Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann lobte in seiner Rede die große Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber den Flüchtlingen und ihre offene Haltung. Vor allem die Willkommensbilder der Münchner am Hauptbahnhof beeindruckten ihn sehr. Oppermann: „Dafür möchte ich allen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und allen ehrenamtlichen Helferinnen Helfern meinen tiefen Dank aussprechen.“
Dank dieser Helfer zeige sich Deutschland „der ganzen Welt von seiner besten Seite“. In der Flüchtlingskrise sei zu sehen, „welch unschätzbaren Wert eine mitfühlende, aktive und gut organisierte Zivilgesellschaft hat“.
Für Oppermann gehört diese Hilfsbereitschaft zu den „wertvollsten Ressourcen unserer Gesellschaft“. Sie mache das Land stark, halte es zusammen, und sie ermögliche es, „dass wir gemeinsam sagen können: Wir schaffen das!“
Er betonte auch, dass Deutschland ein starkes Land sei, woraus eine besondere Verantwortung erwachse, auch in Zukunft mehr Flüchtlinge aufzunehmen als andere. Aber: „Allein mit Schweden und Österreich werden wir es nicht schaffen. Die Flüchtlingsfrage kann nicht auf der Ebene einzelner Länder gelöst werden, sie verlangt nach einer europäischen Antwort.“
Denn wenn sich die EU nicht auf eine faire Verteilung der Flüchtlinge einige, dann sei eine der größten Errungenschaften Europas in Gefahr, nämlich die offenen Grenzen.
Oppermann forderte deshalb einheitliche Asylregeln in ganz Europa. Der Grund: „Nur, wenn Flüchtlinge innerhalb Europas gleich behandelt werden, wird der Verschiebebahnhof für Flüchtlinge in Europa enden.“
Fluchtursachen stärker bekämpfen
Er forderte aber auch, die Fluchtursachen in den Heimatländern endlich stärker zu bekämpfen. Dazu gehöre es, die Anrainerstaaten zu unterstützen. In Jordanien, Syrien und der Türkei verlassen jeden Tag viele Menschen die Flüchtlingslager, weil dort die Lage katastrophal ist. Oppermann bat Entwicklungshilfeminister Müller zu prüfen, welche Umschichtungen im Entwicklungsetat möglich sind.
Ihm ist es wichtig, zu zeigen, dass der Staat die Lage in Deutschland im Griff hat und fähig ist, die Aufnahme der Flüchtlinge so zu gestalten, „dass der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht verloren geht“. Oppermann erläuterte in dem Kontext das am Wochenende beschlossene Maßnahmenpaket der Koalition, mit dem die Länder und Kommunen bei der Flüchtlingshilfe massiv unterstützt werden. Im Parlament sagte der Fraktionschef: „Unser Ziel ist es, dass nur noch Asylbewerber mit Bleibeperspektive an die Kommunen weiterverteilt werden. Denn die Kommunen sollen sich voll auf ihre Integrationsaufgabe konzentrieren können. Dazu wird der Bund neue Erstaufnahmeplätze finanzieren und das Abweichen von Baustandards erlauben.“ Er betonte, dass der Bund Länder und Kommunen mit 3 Milliarden Euro bei der Asylbewerberaufnahme unterstützen wird.
Stichwort Integration der Asylbewerber: Die Koalition richtet jetzt ihre volle Konzentration auf Kitas und Schule, Spracherwerb, Ausbildung und Beschäftigung, kündigte Oppermann an. Für ihn ist klar: „Jeder Euro, den wir heute in Ausbildung und Qualifizierung stecken, wird sich in Zukunft um ein vielfaches auszahlen.“
Mit Blick auf die Asylbewerber aus dem Balkan, die keine Chance auf Asyl hier haben, forderte Oppermann erneut ein Einwanderungsgesetz, mit dem sich die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitnehmern steuern lässt.
Facebook und Twitter stärker in die Pflicht nehmen
Sehr deutlich kritisierte der Fraktionsvorsitzende die rechte Hetze, die sich derzeit in einigen Kommunen und auf sozialen Medien bahnbricht. Facebook und Twitter müssten stärker prüfen, was gelöscht werden muss: „Das Internet darf nicht zu einem Ort des Hasses und der Hetze gegen Ausländer werden“, sagte Oppermann.
Er widmete sich in seinen Ausführungen auch der guten wirtschaftlichen Lage Deutschlands. Es sei gut, dass Deutschland mit dem Mindestlohn, hohen Tarifabschlüssen und steigender Kaufkraft eine starke Binnenwirtschaft als zweites wirtschaftliches Standbein neben dem Export habe.
Der Haushaltsentwurf 2016 ist der dritte in Folge ohne neue Schulden. Und Oppermann lobte: „Jetzt zeigt sich, wie richtig es war, in guten Jahren für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen.“ Nicht zuletzt deshalb seien wir heute in der Lage, die zusätzliche Herausforderung der ankommenden Flüchtlinge aus Überschüssen zu bewältigen. „Wirtschaftliche Stärke schafft Kraft zur Solidarität. Diesen Pfad sollten wir weitergehen.“
Mehr Haushaltsmittel für Bildung
In ihrer Rede im Bundestag betonte die stellvertretende Sprecherin der SPD-Arbeitsgruppe Haushalt Bettina Hagedorn die Notwendigkeit, die Fluchtursachen effektiv zu bekämpfen. Die bisher ergriffenen Mittel wie beispielsweise das Frontex-Abkommen, sagt sie, hätten die Situation für Schutzsuchende nur verschlimmert. Sie führten lediglich dazu, dass die Fluchtwege länger und gefährlicher würden. Flüchtlinge ließen sich durch Zäune und Grenzen nicht aufhalten. Um die Gefahr für die Flüchtlinge zu verhindern, müsse die Politik nun handeln.
Aus dem Haushalt müssten Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und somit auch deren Integration erleichtert wird. Hierzu sollen, fordert Hagedorn, vor allem das individuelle Bildungsangebot und die Kapazitäten der Jobcenter erweitert werden.
Martin Gerster, Mitglied im Haushaltsausschuss, sagte, es stehe der Politik gut an, all den Menschen, die ehrenamtlich helfen, danke zu sagen. Er verwies auf den Stellenzuwachs beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bei der Bundespolizei. Beides helfe, die Herausforderungen durch die hohe Flüchtlingszahl zu bewältigen. Ihm ist sehr wichtig, die Flüchtlinge nicht nur als "Krise zu sehen, sondern als Chance für unser Land". Gerster kündigte an, im Haushaltsausschuss zu prüfen, inwieweit Gelder weiter aufgestockt werden könnten, etwa beim BKA, um die Schleuser zu bekämpfen und beim Kampf gegen Rechtsextremismus.
Ewald Schurer, auch Mitglied des Haushaltsausschusses, bestärkte in seiner Rede Thomas Oppermann. Er findet ebenso, dass es wichtig sei, das Flüchtlingsaufkommen solidarisch in Europa zu teilen. Deutschland habe nichtsdestotrotz eine besondere Verantwortung gegenüber den Schutzsuchenden. Diese Verantwortung, sagte er, erwachse aus der guten ökonomischen Lage Deutschlands.
Alexander Linden / Marco Werner