Am 2. Oktober 2019 hat Indien den 150. Geburtstag Mahatma Gandhis gefeiert und an sein Wirken erinnert. Der Deutsche Bundestag würdigt die Leistungen Gandhis, seinen Einsatz für die Unabhängigkeit Indiens, die Prinzipien des gewaltlosen Widerstands und des nachhaltigen Wirtschaftens. Mahatma Gandhi bleibt ein internationales Vorbild, in dessen Tradition und Verantwortung sich Deutschland und Indien als demokratische Staaten in enger Freundschaft verbunden fühlen.
Indien hat sich seit seiner Staatsgründung immer als säkularer und multireligiöser und multiethnischer Staat verstanden. Dieses Prinzip der Toleranz hat sich bis in die Gegenwart bewährt und garantiert auch im heutigen Indien den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Deutschland und Indien haben viele gemeinsame strategische Interessen. Seit Beginn der Wirtschaftsliberalisierung 1990 ist es Indien gelungen, hunderte Millionen Menschen aus der Armut zu führen. Große Fortschritte gab es auch im Kampf gegen HIV/AIDS und in Bezug auf den Zugang von Mädchen und jungen Frauen zu Bildungseinrichtungen. Dennoch bleibt viel zu tun. Ohne Indien werden die zum Beispiel die Sustainable Development Goals (Ziele für nachhaltige Entwicklung) der UN-Agenda 2030 nicht erreicht werden.
Agenda für die deutsch-indische Partnerschaft im 21. Jh.
Indien baut heute seine Infrastruktur für Energie, Mobilität und Wohnen für das 21. Jahrhundert. Folgt Indien hier dem energie- und emissionsintensiven Pfad der alten Industrieländer, sind die Pariser Klimaschutzziele trotz aller Anstrengungen in Europa nicht erreichbar und Luftverschmutzung und andere Schadstoffbelastungen werden weiter zunehmen. Es ist daher im strategischen Interesse Deutschlands, Indien dabei zu unterstützen, einen kohlenstoff- und schadstoffarmen Entwicklungspfad einzuschlagen.
Schon im Mai 2000 haben beide Länder die „Agenda für die deutsch-indische Partnerschaft im 21. Jahrhundert“ angenommen. Nichtsdestotrotz wird Indiens Aufstieg, seine Bedeutung für die internationalen Beziehungen und seine Rolle als globaler Partner in der deutschen Öffentlichkeit noch immer zu wenig wahrgenommen. Während das weltpolitische Gewicht Chinas sowohl in den deutschen Medien als auch im politischen Umfeld Berlins allgegenwärtig ist, wird das Interesse an Indien der strategischen Bedeutung des Landes bislang nicht gerecht. Angesichts der anstehenden 5. deutsch-indischen Regierungskonsultationen ist es an der Zeit, die Beziehungen auf eine neue Ebene zu heben. Zwischen diesen formalisierten Treffen der Regierungen sollte daher der hochrangige politische Austausch und Dialog mit Indien intensiviert werden.
Die Koalitionsfraktionen fordern die Bundesregierung in einem gemeinsamen Antrag (Drs. 19/14340) deshalb auf:
- die freundschaftlichen Beziehungen und politischen Verbindungen zwischen Deutsch-land und Indien zu vertiefen, auszubauen und zu fördern;
- gemeinsam mit der indischen Regierung die strategische Kooperation in internationalen Fragen der Handels-, Menschenrechts-, Umwelt-, Klima-, Biodiversitäts-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik auszubauen;
- gemeinsam mit anderen befreundeten Staaten eine Allianz der regelbasierten, multilateralen Weltordnung auf- und auszubauen und faire und auf Ausgleich basierte Institutionen zu stärken;
- sich in diesem Geiste weiterhin für eine Reform des VN-Sicherheitsrates einzusetzen;
- neue dauerhafte Gesprächsformate von Indien und Deutschland gemeinsam mit Drittstaaten, insbesondere mit Wertepartnern im asiatisch-pazifischen Raum zu entwickeln;
- sich für eine verstärkte Zusammenarbeit bei der politischen, technischen und wirtschaftlichen Modernisierung Indiens auf der Grundlage der gemeinsamen Werte ein-zusetzen und dabei gezielt auf die Vereinbarkeit von Umwelt- und Klimaschutz, Wirt-schafts- und Infrastrukturwachstum und international anerkannten akzeptablen Arbeits- und Sozialstandards hinzuwirken;
- Indiens Rolle in der internationalen Umwelt- und Klimapolitik zu stärken, den Auf- und Ausbau kohlenstoffarmer Energie- und Mobilitätssysteme sowie nachhaltiger Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen zu fördern und die finanzielle und technische Unterstützung zur Bewältigung des Klimawandels und Biodiversitätsverlustes sowie für den Aufbau widerstandsfähiger Städte auszuweiten;
- die gute Zusammenarbeit im Bildungssektor auszubauen und die Berufsbildungszusammenarbeit mit Indien zu intensivieren; die indische Regierung ist in ihren Bemühungen der Bildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung auch weiterhin zu unterstützen;
- sich für eine Stärkung der Rechte von Frauen in Indien einzusetzen, im Rahmen bestehender Kooperationsprogramme gezielte Weiterbildungs-kampagnen und -programme für Frauen einzurichten, und gerade im unternehmerischen Kontext deutscher Firmen und der Arbeit der Auslands-handelskammern zu stärken;
- sich für Religionsfreiheit und freie Meinungsäußerung in Indien einzusetzen, Arbeits-rechts- und Menschenrechtsverletzungen genau zu beobachten und auf allen politischen Ebenen regelmäßig anzusprechen.