. Die Wirtschaftsweisen haben deshalb das schwarz-gelbe Projekt Steuersenkung öffentlich beerdigt. Es wäre ein fatales Signal, mitten in der Schuldenkrise eine Steuersenkung auf Pump durchsetzen zu wollen. Merkel muss die Steuersenkungspläne nun endgültig vom Tisch zu nehmen.
Herr Oppermann, die Schuldenkrise ist für die Bürger nicht leicht zu verstehen. Wird die Kluft von Politik zu Bürger größer?
OPPERMANN: In der Tat haben die Bürger kritische Fragen. Viele ärgert, dass die Bundesregierung ihnen keinen reinen Wein einschenkt. Finanzminister Schäuble hat aus Angst vor einer Abstimmungsniederlage das Parlament getäuscht: Er hat gesagt, die deutschen Garantie liegen bei 211 Milliarden Euro und nicht höher. Schon wenige Tage später ist klar, dass dieser Betrag gehebelt werden soll und auf den deutschen Steuerzahler ein viel größeres Risiko zukommt. Die Menschen in Deutschland und auch der Bundestag erfahren immer erst im Nachhinein, dass Frau Merkel auf europäischer Ebene bereits neue Milliarden zugesagt hat. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, in der nächsten Woche im Bundestag persönlich darzulegen, was sie beim europäischen Gipfel am 23. Oktober vorzuschlagen gedenkt. Dafür muss sie sich ein Mandat vom Bundestag holen.
Trotz aller Kritik an der Bundesregierung reicht die SPD-Fraktion Merkel die Hand und stimmt im Bundestag für den Rettungsschirm. Wurmt das die Oppositionspartei nicht?
OPPERMANN: Nein. Unser Ziel ist nicht, Merkel oder die Banken zu retten. Unser Ziel ist die Rettung von deutschen Arbeitsplätzen. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr für einen stabilen Euro und ein intaktes Europa. Denn die Turbulenzen um den Euro gefährden Arbeitsplätze und Wirtschaftwachstum in Deutschland.
Sie sind glühender Verfechter von Rot-Grün. Hat Klaus Wowereit mit seinem Schwenk zur Großen Koalition in Berlin diese Pläne bundesweit durchkreuzt?
OPPERMANN: Das war eine landespolitische Entscheidung. Im Bund werden wir gemeinsam mit den Grünen für eine rot-grüne Mehrheit kämpfen.
Wowereit sagt, die Grünen seien eine Dagegenpartei, weil sie die Verlängerung der Autobahn ablehnen.
OPPERMANN: Aus meiner Sicht wären Rot und Grün ein Dafür-Bündnis. Ein Bündnis für eine solide Regierung, die hält was sie verspricht und die für faire Regeln auf dem Arbeits- und dem Finanzmarkt eintritt und die Bildungschancen verbessert.
Europa durchlebt die schwerste Krise seitdem zweiten Weltkrieg. Regieren in Notfall-Zeiten nicht Große Koalitionen besser?
OPPERMANN: Ich kann nachvollziehen, warum sich jetzt viele eine Große Koalition wünschen: Sie verbinden die positive Erinnerung an die vergangene Große Koalition mit der guten Leistung der acht sozialdemokratischen Minister. Dagegen fällt die heutige Regierung deutlich ab. Klar ist aber: Eine Große Koalition mit einer abgewirtschafteten Bundeskanzlerin, die die Eurokrise zwei Jahre lang katastrophal gemanagt hat, ist für uns überhaupt kein Thema. Rot-Grün wäre politisch und personell die bessere Alternative.
In Düsseldorf robbt sich die FDP vorsichtig an Rot-Grün heran. Ist das auch ein Signal für den Bund?
OPPERMANN: Nein. Zwar scheinen einige in der FDP endlich begriffen zu haben, dass die marktradikale und eindimensionale Programmatik gescheitert ist. Doch die Erneuerung lässt noch auf sich warten. Vom versprochenen „mitfühlenden Liberalismus“ ist nichts zu sehen. Wenn die FDP in NRW erkannt hat, dass Hannelore Kraft eine erfolgreiche Arbeit macht, ist das gut für NRW und ein Schritt in Richtung Realismus und Vernunft.