Christine Lambrecht zog zu Beginn der Veranstaltung einen Vergleich zwischen Elisabeth Selbert, einer der vier Mütter des Grundgesetzes, und Anne Wizorek. Beide hätten einen Sturm der Empörung unter Frauen entfacht wegen der Ungleichbehandlung von Frauen in der Gesellschaft. Selbert erreichte, dass im Grundgesetz mit Artikel 3 die Rechte der Frau verankert wurden. Anne Wizorek habe es geschafft, mit ihrem Twitter-Hashtag Aufschrei ein Ventil für die täglichen persönlichen Erfahrungen mit Sexismus für Frauen zu schaffen und damit eine gesellschaftliche Debatte loszutreten.

Die große Beteiligung legt offen, dass ein Nerv getroffen wurde: „Es zeigt, es wurde ein Tabu gebrochen, und es besteht ein gesellschaftliches Bedürfnis, über Gleichberechtigung zu diskutieren“, sagte Lambrecht. Jetzt müsse die Aufbruchstimmung genutzt werden, um sich auszutauschen und um eine Bestandsaufnahme zu machen, wie und in welcher Form Frauen und Männer heute Sexismus erleben.

„Es gibt Sanktionsmöglichkeiten“

Damit sich die Lage der Frau verbessere, so Anne Wizorek, müsse die Situation sich vonseiten der Täter ändern, nicht vonseiten der Opfer. Die Diskussion im Netz wirke für viele Frauen wie eine Art „Katharsis“, eine Befreiung vom Schamgefühl durch die Gemeinschaft, was ihnen den Mut gibt, sich jetzt zu wehren. Die Zuschriften, insbesondere von über sich selbst schockierten Männern, zeigten die Dimension der Debatte. „Wir streben einen fundamentalen Wandeln an“, erklärte Wizorek.

„Frauen und Männer wissen genau, wann eine Grenzüberschreitung vorliegt“. Nach  Meinung Wizoreks sei der Interpretationsspielraum bei Belästigungen eher gering, deshalb sei die rechtliche Situation eigentlich klar. Frauen müssen sich wehren, denn „es gibt Sanktionsmöglichkeiten!“ Die müssen Arbeitgeber anwenden, um ihre Angestellten zu schützen.

Sanktionsmöglichkeiten reichten aber nicht aus, so Karin Schwendler, es müssen auch strukturelle Veränderungen passieren. Der DGB habe die Beobachtung gemacht, dass Frauen in führenden Positionen das Betriebsklima positiv beeinflussen würden. Auch die Einrichtung von Beratungsstellen in großen Unternehmen habe einen positiven Einfluss. Denn das Problem sei, dass zwar mehr als jede zweite Frau belästigt werde, aber nur sechs Prozent von ihnen sich aktiv wehrten.

„Sexismus ist so lästig wie ein Mückenschwarm“

Das große Publikum, in dem sich auch viele Männer befanden, beteiligte sich rege an der Debatte. Es wurde vor allem von persönlichen Erfahrungen berichtet und erste Lösungsvorschläge diskutiert. Es herrschte aber eine gewisse Resignation vor, dass sich seit 40 Jahren, seit dem Beginn der Debatte um die Gleichberechtigung und Sexismus, nur anscheinend wenig getan habe. Gerade die Männer im Publikum forderten einen grundsätzlichen Wertewandel. Es bräuchte neue Rollenbilder für Frauen und Männer, um die Diskriminierung zu beenden.

Burkhard Lischka fasste am Ende die Debatte noch einmal zusammen. Es sei ihm bewusst, dass dies nur eine erste, „oberflächliche“ Diskussion sei, aber auch eine „notwendige Debatte über den Irrtum, man wäre schon weiter.“ Jede zweite Frau habe, so Lischka, sexuelle Belästigung erlebt. „Alltagssexismus ist so lästig wie eine Mückenplage“, man entkomme ihm kaum, und es sei schwierig sich gegen ihn zu wehren. Diese Veranstaltung sei ein erster Auftakt in der Hoffnung, dass sich die Gesellschaft ändern werde.

Am Ende der Veranstaltung luden Christine Lambrecht und Burkhard Lischka zu der kommenden Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentags am 27. Februar ein.

Anmeldung zur kommenden Veranstaltung am 27. Februar 2013

Hier können Sie einen Eintrag zu dem Thema in unserem Fraktionsblog nachlesen.

 

Martin Mader