Frage: Herr Lauterbach, die Große Koalition bringt die Pflegereform auf den Weg. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Änderungen?

Lauterbach: Der Wechsel von den bisherigen Pflegestufen auf fünf Pflegegrade ist der wichtigste Punkt. Das neue System beschreibt den Bedarf doppelt so genau wie das alte. Künftig richtet sich die Unterstützung nach dem Grad der Selbstständigkeit eines Pflegebedürftigen. Für psychisch Kranke oder Demenzerkrankte wird es zu passgenaueren Hilfen kommen. Der Eigenanteil in den Pflegeheimen wird künftig einheitlich festgelegt. Das bedeutet: Wer höhergestuft wird, muss nicht mehr bezahlen. 

Das System wird völlig umgestellt. 2,7 Millionen Pflegebedürftige werden künftig den fünf Pflegegraden zugeordnet. Droht dabei nicht administratives Chaos?

Nein, es wird einen fließenden Übergang geben. Im nächsten Jahr werden Versicherte, die zum ersten Mal Leistungen beantragen wollen, parallel nach dem alten und nach dem neuen System eingestuft. Die Einstufung wird etwas länger dauern, weil sie gründlicher ist. Der Versicherte profitiert davon aber. Wenn sich bereits im kommenden Jahr ein höherer Bedarf nach dem neuen System zeigt, erhält der Pflegebedürftige ab 2017 automatisch mehr Geld. Und: Niemand wird nach dem neuen System weniger Leistungen erhalten als nach dem alten.

Höhere und mehr Leistungen bedeuten noch nicht automatisch mehr Qualität in der Pflege, oder?

Wenn mehr Geld in der Pflege zur Verfügung steht, verbessert sich auch die Qualität. Die Pflegeversicherung wird 2017 fünf Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben als noch zu Beginn der Legislaturperiode. Das ist der stärkste Zuwachs in der Geschichte der Pflegeversicherung. Außerdem verteilen wir die Mittel auch gerechter, weil für die schwer Pflegebedürftigen nach der Reform mehr Geld zur Verfügung steht.

Kritiker halten die Reform für unterfinanziert. 2017 steigt der Beitragssatz erst einmal um 0,2 Prozentpunkte. Droht danach schon bald die nächste Erhöhung?

In dieser Legislaturperiode erhöhen wir den Beitrag um insgesamt 0,5 Prozentpunkte – zu Jahresbeginn waren 0,3, 2017 werde es noch einmal 0,2 sein. Dieser Anstieg wird zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Es ist richtig, dass wir in der Pflegeversicherung mittelfristig mit weiter steigenden Beitragssätzen rechnen müssen. Ich halte nichts davon, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. Das werden wir nicht machen. Im Gegenteil: Wir werden in der gesetzlichen Krankenversicherung den Beitragssatz wieder paritätisch gestalten müssen, weil die Belastungen für die Arbeitnehmer allein nicht mehr zu tragen sind.

Am Personalmangel in der Pflege wird die Reform nichts ändern. Hat die Koalition hier Pläne?

Wir werden die Pflege-Ausbildung vereinheitlichen und verbessern. Das macht den Beruf attraktiver für junge Menschen. Darüber hinaus werden natürlich die Arbeitsbedingungen besser, wenn wir 20 Prozent mehr Geld in die Pflege geben. Dann wird sicherlich auch mehr Personal in den Heimen eingestellt.

Das Interview führte Rasmus Buchsteiner