SZ: Herr Gerster, Sie sitzen im Sportausschuss und im Finanzausschuss. Schlagen eigentlich zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn Sie an Uli Hoeneß denken?
Gerster: Grundsätzlich gilt für Hoeneß wie für alle anderen, dass es keine Vorverurteilung geben sollte, dass er das Recht hat auf eine faire juristische Begutachtung. Tatsache ist aber auch: Mit seiner Selbstanzeige ist er an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert. Er ist immer sehr engagiert aufgetreten und hat zum Beispiel immer angemahnt, dass der Steuerzahler Polizeieinsätze bei Fußballspielen finanzieren soll. Das kann man nicht machen, wenn man selbst Steuern hinterzieht.
SZ: Meinen Sie, Uli Hoeneß hatte sich auf das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen verlassen?
Gerster: Hoeneß hat bestimmt gehofft, dass es zustande kommt. Denn dann hätte er anonym und straffrei bleiben können, er hätte nur einen pauschalen Betrag abgeliefert. Deshalb war es richtig, das Abkommen der schwarz-gelben Regierung abzulehnen. Wenn die SPD zugestimmt hätte, hätten wir nie erfahren, dass Hoeneß Steuern hinterzogen hat.
SZ: Sind Sie froh, dass das Abkommen gescheitert ist?
Gerster: Ich bin sehr froh. Und es ist auch richtig, weitere CDs mit Informationen über Steuerhinterzieher anzukaufen. Es zeigt sich ja gerade im Fall Hoeneß, dass Steuerhinterzieher nicht mehr richtig schlafen können. Die Angst vor Aufdeckung, die Angst, dass der eigene Namen in den Medien steht, treibt Steuerbetrüger zum letzten Mittel, zur Selbstanzeige.
SZ: Hoeneß hätte aber nach dem geplanten Steuerabkommen mit der Schweiz sogar mehr zahlen müssen, als wenn er sich selbst anzeigt.
Gerster: Aber er wäre anonym geblieben. Sie sehen ja, Steuerhinterzieher scheuen die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Jetzt müssen sie sich offenbaren, weil sie sonst auffliegen.
SZ: Finanzminister Schäuble sagt, mit dem Abkommen mit der Schweiz hätte man nicht nur Einzelne erwischt, sondern pauschal viel mehr Geld eingenommen.
Gerster: Ich bin sehr vorsichtig, was solche Rechnungen anbelangt. Mal hieß es, wir würden 2 Milliarden Euro einnehmen, dann waren es 10 Milliarden Euro. Ich traue keiner Zahl richtig. Es ist gut, dass wir das Abkommen nicht haben. Mit den neuen Enthüllungen des Journalistennetzwerks ist richtig Fahrt gekommen in die Debatte über die Bekämpfung von Steuerhinterziehern. Auch Luxemburg verschließt sich nicht mehr einem automatischen Informationsaustausch.
SZ: Ist solch ein Austausch die Lösung im Kampf gegen Steuerhinterziehung?
Gerster: Ja. Wir brauchen keine bilateralen Abkommen mit Steueroasen, sondern international einen automatischen Abgleich. Die Anonymität von Steuerhinterziehern muss aufhören. Die Tatsache, dass Uli Hoeneß an die Öffentlichkeit gegangen ist und Selbstanzeige gestellt hat, wird dazu führen, dass jetzt noch einmal umgehend viele andere Steuerbetrüger den Weg zur Selbstanzeige einschlagen werden.
SZ: Gestiegen sind die Selbstanzeigen bereits seit Januar.
Gerster: Wir werden noch einen weiteren Anstieg erleben. Mit jedem Artikel, mit jeder Meldung über den Ankauf neuer Steuer-CDs steigt das Entdeckungsrisiko.
SZ: Nochmal zurück zu Hoeneß, der ja auch große Verdienste hat. Tut er Ihnen auch ein bisschen leid?
Gerster: Zunächst bin ich überrascht, weil er ja ein sehr erfolgreicher Fußballmanager und ein engagierter prominenter Bürger in unserem Land ist. Da ist man doch enttäuscht, dass jemand den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Ich bin gespannt, ob er sich mittelfristig in seinem Amt als Präsident des FC Bayern München halten kann. Seine Glaubwürdigkeit hat erheblichen Schaden genommen, das kann man eigentlich nicht mit großem sozialen Engagement ausgleichen.
SZ: Sprich, er sollte lieber zurücktreten.
Gerster: Ich glaube, dass er über kurz oder lang nicht umhinkommt, die Präsidentschaft niederzulegen. Der Fußball verliert dann einen Charakterkopf. Aber wenn er seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden will, bleibt ihm eigentlich nichts anderes übrig.